Kommunales

25.10.2025

Selbst ist der Bus: Immer mehr Städte setzen beim ÖPNV auf autonomes Fahren – auch München. Die Kommunen können so viel Geld sparen

Autonom fahrende Kleinbusse könnten den ÖPNV revolutionieren und die kommunalen Haushalte entlasten. In diversen deutschen Städten gibt es gerade Testläufe – nun auch in München

Max Mustermann lebt in Gern, einem noch weitgehend ländlich geprägten Stadtteil von München, wo kaum ein Linienbus verkehrt und es nur wenige Haltestellen gibt. Was umso ärgerlicher ist an einem verregneten Tag wie heute, an dem Max Mustermann schnell noch in den Supermarkt muss. Kurzerhand zückt er also sein Handy, öffnet die App der Münchner Verkehrs-Gesellschaft (MVG) und bestellt den öffentlichen Nahverkehr direkt vor seine Haustür.

Dort steigt er wenig später in einen blauen Kleinbus, der autonom fährt – sprich: ohne Fahrer. In dem Wagen sitzen bereits drei andere Passagiere, die nun nacheinander zu ihren Wunschzielen gefahren werden, wobei ein Computer die schnellste Route berechnet. Und so gelangt auch Max Mustermann zum Supermarkt, ehe ihn der autonome MVG-Bus nach seinem Einkauf wieder nach Hause kutschiert.

Dieses Szenario ist derzeit noch Zukunftsmusik. Doch geht es nach Sinaida Cordes, dann soll ein solcher „autonomer On-Demand-Verkehr“ in München bald Wirklichkeit sein. Die stellvertretende Geschäftsführerin Mobilität bei der MVG hat an diesem Vormittag in den Busbetriebshof des Unternehmens geladen, um jenes Fahrzeug vorzustellen, das die Münchnerinnen und Münchner dereinst fahrerlos durch die Stadt kutschieren soll. Neben ihr sitzt Carsten Rinka von der Firma IAV aus Berlin, die die dafür notwendige Technik in den Kleinbussen entwickelt.

"Kostenfaktor Mensch einsparen"

„Autonome Fahrzeuge können eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Herausforderungen im öffentlichen Nahverkehr spielen“, ist Sinaida Cordes überzeugt. Schließlich habe die MVG nicht nur mit Fachkräftemangel zu kämpfen, sondern die hohen Personalkosten würden einen On-Demand-Verkehr bisher auch unrentabel machen. „Wenn wir den Kostenfaktor Mensch einsparen, dann können wir einen besseren Service liefern“, sagt Sinaida Cordes. Dies gelte besonders für weniger dicht besiedelte Gebiete am Stadtrand, wo sich der Einsatz von großen Bussen nicht rentiere – so wie in Gern, wo das neue Angebot nun also erprobt wird.

Konkret sollen dort ab 2026 drei autonom fahrende Kleinbusse eingesetzt werden – anfangs ohne Passagiere und noch mit einem Fahrer am Steuer, der notfalls eingreifen kann. Geplant ist, dass die On-Demand-Fahrzeuge über eine App angefordert werden, in der man sowohl den gewünschten Startpunkt als auch das Ziel seiner Reise angibt. Dies könnten nicht nur reguläre Haltestellen sein, sondern auch eine Vielzahl an virtuellen Haltestellen, sagt Sinaida Cordes. „Auch in Wohnquartieren und engen Straßen komme ich damit fast oder unmittelbar bis vor meine Haustüre.“

Ab 2027, so der Plan, sollen dann auch Fahrgäste in den autonomen Kleinbussen sitzen, die im Grunde wie ein fahrerloses Taxi funktionieren – mit einem Unterschied: der Preis. Denn dieser werde sich nach den üblichen MVG-Tarifen berechnen, sagt Sinaida Cordes. Bedeutet: Um das Quasi-Taxi zu nutzen, braucht’s nur einen normalen Fahrschein oder ein Deutschlandticket.

