Kommunales

Ein so geräumiges Apartment haben die wenigsten bayerischen Studenten. (Foto: dpa/Rolf Vennenbernd)

30.08.2019

Studenten ohne Bude

Serie „Wohnen in Bayern“ (Teil 5): Bayerns Studenten tun sich bei der Suche nach einer passenden Bleibe wegen ihrer oft geringen Einkünfte besonders schwer. So hat sich die Zahl der gemeldeten Wohnungssuchenden auf der Liste des Münchner Studentenwerks in acht Jahren mehr als verdoppelt. Anderswo im Freistaat sieht es kaum besser aus. Bei Kindern ärmerer Eltern kann die teure Miete sogar zum Ausbildungsabbruch führen - die soziale Ungleichheit verschärft sich

Die junge Frau weiß offenbar, dass sie vor keiner leichten Aufgabe steht. „Ich bin sehr höflich und ordentlich“, rückt sich die 23-jährige Studentin auf einem großen Mietwohnungsportal ins beste Licht. Stolze 1000 Euro wolle sie für ein Zimmer bezahlen – egal wie groß. Auch bei der Lage stellt die angehende Akademikerin keine Ansprüche. Unterlegt wird die Annonce mit einem riesigen Foto im schicken Sommerkleid, vor malerischer Kulisse einer südeuropäischen Großstadt. Dabei sucht die Italienerin eigentlich nur eine Bleibe für ihr Auslandssemester in München.

Bei manchen Studenten, die in den vergangenen Monaten für das im Oktober beginnende Wintersemester eine Wohnung oder ein kleines Zimmer suchten oder noch immer suchen, ist die Verzweiflung in ihren Such-Annoncen kaum zu überlesen. Es werde „keinen Ärger“ mit den Mietzahlungen geben, versichert eine Studentin, schließlich bürgten die Eltern für sie, während andere Studenten versuchen, mit einem direkten Hinweis auf ihre „drohende Wohnungslosigkeit“ bei sozial eingestellten Vermietern zu punkten. Und die Gefahr für angehende Akademiker an der Isar, zu Beginn eines Semesters keine eigene Bleibe zu haben, ist tatsächlich durchaus real.

In Nürnberg gehen zwei von drei Bewerbern leer aus

In der Vergangenheit musste das Münchner Studentenwerk zum Semesterbeginn sogar bereits Notunterkünfte einrichten. „Die Vergabe erfolgt nach dem First-Come-First-Serve-Prinzip“, heißt es dort.Für Studenten ist es zwar in den meisten Städten schwierig, eine passende Bleibe zu finden, doch wohl in keiner deutschen Großstadt ist die Situation so angespannt wie in München. Schließlich haben in der bayerischen Wirtschaftsmetropole seit einigen Jahren sogar Gutverdiener große Probleme, überhaupt eine Bleibe zu finden.

Die Online-Immobilienbörsen ImmobilienScout24 und wg-suche.de untersuchten jüngst in einer Mietpreisanalyse die Mieten in 160 Hochschulstädten: Demnach mussten Studenten nirgendwo so eine hohe Miete zahlen wie an der Isar. Nach Angaben der beiden Internetportale stiegen die Mieten der dort vermieteten Studentenbuden und WG-Zimmer zuletzt massiv an. Demnach mussten Mieter in der drittgrößten deutschen Stadt im März dieses Jahres für ein mindestens 25 Quadratmeter großes WG-Zimmer eine durchschnittliche Warmmiete von 657 Euro berappen – für eine 30 Quadratmeter große Single-Wohnung waren es sogar 837 Euro. Zum Vergleich: In Stuttgart waren 520 Euro, in Berlin rund 400 Euro und in Chemnitz 213 Euro für ein vergleichbares WG-Zimmer fällig. Selbst Berufstätige können die Münchner Mieten oft kaum mehr stemmen, für Studenten stellen sie eine extreme Herausforderung dar.

Auch andere Erhebungen kamen zu aus Studentensicht dramatischen Ergebnissen: In der bayerischen Landeshauptstadt verzeichnen die Mieten für Studentenunterkünfte von 2010 bis 2018 ein Plus von 51 Prozent. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor.

