Kommunales

Der Preis der ÖPNV-Tickets kennt in den meisten Kommunen nur eine Richtung: steil nach oben. Das spüren vor allem sozial Schwache. (Foto: Stäbler)

10.11.2017

Was bedeutet „günstig“? Das sieht jede Stadt anders

Bei den ÖPNV-Sozialtarifen gibt es zwischen den Kommunen des Freistaats zum Teil erhebliche Unterschiede

Mal eben schnell mit U-Bahn, Bus oder Tram fahren – für einen Hartz IV-Empfänger kann das ein teures Vergnügen sein. Zahlreiche bayerische Städte haben deshalb spezielle Sozialtarife eingeführt. Doch diese unterscheiden sich in den einzelnen Kommunen zum Teil erheblich. Auch sind die Regeln mitunter verwirrend. Warum eigentlich?

Der Regelsatz für einen Hartz-IV-Bezieher liegt seit Jahresbeginn bei monatlich 409 Euro, wovon exakt 25,77 Euro auf den Bereich Verkehr entfallen. Wer mit dieser Summe ein Auto unterhalten will, der scheitert bereits an den Benzinkosten. Zugleich reicht das Geld aber auch in kaum einer bayerischen Stadt für ein Monatsticket im öffentlichen Nahverkehr – und das, obwohl einige der großen Kommunen spezielle Sozialtickets anbieten und diese mit Hunderttausenden Euros bezuschussen.

Eine Ausnahme stellt hier die Stadt Regensburg dar. Ihr Monatsticket im Sozialtarif kostet 23,70 Euro, liegt also unter dem Verkehrsanteil im Hartz-IV-Regelsatz. Üblicherweise würde ein solcher Fahrschein 47,50 Euro kosten. Wer als Regensburger überdies nicht im morgendlichen Berufsverkehr unterwegs ist, der kann auch zum Öko-Ticket-S für 15,20 Euro greifen (regulär: 30,40 Euro), das ab 9 Uhr gültig ist.

Häufig Teil des offiziellen Stadtpasses


In der Oberpfälzer Domstadt sind die Sozialtickets Teil des sogenannten Stadtpasses, mit dem man auch vergünstigte Eintrittspreise bei Museen, Schwimmbädern und Kulturveranstaltungen erhält. Anrecht auf einen solchen Ausweis haben nicht nur Hartz-IV-Empfänger, sondern auch Bürger mit geringem Einkommen, solche, die Wohngeld oder einen Kinderzuschlag erhalten, außerdem leistungsberechtigte Asylbewerber sowie einige andere Gruppen. Insgesamt gehören rund 13 500 Regensburger zu diesem Kreis; aktuell sind laut Angaben der Stadt etwa 4700 Stadtpässe im Umlauf.

Allein die Sozialtickets kosten die Kommune in der Oberpfalz jährlich rund 750 000 Euro an Ausgleichszahlungen an den Verkehrsverbund, wobei diese Summe künftig eher steigen denn sinken wird. Denn laut einem städtischen Pressesprecher ist die Zahl der Stadtpass-Berechtigten, die ein Sozialticket erwerben, seit der Einführung im Juli 2015 kontinuierlich gestiegen.

Dieser Trend zeigt sich auch in anderen bayerischen Kommunen, etwa in München. Dort soll das Sozialticket, das vor neun Jahren eingeführt wurde, nun erstmals auf den Prüfstand kommen. In der Landeshauptstadt kostet das monatliche Sozialticket, die IsarCardS, für den Innenraum aktuell 29,60 Euro – im Vergleich zu 78,20 Euro im regulären Tarif. Einen Anspruch auf diese Vergünstigung haben die Besitzer des sogenannten München-Passes. Sie können – anders als in den meisten Kommunen – nicht nur Monats-, sondern auch Tagestickets zum Sozialtarif erwerben.