„Für die Bürgerinnen und Bürger bieten spezielle autonome On-Demand-Angebote potenziell einen hohen Mehrwert an Flexibilität, womit auch Menschen, die bisher nicht den öffentlichen Nahverkehr nutzen, künftig erreicht werden können“, sagt der städtische Mobilitätsreferent Georg Dunkel. Bis es so weit ist, braucht es freilich noch eine längere und teure Testphase. Finanziert wird diese teils aus Fördermitteln des Forschungsprojekts Minga, das am Beispiel München zeigen soll, wie der Nahverkehr von morgen aussehen kann. Hierfür stellt des Bundesverkehrsministerium bis 2027 insgesamt 13 Millionen Euro zur Verfügung.

Bald auch ganz ohne Fahrer?

Perspektivisch sei es das Ziel der MVG, nicht nur autonome Kleinfahrzeuge einzusetzen, sondern auch in ihren großen Bussen auf Fahrerinnen und Fahrer zu verzichten, sagt Sinaida Cordes. Hierzu soll im Rahmen des Minga-Projekts auch ein autonomer Solobus unter realen Bedingungen getestet werden.

Aktuell sei die MVG dabei, ihre Fahrzeugflotte zu elektrifizieren, sagt Cordes. „Der nächste große Technologieschritt wird dann die Autonomisierung sein.“ Um diese im großen Stil voranzubringen, werde es jedoch Fördergelder vom Bund brauchen, betont Sinaida Cordes. „Die Unternehmen können das nicht von selber stemmen.“
Auch in anderen deutschen Städten laufen aktuell Pilotprojekte mit selbst fahrenden Bussen – so etwa in Berlin.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben am 20. Oktober ihren bislang größten Testlauf für autonomes Fahren gestartet. Im Nordwesten der Bundeshauptstadt sind seither fünf vollelektrische Kleinbusse unterwegs. Aktuell fahren sie laut BVG zu Testzwecken ohne Fahrgäste. Im ersten Halbjahr 2026 soll dann der Probebetrieb mit Fahrgästen beginnen und etwa ein Jahr andauern. Dazu will das Verkehrsunternehmen feste Testgruppen bilden.
Das Testgebiet umfasst 15 Quadratkilometer in mehreren Stadtbezirken. Auf einer Gesamtstrecke von 55 Kilometern sollen die Shuttles der BVG zufolge gut 80 Haltestellen anfahren. Kunden können sie mithilfe einer App bestellen und Fahrten buchen, um etwa zum nächsten S- oder U-Bahnhof zu kommen.

Seit 2017 erprobt die BVG bereits in diversen kleineren Projekten das autonome Fahren. Anders als bei den Versuchen in der Vergangenheit sind nun die mit einer Vielzahl an Kameras und Sensoren und mit viel Elektronik ausgestatteten neuen Fahrzeuge vom Typ VW ID. Buzz AD im Einsatz. 

Geht es nach den Plänen von Volkswagen, sollen diese Modelle Ende 2026 die Zulassung für den fahrerlosen Betrieb erhalten. Level-4-Fahrzeuge findet man weltweit auf immer mehr Straßen – teils ohne jeden Fahrer. Der Autonomielevel 4 ist bei Bussen die Voraussetzung für einen komplett fahrerlosen Betrieb.

Während der Testfahrten der BVG ist jedoch so wie auch anderswo einstweilen noch ein menschlicher Busfahrer dabei, um die Abläufe zu kontrollieren und im Notfall einzugreifen. Darüber hinaus werden die Fahrzeuge aus einer Projektleitstelle fernüberwacht.

In Burgdorf im Raum Hannover hat Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) Anfang September den ersten autonom fahrenden Linienbus vorgestellt. Der Testbetrieb des „albus“ starte dann Mitte vergangenen Monats. Es ist das bundesweit erste Projekt, bei dem ein großer, vollautomatisierter E-Bus in den regulären Betrieb integriert wird. Laut der Region Hannover kann der Level-4-Bus theoretisch komplett eigenständig agieren. Noch ist bei allen Fahrten allerdings geschultes Personal an Bord.

Autonomes Fahren könnte langfristig die Personalhaushalte der zunehmend klammen Kommunen entlasten – auch in Deutschland. Zudem kann so der grassierende Mangel an Busfahrer womöglich gelöst werden. Auch in München hofft man darauf. (P. Stäbler/T. Lill)
 

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