Kommunales

Münchner Altbau: Oft wohnen verwitwete Senioren mangels bezahlbarer Alternativen in viel zu großen Wohnungen. (Foto: dpa/Johanna Hölz)

23.08.2019

Rentner in Riesenwohnung

Serie „Wohnen in Bayern“ (Teil 4): Wegen der hohen Mieten bei Neuverträgen bleiben immer mehr Menschen in Wohnungen, die für sie eigentlich zu groß sind

Großfamilien wohnen auf 50 Quadratmetern, während ein Rentner in seiner Vierzimmerwohnung bleibt – weil bei Neuverträgen die Mieten vielerorts im Freistaat exorbitant über den Bestandsmieten liegen, können immer mehr Bayern nicht so leben, wie sie gerne wollen.


In München eine neue Wohnung beziehen? Das ist vielleicht für Zuzügler ein Muss, die in der Landeshauptstadt eine neue Arbeitsstelle antreten. Für ansässige Münchner aber ist der Umzug innerhalb der Stadt kaum noch eine Option. Denn angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt würde ein Umzug inzwischen in der Regel eine Verschlechterung bedeuten.


Der Münchner Familie R. geht es wie vielen älteren Ehepaaren: Die Töchter sind aus dem Haus, eigentlich ist die Wohnung zu groß geworden für zwei Personen. Sie wohnen in einem Neubauviertel an der Domagkstraße und wollten eigentlich nach einer kleineren Wohnung suchen. Aber „das macht momentan keinen Sinn“, sagt Anton R., für die kleinere Wohnung müssten sie fast ebenso viel an Miete bezahlen wie jetzt schon. „Wir bleiben erstmal drin“, sagt der 69-Jährige.

Ein paar Kilometer Luftlinie entfernt ist in einer Straße in München Laim lautes Hämmern zu vernehmen. Familie L. ist gerade dabei, eine Mauer in ihrer Dachgeschosswohnung einzureißen. Mit Erlaubnis des Vermieters. Denn so erhält die größere der beiden Töchter ein eigenes Zimmer. Der Umbau ist das Ergebnis des Wohnungsmarkts. Auch hier lautet die Devise: Wir bleiben erst mal drin. Bei Fällen wie diesen sprechen die Experten vom sogenannten Lock-in-Effekt: Durch den angespannten Wohnungsmarkt in Städten wie München geben es viele Haushalte auf, nach einer neuen Wohnung zu suchen, die größer oder günstiger in der Miete ist. Denn zwischen der Bestandsmiete und der Neubaumiete können oft 30 Prozent Unterschied liegen.

Differenz von bis zu 30 Prozent zwischen Bestands- und Neumiete

Familien, die eigentlich gerne umziehen würden, bleiben lieber dort wohnen, wo sie es aufgrund von bestehenden Altverträgen noch mit bezahlbaren Mieten zu tun haben. Und das, obwohl die Wohnung nicht mehr mit ihren Bedürfnissen übereinstimmt – sie sind quasi dort „eingesperrt“ (Lock-in). Ablesen lässt sich diese Entwicklung an der Umzugsrate, gemeint ist damit der Wohnsitzwechsel, etwa innerhalb einer Stadt oder eines Stadtteils. Und je angespannter der Mietwohnungsmarkt, desto geringer die Umzugsrate.

Beispiel Berlin: Noch 2003 titelte eine Tageszeitung: „Umziehen wie die Weltmeister, 460 000 Berliner wechselten die Wohnung.“ Und: „Die meisten Berliner wechseln ihre Bleibe, um in eine größere oder besser geschnittene Wohnung zu ziehen. Begünstigt wird dieser Trend durch den hohen Leerstand an Wohnungen und die dadurch relativ günstigen Mieten“. 14 Jahre später war es vorbei mit dem Weltmeister: Nach enormen Mietsteigerungen war die Umzugsquote in der Hauptstadt von 10,4 Prozent in 2006 auf 7,9 Prozent in 2015 und auf 5,9 Prozent in 2017 gefallen. In München zogen 2007 noch 8,5 Prozent der Einwohner um, neun Jahre später waren es nur noch 7,3 Prozent, Tendenz weiter sinkend. 2017 zogen nur noch 6,7 Prozent der Münchner um. „Mieter in Deutschland wechseln immer seltener ihren Wohnsitz“, so lautete auch vergangenes Jahr das Fazit des Energiedienstleisters Techem, der Mieterwechsel über die Heizkostenabrechnung analysierte.

Auf Bundeslandebene lag die durchschnittliche Umzugsquote 2017 bei 8,8 Prozent und damit erstmalig unter 9 Prozent. Die sozialen Folgen dieses Lock-in-Effekts sind nicht sehr positiv. Menschen, die in einer Position verharren (müssen), die sie eigentlich ändern wollen, sind nicht zufrieden. Das Pendeln vom günstigeren Umland zu den Arbeitsplätzen in der Stadt belastet die Ökologie und kostet Lebenszeit. Firmen tun sich immer schwerer, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Hohe Mietpreise wirken also wie Sand im Getriebe einer sozialen Mechanik. (Rudolf Stumberger)

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