Diskussionen im Stadtrat


In beiden Bereichen steigen die Verkaufszahlen seit Jahren stetig an; 2016 wurden pro Monat durchschnittlich 21 600 Monats- und 49 000 Tageskarten gekauft. Aus der Stadtkasse flossen hierfür insgesamt 8,5 Millionen Euro an den Verkehrsverbund. Gar auf 17 Millionen Euro würden die Ausgleichszahlungen laut einer Modellrechnung steigen, wenn die Stadt beim monatlichen Sozialticket auf die bisherige Sperrzeit von 6 bis 9 Uhr an Werktagen verzichten würde. Inwiefern diese Einschränkung die Nutzer stört, und wer das Sozialticket in München überhaupt nutzt, das soll nun eine Studie zeigen, die die Landeshauptstadt kürzlich in Auftrag gegeben hat.

Man kann davon ausgehen, dass die Ergebnisse im Stadtrat für Diskussionen sorgen werden, wie man sie aus Nürnberg schon seit Jahren kennt. Dort ist es unter anderem eine Initiative namens Bündnis Sozialticket, das die Einführung eines echten Sozialtickets fordert und sich gegen die bestehende Regelung ausspricht. Diese ist – ähnlich wie in Regensburg und München – an den sogenannten Nürnberg-Pass gekoppelt, den aktuell fast 55 000 Bürger mit geringem Einkommen nutzen, Tendenz steigend.

Die damit verbundenen vergünstigten Tickets für die Busse, Straßen- und U-Bahnen der Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) kosten jedoch mehr als anderswo: Für eine Monatskarte im Tarifgebiet A müssen Besitzer des Nürnberg-Passes aktuell 30,80 Euro hinblättern, ab nächstem Jahr sind es 31,80 Euro. Auch hier gibt es eine Sperrzeit, jedoch werktags nur von 6 bis 8 Uhr.

Die Verkaufszahlen der an den Nürnberg-Pass gekoppelten Monatstickets sind zuletzt stark gestiegen: Waren es 2012 noch rund 90 000 Wertmarken, so rechnet die Kommune heuer mit doppelt so vielen. Parallel dazu haben wohl auch die Ausgleichszahlungen zugenommen, wenngleich ein Sprecher hier keinen genauen Angaben liefert.

Verdoppelung der Nutzer innerhalb eines Jahres


In Augsburg bezuschusste die Stadt ihr Sozialticket 2016 mit 620 000 Euro; dazu seien noch mal 200 000 Euro an Personal- und Sachkosten gekommen, teilt der Sozialreferent und Dritte Bürgermeister der Fuggerstadt, Stefan Kiefer (SPD), mit. Nach jahrelangem Hin und Her und einer erfolgreichen Klage – weil die Stadt zunächst Hartz-IV-Empfänger ausschließen wollte – hatte Augsburg zum Juli 2015 ein Sozialticket eingeführt. Der monatliche Fahrschein für Busse und Straßenbahnen kostet 31,50 Euro und 27 Euro für Senioren; regulär müsste man 60,50 Euro beziehungsweise 38,40 Euro zahlen. Anders als in München oder Regensburg bleiben Wohngeldempfänger in Augsburg hier jedoch außen vor.

Im ersten Jahr nach der Einführung stieg die Zahl ausgegebenen Sozialtickets in Augsburg von 1180 auf fast 2900 – bei knapp 19 000 Berechtigten. Infolge einer im Sommer beschlossenen Tarifreform wird das Sozialticket in seiner bisherigen Form jedoch zum neuen Jahr wegfallen. Der Grund: Dann wird es ein reguläres „Jedermann-Ticket“ im Augsburger Verkehrsverbund für 30 Euro im Monat geben. Dieses hat jedoch den Nachteil, dass es werktags erst ab 9 Uhr gilt.

Für bestimmte Nutzergruppen – etwa berufstätige Aufstocker oder Teilnehmer an Sprachkursen – könne das neue Ticket daher kein Ersatz sein, räumt Sozialreferent Stefan Kiefer ein. „Derzeit läuft in den kommunalpolitischen Gremien die Meinungsbildung und Diskussion, ob und zu welchen Konditionen ab 2018 für diesen Personenkreis ein Sozialticket in veränderter Form fortgeführt werden kann.“ (Patrik Stäbler)

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