Es gibt in Bayern nicht zu viele kommunale Kliniken – aber zu viele, die sich nicht mehr rechnen. Die Landräte stehen zwischen dem Druck, Verluste reduzieren zu müssen und der Forderung der Bürger nach ortsnahen Behandlungsmöglichkeiten.
Ob man es wahr haben will oder nicht – im Gesundheitswesen stecken noch erhebliche Reserven. Wer Einsparmöglichkeiten sucht, braucht nur nach Schweden zu schauen, das nach einer herben Wirtschaftsrezession zu einem rigorosen Sparkurs gezwungen war. In der Praxis bedeutete dies: Viele Leistungen wurden gestrichen. So gibt es im scheinbaren sozialen Musterstaat ab 70 Jahren von der Kasse kein Geld mehr für Hüftoperationen.
Der Kostendruck im Klinikbereich trifft in Deutschland mit seiner weltweit einzigartigen Form der kommunalen Selbstverwaltung vor allem die Kreiskrankenhäuser. Irgendwann werden sie sich den Luxus kleiner Häuser nicht mehr leisten können. Baufällige Schulen, ein desolates Kanalsystem, kaputte Straßen – alles muss aus einem nicht dehnbaren Etat finanziert werden. Eine Dauersubvention in Millionenhöhe dürfte vor diesen Alternativen dem Bürger auch nicht mehr vermittelbar sein. Schlussendlich macht die Medizintechnik enorme Fortschritte. Nur noch Unikliniken und große private Spezialangebote haben eine Überlebenschance.
Das Argument, die räumliche Nähe des Patienten zum Krankenhaus sei eine wichtige Leistung, um ihm beispielsweise den Besuch von Familie und Freunden zu erleichtern, zählt letztlich auch nicht wirklich. Eine der innovativsten privaten Klinikketten hat im vergangenen Jahr eine Verweildauer von durchschnittlich vier Tagen errechnet. Die meisten ländlichen Kliniken stammen aus einer Zeit, als man im Schnitt noch 14 Tage in den Stationsbetten verweilen durfte.
Kassen verplempern Millionen Euro für Werbung
Welche Entwicklung tatsächlich kommt, ist schwer vorherzusagen. Aber die jetzigen Zustände, wo gesetzliche Krankenkassen gegen den Geist des Gesetzes Millionen für sinnlose Imagekampagnen aus dem Fenster schmeißen, dürfte bald vorbei sein. Freilich: Es bieten sich Konzepte an, die auch anderen Problemen gerecht werden könnten. Vereinfacht gesagt, läuft dieser Ansatz auf das Modell der Polikliniken in der ehemaligen DDR hinaus, wo beispielweise zur medizinischen Grundversorgung und zum Palliativprogramm die Unterbringung weiterer Leistungsträger eine Lösung bieten könnte.
Auch der Einbezug von Apotheken wäre überlegenswert. Denn sie sind schon lange keine Goldgruben mehr, sondern schrammen vielfach an der Existenzkrise vorbei, weil es zu viele von ihnen gibt. Die eigenständige Apotheke im Krankenhaus hätte auch den Vorteil einer besseren Verzahnung mit der medizinischen Nachversorgung.
Der aufgeklärte Patient mit einer schwereren Erkrankung wird sich informieren und in die großen Häuser gehen, die sich spezialisiert haben und beispielsweise rund um die Uhr Hüftoperationen oder Knieschäden behandeln. Sie haben neue Techniken und jede Menge Erfahrung. Eine Knieoperation etwa erfordert in München mittlerweile alles in allem nur noch fünf Aufenthaltstage von der Aufnahme bis zur Entlassung. Dann kann man sich ohne Krücken auf den Weg in die ortsnahe Reha machen.
Der wirtschaftliche Druck jedenfalls dürfte schon bald alle ideologischen Konzepte über den Haufen werden. Am Beispiel der Geburtshilfe lässt sich der Trend schon heute nachvollziehen. So steigt zum Beispiel die Zahl der Geburten mit Kaiserschnitt. Die Rate liegt in Deutschland inzwischen bei mehr als 31 Prozent, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wäre ein Kaiserschnitt aber nur bei jeder achten Entbindung wirklich sinnvoll. Für einen Kaiserschnitt zahlen die Krankenkassen je nach Abrechnungsmodus mehr als das Doppelte als für eine herkömmliche Geburt. Die Operationen bringen den Krankenhäusern Geld ein. Auch werden die Patienten dann früher entlassen, als medizinisch ratsam wäre.
