Kommunales

Das Betanken des Biomethanbusses am Betriebsbahnhof in Augsburg dauert nur fünf Minuten. (Foto: Arnowski)

15.11.2019

"Völlig unsinnige Investitionen"

Kritik von Wissenschaftlern, Fuhrparkleitern und Steuerzahlerbund an der Clean-Vehicles-Richtlinie der EU

„Strom oder Gas – welchen Antrieb haben die umweltfreundlichsten Stadtbusse der Zukunft?“ Unter diesem Motto fand kürzlich beim Münchner Presseclub eine Diskussionsrunde statt, bei der es teilweise hitzig wurde. Es geht um die Clean-Vehicles-Richtlinie. Sie ist vielen Kommunal- und Landespolitikern ein Dorn im Auge.

„Trotz des intensiven Einsatzes der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament und der Ablehnung der Entscheidung im Europäischen Rat durch die Bundesregierung konnte die europäische Clean-Vehicle-Richtlinie in dieser Form leider nicht verhindert werden“, erklärt der Augsburger CSU-Landtagsabgeordnete Johannes Hintersberger. „Diese Richtlinie legt verbindliche Quoten an emissionsfreien Neubeschaffungen bei Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs, Post- und Paketzustelldiensten und der Müllabfuhr fest. Was im ersten Moment gut klingt, ist leider zu kurz gesprungen und sorgt bei uns in Augsburg dafür, dass die Stadtwerke ihre bereits klimafreundliche Biogas-Busflotte austauschen müsste. Das versteht kein Mensch!“ Die Richtlinie aus Brüssel, die das alte EU-Parlament auf seiner letzten Sitzung im April verabschiedet hat wird massive Auswirkungen auf Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr teuer zu stehen kommen könnte.

Elektrobusse drei mal so teuer wie Biomethanbusse


Denn die sogenannte Clean-Vehicles-Richtlinie verpflichtet alle Verkehrsbetriebe in Europa spätestens ab dem Jahr 2022 einen Teil ihrer Busflotten (22,5 Prozent) emissionsfrei zu betreiben. Theoretisch sind das Busse, die mit Wasserstoff, einer Brennstoffzelle oder batterieelektrisch angetrieben werden. Weil aber die beiden erstgenannten Technologien noch weit von der Serienreife entfernt sind, müssen alle Verkehrsbetriebe praktisch Elektrobusse anschaffen. Und bis zum Jahr 2030 muss deren Anteil immer weiter steigen.
Die E-Busse sind aber, so rechnet Ralph Pütz, Professor an der Hochschule Landshut vor, im Betrieb dreimal so teuer wie Biomethanbusse. Der Nutzfahrzeugexperte, der zahlreiche Studien für Verkehrsbetriebe erstellt hat, schätzt, dass auf die öffentlichen Unternehmen in Deutschland bis zum Jahr 2030 Umstellungskosten in Höhe von mindestens 30 Milliarden Euro zukommen.

Für Pütz sind das „völlig unsinnige Investitionen“, denn die Elektrobusse haben wegen des hohen CO2-Ausstoßes bei der Batterieproduktion und wegen des hohen Anteils von Kohlestrom in Deutschland aktuell eine weit schlechtere Klimabilanz als Biomethan-Busse. Auch im Jahr 2030 werden die E-Busse – selbst wenn der Anteil grünen Storms bis dahin deutlich gestiegen sein dürfte – nach Überzeugung des Nutzfahrzeugexperten keine signifikanten Umweltvorteile haben, aber weiter deutlich teurer sein als die „hochsauberen Biomethanbusse“. Pütz kritisiert die EU-Richtlinie deshalb scharf. Er spricht von einer „Technologiediktatur“. Statt Grenzwerte vorzugeben schreibe sie eine Technologie vor.

Auch Klaus Röder von den Stadtwerken Augsburg sieht die Richtlinie mit Sorge. Der Fuhrparkchef berichtete, dass alle seine knapp 100 Busse bereits seit acht Jahren mit Biomethan problemlos und sehr wirtschaftlich unterwegs seien. Das Biogas komme aus Abfällen und von einem Lieferanten, der Stroh und andere landwirtschaftliche Reststoffe zu Biomethan vergäre. Es gebe also nicht die vielzitierte „Tank-Teller-Problematik“, für die Busse werde beispielsweise kein Mais angebaut. „Wir haben die umweltfreundlichste Flotte in ganz Deutschland“, sagte Röder. „Wir fahren CO2-neutral, die Stickoxide sind minimiert, Feinstaub ist kein Thema“.

Fuhrparkchef fordert mehr politische Unterstützung


Von politischer Seite wünscht er sich „mehr Rückenwind“. Denn während das Bundesumweltministerium jeden Elektrobus mit 320.000 Euro fördere, gebe es für einen Gasbus vom Freistaat nur einen Zuschuss in Höhe von 10.000 Euro. Wenn Augsburg auch nur einen Teil seine Busflotte auf „Elektro“ umstellen würde, so Röder, müssten die Stadtwerke 20 bis 30 Millionen Euro investieren. „Trotz Zuschüssen“, wie der Fuhrpark sagt und dies mit einer Warnung verbindet: „Dieses Geld wird beim dringend erforderlichen Ausbau des ÖPNV fehlen.“
Diese Zahlen und Fakten haben auch den Bund der Steuerzahler in Bayern alarmiert. Steuerzahlerpräsident Rolf von Hohenhau, der auch CSU-Stadtrat in Augsburg ist, gibt sich kampfeslustig. „Wenn ich sehe, dass wir dadurch dreimal so hohe Kosten haben, werden wir Krawall schlagen. Wir werden uns massiv wehren, und auch der CSU auf die Füße steigen.“ Sein Verband will alle deutschen Politiker wachrütteln und sich auch auf EU-Ebene für eine technologieoffene Korrektur der Richtlinie einsetzen.

Die Augsburger Stadtwerke hoffen indes, dass die nationale Umsetzung der Richtlinie die Elektrobus-Quote nicht für jeden einzelnen Verkehrsbetrieb vorschreibt. Signale aus dem Bundesverkehrsministerium lassen einen deutschlandweit gerechneten Anteil möglich erscheinen. Dann könnten die Augsburger weiter mit Biomethan fahren, weil beispielsweise im Gegenzug Berlin seine Busflotte ganz auf Elektroantrieb umstellen will. Und auch Straubing, das dieses Frühjahr einen Grundsatzbeschluss für Biomethan gefällt hat und Dachau, das ebenfalls auf Erdgasbusse setzt, wären zunächst gerettet. Die Verkehrsbetriebe in Nürnberg dagegen haben mit der Ausmusterung ihrer Gasbusse bereits begonnen.

Die ersten 30 E-Busse in Berlin haben übrigens wegen Reichweitenproblemen Dieselheizungen an Bord, was die angeblich so klimafreundlichen Fahrzeuge „schmutziger macht als die alten Dieselfahrzeuge, die ersetzt werden“, so Pütz. (Christoph Arnowski)

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