Kommunales

Muezzin Mustafa Kader beim Verkünden des Gebetsrufs vor der Kölner Zentralmoschee der Erdogan-treuen Muslime. (Foto: dpa/Rolf Vennenbernd)

23.10.2022

Welcher Muezzin zum Gebet ruft, ist nicht nebensächlich

Kölner Ditib-Moschee erhält bundesweit erste Genehmigung

Stadträte aus ganz Deutschland schauen dieser Tage interessiert nach Köln. In der größten nordrhein-westfälischen Kommune mit dem nach Augsburg prozentual zweithöchsten Anteil von Muslimen an der Gesamtbevölkerung darf fortan der Ruf des Muezzins zum Gebet erschallen – probeweise und befristet, und nach einigen Monaten werden die Auswirkungen eruiert. Wie in Deutschland üblich, sind alle bürokratischen Aspekte vorab ausgiebig geprüft worden; unter anderem emissionsschutzrechtlich. Ergebnis: Vermutlich wird bereits der örtliche Verkehr in der Rush Hour am Freitagmittag das auch nur maximal fünf Minuten dauernde „Allahu akbar“ häufig übertönen.

Es ist also schlicht Unsinn, wenn die AfD jetzt durch die Domstadt zieht und davor warnt, Köln könnte sich bald akustisch in ein zweites Kairo verwandeln. Hinzu kommt das verfassungsgemäße Gebot der Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften: Wenn am Sonntag die Glocken der christlichen Kirchen zum Gebet läuten dürfen – dann gibt es kein in einer liberalen und säkularen Gesellschaft noch haltbares Argument, warum ihr Gebetsruf den Muslimen verwehrt werden soll. So sieht das übrigens auch der katholische Stadt-Dechant – derzeit statt des vom Dienst suspendierten Skandal-Kardinals Woelki oberster Ansprechpartner der Kirche für die Politik.

Nein, das Problem ist nicht, dass ein Muezzin ruft – sondern welcher, also im Dienst welcher Richtung des Islam. Und im Fall von Köln ist das eben kein liberaler Alevit oder ein Vertreter der mit der westlichen Demokratie weitgehend im Einklang stehenden Muslime aus Bosnien, dem Kosovo, Malaysia, Indonesien, Oman oder Tansania. Der Kölner Muezzin ist nicht politisch unabhängig – sondern steht im Dienst der staatlichen türkischen Ditib-Organisation, die ihre Befehle direkt von Präsident Erdogan aus Ankara erhält.

 

AfD-Vorwürfe sind teilweise Unsinn - aber nicht immer


Der türkische Regierungschef hat in den vergangenen 20 Jahren seiner Herrschaft das einst pro-westliche Land des Kemal Atatürk in eine De-facto-Diktatur verwandelt, wo die Demokratie nur noch auf dem Papier existiert. Sein intolerantes und autoritäres Verständnis vom Islam, dass Schritt für Schritt alle bürgerlichen Freiheiten am Bosporus beschneidet, unterscheidet sich nur noch in Nuancen von jenem der Ajatollahs im „Gottesstaat“ Iran, die derzeit Tausende Frauen und Mädchen zusammenprügeln lassen – weil sie ihr Kopftuch nicht so tragen, wie es der Koran angeblich vorschreibt.

Erdogan hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er an einer Integration der in der EU lebenden Türken in die westlichen Werte kein Interesse hat; in seinem eigenen Land war er ja auch der Wolf im Schafspelz, der freie Wahlen nur als Mittel zum Zweck erachtete. „Unsere Minarette sind unsere Bajonette“, hetzte Erdogan schon vor Jahren mit Blick auf seine Landsleute in der Bundesrepublik. Seine rhetorischen Anleihen bei Sultan Osman – Namensgeber des Osmanischen Großreichs und Vernichter des christlichen Staates Byzanz – sind strategisch bewusst gewählt.

Und in diesem Punkt hat die AfD leider recht: Erdogan und seine Ditib sehen die Erlaubnis des Gebetsrufs nicht zuerst als Zugeständnis an ein friedliches Miteinander von Menschen verschiedener Glaubensrichtungen – sondern als weiteren gelungenen Schritt, in der EU ihren Herrschaftsanspruch voranzubringen. Muezzin ist eben nicht gleich Muezzin: das sollten Stadträte, die sich derzeit von Köln inspirieren lassen möchten, sorgsam beachten. (André Paul)

 

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