Tatsächlich wäre es überraschend, wenn sich der Markt für Studentenwohnungen von dem seit Jahren immer angespannteren Mietmarkt an der Isar abkoppeln könnte. Seit 2011 hat sich die Zahl der Wohnungslosen in München dem dortigen Sozialreferat zufolge verdreifacht. Im April waren rund 9000 Menschen in einer der reichsten Städte Deutschlands ohne feste Bleibe. 

Wenn selbst Topverdiener mitunter zahlreiche Wohnungen besichtigen müssen, bevor sie für eine den Zuschlag bekommen, wird schnell klar, dass Studenten, die in der Regel nur geringe Einkünfte und kaum Sicherheiten haben, bei der Wohnungssuche zumeist eine wahre Odyssee durchlaufen müssen. „Die Wohnungssuche ist in den vergangenen Jahren auf jeden Fall schwieriger geworden“, sagt auch Daniel Franta, Leiter der Abteilung Wohnen beim Studentenwerk München. Für viele angehende Akademiker, die auf dem freien Wohnungsmarkt scheitern, ist das Studentenwerk oft die letzte Hoffnung.

Dessen Mitarbeiter haben von Jahr zu Jahr mehr zu tun. Das liegt vor allem an dem sich zuspitzenden Wohnungsmangel, aber auch an der wachsenden Zahl an Studenten. Im Jahr 2010 hatten im Zuständigkeitsbereich des Studentenwerks München noch rund 99 000 Frauen und Männer studiert, im vergangenen Jahr waren es mit gut 129 000 Frauen und Männern bereits fast ein Drittel mehr. Die Zahl derer, die sich auf der Warteliste des Studentenwerks befanden, hat sich in dieser Zeit von etwa 5100 auf etwa 11 000 Studierende mehr als verdoppelt.

Doch was gegen die Misere tun? Das Studentenwerk gibt den angehenden Akademikern Tipps für ihre schwierige Wohnungssuche. Vor allem jedoch ist es mit seinen knapp 11 000 Zimmern und Apartments in München, Rosenheim und Freising für Studierende einer der größten Vermieter in der Region – und das bei Monatsmieten, von denen junge Menschen auf dem freien Markt im Großraum München sonst nur träumen können. Für einen Einzelwohnplatz lagen diese nach Angaben des Studentenwerks im Durchschnitt zuletzt bei gut 290 Euro pro Monat. Je nach Wohnheim betragen die Wartezeiten zwischen einem und fünf Semestern. Fast 8500 Wohnplätze, darunter auch eine eher geringe Zahl angemieteter Objekte, befinden sich in München selbst.

Anfang März dieses Jahres standen 7854 Studierende auf der Warteliste des Münchner Studentenwerks. 2018 konnten immerhin über 5700 Wohnplätze an Studierende vergeben werden. „Freie Apartments gibt es nicht, denn sie werden nahtlos von der Warteliste belegt“, erläutert Abteilungsleiter Franta. Beim Studium bummeln sollten Bewohner von Studentenwohnheimen nicht. Denn eigentlich dürfen sie dort nur für die Regelstudienzeit bleiben – in der Praxis werden jedoch nicht selten Ausnahmen gemacht.

Nur etwas entspannter als in München ist die Situation in Augsburg. Doch auch in der Fuggerstadt müssen angehende Akademiker, die einen Wohnheimplatz oder ein Apartment beim örtlichen Studentenwerk beantragen, mit einer Wartezeit von ein bis zwei Semestern rechnen. Einen WG-Platz oder gar eine eigene bezahlbare Mini-Wohnung zu finden, um diese sechs bis zwölf Monate zu überbrücken, ist angesichts am Lech explodierender Mieten eine extrem schwierige Aufgabe.

In Augsburg bietet das Studentenwerk derzeit gut 1800 Wohnplätze an – in Würzburg sind es mit rund 2700 gut 50 Prozent mehr. Beim Studentenwerk Nürnberg-Erlangen gibt es derzeit zwar gut 3900 Plätze. Doch allein die Zahl der Bewerbungen war mit 4400 zum Wintersemester 2018/19 höher als die Zahl aller Plätze. Aufgenommen werden konnte mit 1300 jedoch letztlich nicht einmal jeder dritte angehende Akademiker, der dort sein Glück versucht hatte.

