Kommunales

Bärin Gaia hatte im Trentino einen Jogger getötet. Gegen den vom Regierungspräsidenten angeordneten Abschuss klagten Naturschutzverbände mit Erfolg. (Foto: dpa/Winfried Rothermel)

21.04.2023

Wenn Bären- wichtiger als Menschenschutz ist

Auch in Bayern gibt es immer wieder Übergriffe von aggressiven Tieren – was Umweltverbände aber ungern thematisieren

Im südlichen Landkreis Rosenheim in der Grenzregion zu Österreich sind am Mittwoch, 19. April, auf einer Weide zwei tote und ein verletztes Schaf aufgefunden worden. "Anhand der Erstdokumentation der äußeren Verletzungen der Tiere und vor Ort aufgefundener Trittsiegel kann dieser Vorfall einem Bären zugeordnet werden," teilte das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) mit.

„Es braucht Lösungen, wie wir schnell und rechtssicher gegen verhaltensauffällige Tiere vorgehen können“, fordert Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU). „Dazu muss der Schutzstatus dieser Tiere überdacht werden. Die Bundesregierung muss dieses Thema angehen, die Sorgen und Probleme der Bevölkerung ernst nehmen und die nötigen Konsequenzen ziehen. Er empfehle, so der Landrat, „sich über die Verhaltensregeln im Umgang mit großen Beutegreifern zu informieren, wenn Sie in die Berge wollen.“

Doch die Bayern und der Bär, das ist eine Beziehung voller Hassliebe sowie Ängste und Streitereien. Sofort nach dem Tod des von einem Bären angegriffenen Joggers im Val di Sole in den Bergen des Trentino entfachte eine aufgeheizte Stimmung in Medien und sozialen Netzwerken. Verschärft wurde dies noch, als bekannt wurde, dass es sich bei dem Bären um eine Schwester des in Bayern als Problembär Bruno bekannten Tieres handelt. Das Tier mit dem offiziellen Namen JJ4, bekannt auch als Gaia, wird Berichten zufolge bereits für frühere Attacken verantwortlich gemacht. Bereits im Juni 2020 griff Gaia einen Jäger und seinen Sohn an, verletzte den Vater schwer. Rasch entschied der Regionalpräsident des Trentino Maurizio Fugatti, dass Gaia erlegt werden sollte und auch der aktuelle Bestand von 100 Tieren in der Gegend der Brenta Dolomiten um die Hälfte reduziert werden müsste – ein Plan, der auch die Unterstützung von Bergsteigerlegende Reinhold Messner fand.



Sogar Reinhold Messner befürwortet den Abschuss


Bei Umweltverbänden kamen solche Pläne nicht gut an und ihre Klage gegen den Abschuss vor einem italienischen Gericht war erfolgreich: Gaia darf vorerst weiterleben und die Menschen müssen die Gefahr hinnehmen, von ihr getötet zu werden. Für Öko-Fundis zählt ein Bären- eben mehr als ein Menschenleben. In Bayern blieb es nach dem Tod von Bruno blieb es zwar lange Zeit ruhig.

Doch nun flammten die Diskussionen wieder auf – auch weil in der jüngsten Vergangenheit mehrere Bärentatbestände offiziell wurden. 2022 hatte ein Bär bei Mittenwald ein Schaf gerissen, es gab dazu passende Aufnahmen von Wildtier-Kameras. Aktuell sichteten Radfahrende bei Kufstein wenige Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt einen Bären. Bei Bergbäuer*innen und Schafzüchtenden ist die Angst groß, dass möglicherweise Problembären aus dem Trentino unterwegs nach Bayern sein könnten. Dazu muss man wissen, das Bruno und Gaia einer Familie aus Slowenien entstammen, die als problematisch gilt; auch die Eltern schon auffällig waren. Als man die Bären aus Slowenien in die italienischen Berge übersiedelte, habe man sich dort wohl des problematischen Bärenbestands entledigt, hört man aus Kreisen der oberbayerischen Almbauernschaft.

 Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Bären aus der trentinischen Population über die Alpen Richtung Bayern abgewandert. In den Brandenburger Alpen in Tirol verschwanden im vergangenen Herbst 30 Schafe. Auf einer Alm bei Landl wurden im vergangenen Frühjahr drei Schafe vom Bären gerissen. Die Schafzüchtenden befürchten nun, dass Teile der außer Kontrolle geratenen Bären-Population des Trentino nach Bayern umgesiedelt werden könnten. Sie gehe nur noch mit dem Pfefferspray aus dem Haus, nachdem direkt davor Bärenspuren aufgetaucht sind, erklärte eine Almbäuerin im bayerisch-tiroler Grenzgebiet nahe Kufstein in der Regionalpresse.

 

Große Probleme für die hiesige Landwirtschaft 


Große Probleme für die hiesige Landwirtschaft sieht Georg Kittenrainer (CSU), Bürgermeister von Bayrischzell, sollten sich Bären hier auf Dauer ansiedeln. Ökos sehen die Entwicklung naturgemäß wesentlich gelassener. Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, hält das Ereignis im Trentino für einen Einzelfall.

Beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen gab es zum Bären nur vereinzelte Anfragen. Unruhe und Besorgnis sei aber bei der Almwirtschaft offenkundig, so Behördensprecher Stephan Scharf. Für Joseph Grasegger, Biobauer in Garmisch-Partenkirchen und Vorsitzender des Landesverbands bayerischer Schafhalter, ist nicht der Bär das wichtige Thema. „Es gibt hier bei uns einen Bären seit einigen Jahren, der aber sehr scheu ist. Außerdem sind im Karwendel auch Luchse unterwegs“, sagt er.

Problematisch sei es mit den Wölfen. Da gebe es praktisch täglich Übergriffe, auch auf Rehe und Hirsche. Und die Wölfe könnten zu einem noch viel größeren Problem werden, weil sie sich erheblich schneller vermehren als die Bären. Handlungsbedarf beim Wolfsbestand sieht aktuell auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Das bescherte ihm wiederum heftige Attacken der Tierschützenden – die zum Großteil mit viel Polemik und wenig Fachwissen daher kommen.

 

Wer vor den Raubtieren warnt, wird angepöbelt


Als in den Kommentarspalten im Münchner Merkur ein Leser darauf verwies, dass im neuen Wolfsgebiet am Staffelsee vor Spaziergängen allein gewarnt wird und Waldkindergärten die Kleinen nicht mehr raus lassen – da pöbelte jemand als Antwort, dass Grimms Märchen wohl bei ihm immer noch nachwirken. Ein anderer Leser, der anzumerken wagte, dass Bären und Wölfe doch auch im Zoo artgerecht gehalten werden könnten, musste sich anhören, dass man ihn umgedreht in seinem Wohnklo einsperren sollte. Die von den Raubtieren ausgehenden Gefahren zu benennen ist bei Öko-Fundis unerwünscht.

Beim bayerischen Landesamt für Umwelt sieht man offensichtlich auch keinen Grund für zusätzliche Maßnahmen. „In Bayern wurde ein abgestuftes Bärenmanagement erarbeitet, bei dem den jeweiligen Stufen ein bestimmter Handlungsrahmen zugeteilt ist. Aktuell befinden wir uns in Bayern in der Stufe 1 mit einem zu- beziehungsweise durchwandernden Einzeltier“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Monitoring, Information und Prävention stünden im Mittelpunkt. Aktuell würde es keine Nachweise für zusätzliche Bären in Bayern geben. Ob das Monitoring auch wirklich funktioniert, kann man aber zumindest hinterfragen. Denn besagte Bärin Gaia im Trentino wurde nach einer früheren Attacke mit einem Sender ausgestattet, der aber aktuell nicht funktioniert.

 

Lange vor Söder erkannte der Garmischer Landrat die Gefahr durch Wölfe


Derweil sind ein aus dem Allgäu zugewanderter Rüde und eine Fähe mittels Genproben über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten im Landkreis Garmisch-Partenkirchen nachgewiesen worden. Noch streifen die Wölfe getrennt durch das Unterholz. Doch Landrat Anton Speer (FW) ist überzeugt, dass sie sich verpaaren und einen Wurf Jungtiere aufziehen werden: „Ein Wolfsrudel wäre eine Katastrophe, weil die Beutegreifer vollständig ihre Scheu verlieren, und nicht nur Reh- oder Rotwild erlegen, sondern auch leicht zu erbeutende Schafe, Ziegen sowie größere Rinder.“ Schon lange vor Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der mit dem Thema Abschüsse jetzt politisch punkten will, erkannte der oberbayerische Kommunalpolitiker die durch immer mehr Wölfe ausgehende Gefahr.

Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wurden im Jahr 2022 etwa zwei Dutzend von marodierenden Wölfen verursachte Risse gezählt. Auf dem Schreibtisch des Landrates landen fast täglich Meldungen von Wolfsangriffen. Das bestärkt Speer in seiner Meinung: „Wir müssen jetzt handeln. Nicht erst im Mai, wenn die Weidezeit beginnt.“ Und Joseph Grasegger, Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Schafhalter, ergänzt: „Alle Schäfer in unserer Region sind verzweifelt, weil sie ihre Tiere auf den unwegsamen Bergwiesen nicht mit Zäunen und Hütehunden schützen können.“ Die Folge werde sein, so Grasegger, dass die Bäuer*innen ihre Nutztiere aus Angst vor dem Wolf nicht mehr auf die Almen und Weiden treiben.

Das wiederum wäre aus Sicht des Landrats tragisch: „Lassen die Viehhalter ihre Tiere nicht mehr auf den Almen grasen, würden die Wiesen in kürzester Zeit verbuschen“, bangt Anton Speer. Bei der Regierung von Oberbayern hat er nun – mit Billigung der Mehrheit des Kreistags – einen Abschuss aller Wölfe im Werdenfelser Land beantragt. Allerdings kollidiert das mit dem Status des Wolfs im Bundesnaturschutzgesetz sowie der europaweiten Regelung. Speer will deshalb mit einer Delegation von Schafhaltenden im Umweltausschuss des Bundestags vorsprechen, um den Abschuss von Problemtieren zu entbürokratisieren. (Günter Bitala, Georg Weindl)

 

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