Hüft-OPs für Greise sind lukrativer als Geburten
Denn Geld gibt es für die Behandlung, nicht für die Dauer, die ein Patient im Krankenhaus liegt. Viele kleine Krankenhäuser spezialisieren sich „aus purer Not“, um finanziell überleben zu können und um auf dem Markt zu bestehen. Sie bieten in ihren Schwerpunktabteilungen medizinische Versorgung von höchster Qualität an. Auf andere Abteilungen, zum Beispiel Kreißsaal, Onkologie und Urologie, verzichten sie allerdings, was zu Lasten der Patienten geht. Für spezielle Leistungen müssen diese nun längere Anfahrtswege in Kauf nehmen (etwa Schwangere zum Kreißsaal), aber dafür wird das Krankenhaus vor der Tür nicht geschlossen.
Recherchen des Hebammen-Verbandes Rheinland-Pfalz haben ergeben, dass in den vergangenen 25 Jahren rund 40 Prozent aller Kreißsäle in Deutschland geschlossen wurden – fast immer aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Vereinfacht gesagt: Die Geburt eines Kindes ist im jetzigen Gesundheitssystem weniger lukrativ als die Hüft-OP bei einem 90-Jährigen.
Für kleinere Krankenhäuser bietet sich die Möglichkeit der Fusion (Zusammenlegung) an. Mehrere kleinere Krankenhäuser schließen sich entweder zu einem Krankenhaus zusammen. Oder ein kleineres Krankenhaus schließt sich mit einem medizinischen Versorgungszentrum zusammen.
Kleinere Krankenhäuser haben oftmals nur eine Zukunft, wenn sie Ambulatorien werden. Ein Ambulatorium beziehungsweise eine Poliklinik ist eine Zusammenfassung verschiedener Fachärzte in einer „Großpraxis“ (Fachärztezentrum) mit Anschluss an ein Krankenhaus. Mehrere freiberufliche Ärzte können in einem Ärztehaus ihre Arztpraxis zusammenlegen, um dadurch Kostenvorteile zu generieren. In der Regel siedeln sich Fachärzte unterschiedliche Bereiche wie für Innere Medizin, Orthopädie, Neurologie, Zahn- oder Augenbehandlung an. So machen sie sich nicht Kunden streitig, sondern können sie sich gegenseitig empfehlen.
Gesundheitszentren nach DDR-Vorbild könnten ein Modell sein
Außer Ärzte befinden sich in einem Gesundheitszentrum weitere Gesundheitsdienstleister wie Apotheken, Orthopädietechniker, Heilpraktiker oder Wellnessanbieter im Gebäude. Gesundheitszentren befinden sich meist in zentraler Lage und bieten eine Rundumversorgung an einem Standort. Auch die ambulante Rehabilitation wird in Ambulatorien integriert.
Die Vorteile eines Gesundheitszentrums sind die Zusammenfassung von selbstständigen Ärzten (zum Beispiel das Gesundheitszentrum Giesing-Süd). Durch die Nähe zu anderen Ärzten erhalten sie zusätzliche Patienten. Gleichzeitig können die Ärzte Kosten sparen – beispielsweise durch gemeinsame Sozialräume für Mitarbeiter, Dienstleistungen wie die eine IT-Infrastruktur, Urlaubsvertretungen und nicht zuletzt Synergieeffekte durch die bessere Kommunikation unter den Kollegen der verschiedenen Fachrichtungen.
Außerdem gibt es einen Konkurrenzschutz im jeweiligen Fachbereich. Die Patienten profitieren von den kurzen Wegen zu den verschiedenen Fachärzten und können sich so Zeit sparen. Idealerweise gibt es auch eine Kinderbetreuung. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahre 2006 können zugelassene Leistungserbringer wie Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser medizinische Versorgungszentren zur ambulanten medizinischen Versorgung mit angestellten Fachärzten aus verschiedenen Fachrichtungen gründen. (Karl Jörg Wohlhüter)
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