Seit 1. Juli 2017 gilt das neue Prostitutionsgesetz. Die Umsetzung bleibt vor allem an den Kommunen hängen. Die müssen – ohne Kostenerstattung – in neues Personal investieren.
Rückblick: Vor 15 Jahren wollte die damalige rot-grüne Bundesregierung alles rund ums Rotlichtgewerbe modernisieren. Unter anderem war Anschaffen danach nicht mehr sittenwidrig, Prostituierte durften sich fortan krankenversichern und sogar aufstockendes Hartz IV beantragen, wenn der Verdienst nicht reichte.
Allerdings mussten die Damen des ältesten Gewerbes der Welt fortan auch Gewerbesteuer bezahlen – kein unerheblicher Etatposten für Kämmerer angesichts eines geschätzten Jahresumsatzes von rund 14,5 Milliarden Euro.
Das gleiche Vertrauen wie etwa bei Taxler und Eisverkäufer zeigten die Kommunen in die horizontal Tätigen in diesem Zusammmenhang allerdings nicht. „Einige Städte haben von Sexarbeiterinnen eine Pauschalsteuer kassiert“, berichtet Claudia Fischer-Czech von der Hurenberatung Hydra. In Bordellen habe diese der Zuhälter eingesammelt – „ein im Steuerwesen einmaliger Vorgang“, ärgert sich Fischer-Czech. Er stelle Huren generell unter den Verdacht des Steuerbetrugs.
Wer sich nicht anmeldet, zahlt künftig 1000 Euro
Grund zur Freude hatten vor allem die Zuhälter. Da ihr Betätigungsfeld fortan nicht mehr als illegal galt, konnten sie kräftig expandieren. Unter anderem kam es zu Exzessen wie den sogenannten Flatrate-Bordellen – riesigen Eros-Centern, in denen man(n) mit einer einmaligen, nun ja, Eintrittsgebühr so oft intim werden wollte wie man wollte beziehungsweise konnte. Auch Kontrollen durch die Polizei – sofern ohne konkreten Anlass – geschahen seltener. Grundsätzlich passierte ja nix Verbotenes.
Die früher verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen (vulgo: „Bockschein“) fielen ebenfalls weg. Die Zahl der Huren schnellte – bedingt auch durch EU-Osterweiterung und Armutsmigration – immer weiter nach oben. In Augsburg beispielsweise, im Verhältnis zur Einwohnerzahl Bayerns Stadt mit den meisten Prostituierten, sind es inzwischen mehr als 600 Frauen und Mädchen, die anschaffen, Tendenz eher steigend.
Aber nun soll ja alles anders werden. Seit 1. Juli 2017 gilt ein im vergangenen Jahr verabschiedetes neues Gesetz, das umfangreiche Auflagen für Bordellbetreiber, aber auch für die Prostituierten und – erstmals – auch die Kunden vorsieht. Unter anderem wird eine Anmeldepflicht eingeführt. 18- bis 21-Jährige Huren müssen sich jeweils für ein Jahr verpflichtend anmelden, nach jeweils sechs Monaten ist für die jüngeren Mädchen zumindest wieder eine verpflichtende Gesundheitsberatung fällig. Ältere Damen müssen sich einmalig für drei Jahre anmelden, die Gesundheitsberatung steht dann alle zwei Jahre an. Wer sich nicht anmeldet, zahlt 1000 Euro.
Vier neue Planstellen sind allein in Augsburg notwendig
Bordellbetreiber brauchen wieder eine Genehmigung für ihren Betrieb, bei Vorstrafen – etwa wegen Menschenhandel – sieht es damit schlecht aus. Menschenunwürdige Flatrate- und Gangbangpartys sind künftig verboten. Die Freier müssen sich auf eine Kondompflicht einstellen – und zahlen bis zu 50 000 Euro Bußgeld, wenn sie es „vergessen“.
Vor allem der letzte Punkt sorgt bei den Kommunen – sie sind für die konkrete Umsetzung der neuen Rechtslage zuständig – für eine gewisse Erheiterung. Wie soll man kontrollieren, ob der Kunde ein Verhüterli überzieht? Und auch der Schutz der – formal als Selbstständige geltenden – Huren vor Wuchermieten in den Eroscentern ist ein netter Gedanke, aber schwer umsetzbar. „Die Mietpreisbremse lässt sich deutlich leichter überwachen“, ulkt der Rathausmitarbeiter einer Großstadt.
Augsburgs Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) hätte sich auch eine stärkere Unterstützung des Freistaats bei den fortan geplanten häufigeren Kontrollen gewünscht. „Aber das ist so leider nicht vorgesehen.“ Dafür muss Wurm kräftig in zusätzliches Personal investieren: „Ich benötige drei neue Mitarbeiter für die regelmäßigen allgemeinen Kontrollen und eine weitere Kollegin für die verpflichtenden Gesundheitsberatungen. Zusammen mit der technischen Ausstattung kostet das die Stadt jährlich zwischen 250 000 und 300 000 Euro extra.“ (André Paul)
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