Das Neue Museum (NMN) kam der Stadt Nürnberg gerade richtig, um den aktuellen Stand der Bewerbung als Europas Kulturhauptstadt im Jahr 2025 vorzustellen. Einen Slogan – „Past Forward“ –, drei Themen – „Menschlichkeit, Weltgestaltung, Gemeinschaft“ – sowie „das frische agile Design-System aus bunten, flächigen Elementen als zukunftsfähiges Erscheinungsbild“ hoben die Verantwortlichen dabei heraus.
Aber ob der Ort auch deshalb gewählt wurde, weil hier wenige Tage zuvor die Ausstellung zur diesjährigen Kinderwoche zu Ende gegangen war? Die hatte das Motto „Bau mit!“ Inhalt war das Spielen mit der Architektur des Bauhauses und deren verwendeten Formen, Materialien und Farben. Partizipation – also alle teilhaben lassen – war bei der Kinderwoche das Ziel. Und das soll ja auch bei der Nürnberger Bewerbung so sein. Zumindest wenn man den Ankündigungen von Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), Kulturreferentin Julia Lehner (CSU) und Bewerbungsbüro-Chef Joachim Wagner während der Pressekonferenz vertraut.
Noch konkreter wurde Danusch Mahmoudi, der Geschäftsführer der beauftragten Design-agentur. Kreis, Quadrat, Dreieck, zwölf Farben, alle Buchstaben, Logo: „Jeder kann das agile Design herunterladen und selber damit arbeiten, mitgestalten“, hob er hervor.
Die Gestaltungselemente und Farben erinnern ebenfalls stark an jene der Kinderwoche. Und dann fiel auch noch das Wort „Open Source“, also die Möglichkeit, dass alle alles kostenfrei verwenden können, wenn denn die Quelle genannt wird. Das überzeugte auch die anwesenden, kritischen Aktiven der Initiative „Pro Nürnberg Kulturhauptstadt 2025“. Im Verbund sind laut Eigendarstellung „Einzelpersonen, Vereine, Gruppen, Initiativen und Firmen versammelt, die sich für Nürnberg als Europäische Kulturhauptstadt 2025 engagieren wollen“.
Könnten alle, Laien wie Profis, mit dem Designbaukasten spielen, würde sich der Sinn von „Past Forward“ wohl schneller breiteren Kreisen der Bevölkerung erschließen. Denn ohne das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, Firmen und Organisationen dürfte Nürnbergs Bewerbung als N2025 auf wackligen Beinen stehen. Doch zumindest bis zum 30. September 2019 ist der Kreativ-Baukasten nicht freigegeben, heißt es aus dem N2025-Büro. An diesem Tag muss das „erste Bewerbungsbuch“ abgegeben werden. Das wollen im Übrigen sieben weitere Städte aus Deutschland tun.
Die Entscheidung fällt im Spätherbst 2020
In diesem Bid Book stehe vor allem Organisatorisches, wie OB Maly erläuterte. Mitte Dezember wird sich dann die Spreu vom Weizen trennen: drei oder vier Städte holt die Jury auf eine „Shortlist“, die dann zweite, inhaltsschwerere Bewerbungsbücher erstellen dürfen. Und im Spätherbst 2020 soll verkündet werden, welche deutsche Stadt der europäische Kulturpol 2025 sein wird. Bewerbungs-chef Wagner ist sicher: „Das ist natürlich Nürnberg.“
Wobei es die Frankenmetropole alleine gar nicht stemmen will: Die ganze Europäische Metropolregion Nürnberg EMN soll N2025 sein, wenn es nach Kulturreferentin Lehner geht. Eine Art „Goldene Straße“ der Kunst und Kultur in Stadt und Land skizzierte sie ein paar Tage zuvor bei der „Kulturkonferenz zur Kulturstrategie“ auf der Kaiserburg. Und zwar nicht der in Nürnberg, sondern in Lauf an der Pegnitz. „Alle sollen profitieren“, versprach dabei auch Bewerbungschef Wagner und warb für „1 Euro pro Jahr und Bürger“. Damit sollen sich die EMN-Kommunen an der Bewerbung beteiligen.
Doch den „Benefit“, also die Gegenleistung dafür erkennen bisher eine beachtliche Zahl der Städte und Dörfer von Sonneberg bis Neumarkt/Oberpfalz nicht. Schon viele Ratsgremien haben sich gegen den N2025-Euro entschieden. Und an dieser Einstellung kann wohl auch der von der Idee überzeugte Laufer Bürgermeister Benedikt Bisping (Grüne) wenig ändern mit dem Hinweis: „Den Euro kann jeder tragen, das ist Standortpolitik.“
Der Freistaat verspricht 30 Millionen Euro
Fakt ist jedenfalls: Kommt N2025, ist viel Geld notwendig. Für die laufende Bewerbung bis zur Entscheidung stellt die Stadt Nürnberg zwei Millionen Euro bereit. Für den Erfolgsfall hat sich OB Maly an diesem Mittwoch vom Stadtrat bereits einen Gesamtrahmen von 85 Millionen Euro absegnen lassen: Zu den vom Freistaat Bayern zugesagten 30 Millionen Euro will die Stadt dieselbe Summe beisteuern. Vom Bund erwartet er „defensiv geschätzt zehn Millionen Euro, aus Sponsoring fränkisch-bescheidene 7,5 Millionen, aus der Region ebenso viel“.
Wie viel Geld notwendig werde, wisse er aber nicht wirklich, gab der im Frühjahr ausscheidende Stadtchef Maly im NMN zu. Denn „die Idee ist wahnsinnig abstrakt. Wer weiß heute schon, welche großen Themen 2025 die Welt bewegen?“ Und dann solle diese Frage auch noch mit den Mitteln von Kunst und Kultur beantwortet werden. Aber: „Wir waren im Verlauf der Geschichte immer in der Lage, Brücken in die Zukunft zu bauen.“ Und eine solche Brücke ermögliche auch der „Claim“ genannte Bewerbungs-Slogan „Past Forward“. Deshalb müsse es in allen Projekten einen Bezug zur heutigen Stadt geben. Joachim Wagner will dafür Künstler von außen genauso gewinnen, wie Julia Lehner „Player, die wir vor der Tür haben, einbinden“ will, „die Freie Szene“ zum Beispiel. Dabei dürfe in allen drei Themenfeldern – Menschlichkeit, Weltgestaltung und Gemeinschaft – der Blick auf die Nazivergangenheit der Stadt nicht vergessen werden, ergänzte Maly.
Denn auch wenn Kulturreferentin Lehner für (oft ehrenamtliches) „Mitmachen mit Ideen und an Wettbewerben“ warb: „Selbstverständlich erhalten die Kreativen ein richtiges und gutes Honorar. Das gehört zu meinem Arbeitsethos“, versprach Bewerbungschef Wagner. Was bei der im jüngsten Kultur- und Kreativ-Wirtschaftsbericht der EMN erkennbaren prekären Situation vieler kreativ Tägiger auch unbedingt notwendig ist. (Heinz Wraneschitz)
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