Kommunales

Einsatzmöglichkeiten für die neuen Bufdis bestehen unter anderem in Werkstätten für Behinderte. (Foto: DAPD)

09.12.2011

Sehnsucht nach dem Zivi

Nach einem halben Jahr „Bundesfreiwilligendienst“ ziehen bayerische Einrichtungen eine durchwachsene Bilanz

Nach einem halben Jahr nimmt der als Nachfolger des Zivildienstes angelaufene Bundesfreiwilligendienst nur langsam Fahrt auf. In den bayerischen Großstädten fällt die Bilanz durchwachsen aus – viele ehemalige Zivildienststellen sind noch unbesetzt. Seit dem Start des Bundesfreiwilligendiensts (BFD) werden die Zivis nach und nach durch die so genannten Bufdis abgelöst.
Gedacht als Ergänzung zu den bisherigen Freiwilligendiensten – Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) – soll der BFD vor allem die Lücke schließen, die sich mit dem Wegfall der Zivis nach dem Ende der Wehrpflicht auftut. Für den BFD können sich Männer und Frauen ab 16 Jahren verpflichten und dann sechs bis 24 Monate fürs Gemeinwohl arbeiten. Die nach oben hin offene Altersgrenze soll auch ältere Menschen für die gute Sache begeistern. Für Vollzeitstellen liegt der Verdienst bei maximal 330 Euro pro Monat.


Überhastete Einführung


Der überhastet eingeführte BFD stieß zu Beginn auf wenig Gegenliebe, sprich kaum Interessenten. Mittlerweile zieht das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) aber ein positives Fazit: Rund 20 000 Männer und Frauen haben sich bundesweit bisher für den Dienst verpflichtet. Das Amt rechnet damit, dass die von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) angestrebte Zahl von 35 500 Bundesfreiwilligen bis Ende 2012 erreicht wird.
Ganz so euphorisch wie von bundespolitischer Seite beurteilen die Dienststellen in den bayerischen Städten den BFD allerdings noch nicht. Es herrscht Verunsicherung, wie mit dem neuen Freiwilligendienst umgegangen werden soll. Daher bleiben zahlreiche alte Zivildienststellen vorerst unbesetzt. Das gilt vor allem für den sozialen Bereich, wo der Freiwilligenbedarf am größten ist und der Wegfall der Zivis am meisten schmerzt.
Beim Münchner Regionalverband der Johanniter, wo zuletzt 24 Zivis tätig waren, ist bislang kein Bufdi beschäftigt. „Die lange Planungsunsicherheit bei der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes, die unklaren Zuständigkeiten sowie nicht entschiedene Details wie beispielsweise die Kindergeldfortzahlung haben uns den Einsatz von Bundesfreiwilligen sehr erschwert“, erklärt Pressesprecher Gerhard Bieber.
Die Arbeitskraft der Zivis fehlt vor allem in den städtischen Krankenhäusern. Das Klinikum Schwabing etwa konnte lediglich 20 Bufdis akquirieren, obwohl 35 Stellen zu besetzen sind. Im Klinikum Bogenhausen wurden alle 38 Zivi-Plätze in BFD-Stellen umgewandelt – derzeit arbeiten dort aber nur neun Bufdis.
Kritisch äußert man sich auch beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), das seit Juli knapp 500 Bundesfreiwillige gewinnen konnte. Nur vier Bufdis haben beim Münchner Kreisverband bislang ihren Dienst begonnen, wobei 20 Stellen im Bereich Einsatz, Ehrenamt und Ausbildung (EEA) noch auf Neubesetzung warten. Beim BRK Nürnberg zeigt sich das gleiche Bild. Zehn Bufdis werden dort eingesetzt – 20 Stellen sind derzeit noch offen.
Dass der BFD den Zivildienst nicht ersetzen kann, ist aber nicht die einzige Erkenntnis: „Da der Bufdi jederzeit aufhören kann, ist das Ausfallrisiko ungleich höher. Viele nutzen den Bufdi als Warte- oder Übergangszeit, die bei Studiums- oder Ausbildungszusagen vorzeitig beendet wird“, bemängelt Stefan Krause, Leiter EEA beim BRK München, das BFD-Konzept. Ist die soziale Ader der Bufdis dann trotz der freiwilligen Verpflichtung doch nicht so stark ausgeprägt?
Roland Lösch, Leiter des Augsburgers Personalamts, stimmt zu: „Gerade Interessenten im noch erwerbsfähigen Alter erhoffen sich durch den BFD eine Möglichkeit, sich einem potenziellen Arbeitgeber zu empfehlen.“ Problematisch am BFD sei für die Dienststellen zudem, dass der Umgang mit den Freiwilligen völlig anders aufgebaut sein muss. Im Gegensatz zu den Zivildienstzeiten fehlt es an wirksamen Druckmitteln gegenüber den Bufdis – etwa bei Unzuverlässigkeit.
In Augsburg wird intern abgestimmt, ob und in welchem Umfang städtische Referate BFD-Plätze anbieten können. Knackpunkt ist die Finanzierung, denn pro BFD-Stelle kommen monatlich zirka 470 Euro Kosten auf die Stadt als Träger zu. Ein mögliches BFD-Angebot muss daher aufgrund der finanziellen Belastung gut überlegt sein. Im Unterschied zu den klassischen Zivildienststellen können die Bundesfreiwilligen auch außerhalb des sozialen Bereichs arbeiten, etwa in Naturschutzvereinen, Museen oder Sportvereinen. Entsprechende Einrichtungen können sich als Einsatzstellen neu bewerben und sich in einem einfachen Verfahren anerkennen lassen.


Kultur beliebter als Soziales


Bislang zeigt sich, dass es auch genau diese Stellen sind, für die sich die Bufdis vorwiegend interessieren. Kultur ist eben beliebter als Soziales. So konnten etwa in Regensburg alle sieben früheren Zivildienststellen der städtischen Referate mit Bufids besetzt werden. Falls die Nachfrage weiterhin groß bleibt, werde man fünf weitere BFD-Stellen beim BAFzA beantragen, heißt es.
Große Zufriedenheit herrscht auch beim Amt für Kultur und Freizeit in Nürnberg, das mit seinem BFD-Angebot zahlreiche Interessenten anlocken konnte. 40 Bewerbungen für acht Stellen hat die BFD-Verantwortliche Isabelle Bayer seit Juli gezählt – mittlerweile sind alle Stellen vergeben. „Wir waren von dem großen Andrang für die BFD-Stellen überrascht. Bei uns werden die Freiwilligen als ,Kulturassistenten’ geführt und übernehmen ganz vielfältige Aufgaben, die von der Organisation und Betreuung von Veranstaltungen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit reichen. Bisher haben wir nur gute Erfahrungen mit den Bufdis gemacht.“
Die Einsatzfelder in den Dienststellen für Bufdis attraktiv gestalten – das ist genau die Botschaft des Deutschen Städtetags an seine Mitglieder. Der kommunale Spitzenverband macht sich in Kooperation mit den Städten für den BFD stark. Insgesamt beurteilt der Städtetag die Entwicklung des BFD positiv. Gerade pädagogische Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen verzeichnen ein starkes Interesse für den BFD. Da der Bedarf bei den medizinischen Diensten allerdings noch groß sei, müssten die Dienststellen stärker für sich werben. Auffällig sei zudem, dass sich bislang kaum ältere Menschen melden und sich dreimal so viele Männer wie Frauen bewerben, heißt es aus der Berliner Zentrale. (Christof Nikolai)

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