Besonders hart trifft der Wohnungsmangel ausländische Bewerber. Dass Studenten mit Migrationshintergrund bei der Wohnungssuche diskriminiert würden, sei „ein durch Studien erwiesener Faktor“, sagt Saskia Gränitz, Soziologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die dort über den Bereich Wohnen forscht.

Migranten haben es besonders schwer

Das hat auch Meng Feng zu spüren bekommen. Die Chinesin studiert derzeit Jura an der LMU. Alles, was sie in München bereits erlebt habe, sei „unvergesslich“, sagt die 22-Jährige. Über das vergangene Semester gerät die junge Frau ins Schwärmen – von „dem ausgezeichneten Professor und den schönen Weihnachtsmärkten“. Doch unvergesslich dürfte für sie wohl auch die Wohnungssuche bleiben. Die Vermieter würden noch immer deutsche Studenten bevorzugen, ist Feng überzeugt.

Sie habe regelmäßig diverse Wohnungsportale besucht, habe bei Vermietern ein ums andere Mal angefragt, aber nur Absagen bekommen. „Das ist echt frustrierend“, sagt Feng. Doch dann hatte sie Glück bei der Verlosung des Studentenwerks gehabt und schließlich doch noch einen Wohnplatz bekommen. Noch über ein Jahr wird die junge Frau aus Chengdu, die auch als Stadt der Pandas bezeichnet wird, noch in München bleiben. Um ihre Wohnung muss sie sich keine Sorgen machen, mancher angehende Gaststudent dagegen schon. „Gerade für internationale Studierende kann die Wohnungssuche eine Herausforderung werden, da sie meist keine längere Vorlaufzeit haben, um einen Wohnplatz zu finden, und sich auf dem Münchner Mietmarkt nicht auskennen“, weiß Franta. Um hier Erleichterung zu schaffen, habe das Studentenwerk ein festes Kontingent von etwa 1000 Wohnplätzen für Programmstudierende, wie etwa Erasmusstudierende, welche direkt von den Hochschulen vergeben würden, berichtet er.

Studierende aus dem Ausland können sich auch an das International Office der LMU wenden, wenn sie Hilfe bei der Wohnungssuche benötigen – ebenso internationale Gastwissenschaftler. Denn Dozenten aus dem Ausland haben oft mit denselben Problemen wie Studenten zu kämpfen. Wohnungsportale und Schwarze Bretter an den Hochschulen sind oft voll mit deren Wohnungsgesuchen. Schließlich ist selbst ein festes Gehalt längst kein Garant mehr für eine Wohnung – geschweige denn eine bezahlbare. Und viele Uni-Mitarbeiter haben überdies nur befristete Verträge – das kommt nicht bei jedem Vermieter gut an.

Eine letzte Hoffnung für wohnungslose Studenten hat das Studentenwerk zu bieten. Es verlost Wohnplätze – 200 waren es im vergangenen Jahr. Bei zuletzt über 3000 Bewerbern für alle drei oberbayerischen Standorte sind die Chancen aber eher gering. 

Auch städtische Baugesellschaften bemühten sich zuletzt, bezahlbaren Wohnraum für Studenten zu schaffen. Im DomagkPark hat etwa die Gewofag 2016 nach eigenen Angaben ein Gebäude mit 116 möblierten Apartments für Studierende, darunter einige WG-Wohnungen, an das Münchner Studentenwerk vermietet. „Hier haben rund 150 Studierende eine bezahlbare Unterkunft erhalten“, sagt ein Firmensprecher.

Wer über die gängigen Wege keine feste Bleibe findet, kann zudem noch bei ungewöhnlichen Angeboten sein Glück versuchen: So vermittelt etwa der Seniorentreff Neuhausen unter dem Motto „Wohnen für Hilfe“ junge Wohnungssuchende an ältere Menschen. Gegen Hilfsleistungen wie Kochen, Putzen oder Gartenarbeit lassen diese die Erstsemester kostenlos in ihre Wohnung einziehen. Pro Quadratmeter hilft der Student monatlich eine Stunde, für die Nebenkosten wird eine Pauschale fällig – am Ende gewinnen beide Seiten.  (Tobias Lill)

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