Kommunales

Am 4. Mai ist Tag der Feuerwehrleute. (Foto: Pat Christ)

02.05.2025

Wenn es ein bisschen kokelt, sind viele hilflos

In Bayern gibt es fast 330.000 ehrenamtliche Feuerwehrleute – oft werden sie ohne jede Not gerufen, weil viele Menschen selbst bei Lappalien überfordert sind

Personell geht es der Freiwilligen Feuerwehr in Kulmbach gerade richtig gut. Ohne dass man groß geworben hätte, kamen in den vergangenen eineinhalb Jahren zehn Aktive neu zur Wehr. Auch die Ausstattung ist okay. „Wobei bald einiges ersetzt werden müsste“, sagt der stellvertretende Kommandant Marius Dippold. Die Stadt Kulmbach stehe hinter der Wehr. Nur sei die finanzielle Situation natürlich gerade nicht so gut. Etwas gibt es jedoch, was ihn just sehr umtreibt: „Das ist, wie wir behandelt werden.“

432 Mal rückte die Kulmbacher Feuerwehr im vergangenen Jahr aus. Das war um 15 Prozent mehr als im Durchschnitt der vergangenen Jahre und stellte einen Rekord dar. Der resultiert allerdings keineswegs daraus, dass es 2024 in Kulmbach ständig gebrannt hätte, berichtet der Feuerwehrler anlässlich des Tages der Feuerwehrleute am 4. Mai. Immer häufiger müsse man zu völlig lapidaren Einsätzen ausrücken. Als hätten die Floriansjünger nichts Besseres zu tun.

Vermisster Nachbar

Marius Dippold gibt ein Beispiel: „Da hatte jemand seinen Nachbarn seit drei Tagen nicht mehr gesehen und meldete sich, damit wir die Wohnungstür öffnen.“ Die Truppe rückte aus. Kam an das besagte Haus. Klingelte: „Da stand der vermisste Mann in der Tür.“ Verwunderung im Gesicht: „Der Nachbar, der angerufen hatte, hätte einfach selbst mal klingeln sollen.“ Selbstständigkeit geht gesellschaftlich gesehen verloren, beobachtet der Floriansjünger. Die Menschen dächten immer weniger mit.

Allgemein greift Hilflosigkeit nach seiner Ansicht um sich. So häuften sich zum Beispiel auch Anrufe, weil es in einem städtischen Mülleimer kokelt. Vielleicht sogar richtig brennt. Wird die Feuerwehr gerufen, muss sie kommen. Und den Brand löschen: „Man hätte aber auch einfach ins nächste Geschäft laufen und um einen Eimer Wasser bitten können.“ Ein letztes Beispiel: In einem Keller stand das Wasser 5 Zentimeter hoch. Wieder schrillte es Alarm bei der Kulmbacher Wehr. Die kam angedüst. Und stellte vor Ort fest: Im Waschkeller befand sich ein Gulli. „Man hätte einfach den Schrubber nehmen und das Wasser dorthin kehren können“, so der Gerätewart.

Akzeptanz schwindet

Während mehr und mehr Bürger denken, dass sie die Feuerwehr zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten rufen könnten, schwindet die Akzeptanz für das Tun der Truppe in echten Notlagen. „Das war vor zehn Jahren definitiv noch nicht so“, sagt der 35-Jährige, der mit zwölf Jahren zur Feuerwehr kam und seit 17 Jahren aktiv Dienst tut. Es vergehe kein Einsatz bei einem Unfall, bei dem nicht mindestens mit einem oder zwei Autofahrern herumdiskutiert werden müsse, warum die nun zu stehen und zu warten hätten. Sei mal gerade kein Feuerwehrmann da, könne es sein, dass die Absperrung weggeschoben wird. Und der angenervte Autofahrer einfach durchfährt.

Mit solchen Entwicklungen mag sich Marius Dippold nicht abfinden. Zum Tag der Feuerwehrleute wünscht er sich, dass sich hier endlich etwas ändert. Dass die Menschen wieder mehr Rücksicht nehmen. Und nicht nur an das denken, was sie selbst im Augenblick beschäftigt. Ohne jedes Gespür für die Situation um sie herum.

Feuerwehrmann respektive Feuerwehrfrau zu sein, das ist alles andere als ein einfacher Job. Die Einsätze fordern einiges ab. Dabei gilt zu bedenken: Die Männer und Frauen tun dies freiwillig. Neben ihrem Job. „Die meisten Bürger wissen das nicht“, sagt Holger Heller, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Schwabach. Da könne man aufklären, so oft und so viel man wolle. Immer wieder blickt er in erstaunte Gesichter, erklärt er: „Was wir tun, machen wir völlig freiwillig.“

Rund 550 Mal rückte die Schwabacher Feuerwehr im vergangenen Jahr aus. Im Vergleich zum Vorjahr, so Holger Heller, sei die Einsatzzahl nur leicht gestiegen. Im 20-Jahres-Vergleich jedoch sei sie beachtlich hoch. Zu Beginn der 2000er-Jahre sei es pro Jahr zu etwa 300 bis 350 Einsätzen gekommen. Der Anstieg liegt auch nach seiner Einschätzung an der Erwartungshaltung der Bürger. Auch er und seine Crew werden über die Integrierte Leitstelle zum Beispiel zu Einsätzen gerufen, bei denen es darum geht, ein paar Zentimeter Wasser aus dem Keller zu pumpen.

Die Schwabacher Feuerwehr weist dann immer darauf hin: Das ist nicht umsonst. Das kostet. Je nachdem, was genau zu tun ist, wie viel Mann im Einsatz sind und mit welchen Fahrzeugen angerückt wurde, kann dies mehrere Hundert Euro betragen. Hören die Leute das, sagen sie meist dankend ab. Und greifen zum Schrubber. Oder holen sich eine Pumpe aus dem Baumarkt.

Wenn es darauf ankommt

Holger Hellers größter Wunsch zum Tag der Feuerwehrleute wäre, dass konsequenter Rettungsgassen auf Autobahnen gebildet werden. Dies geschehe sehr häufig nicht. Anders als in Österreich: „Da klappt es perfekt.“ Erst vor wenigen Wochen hatte die Schwabacher Feuerwehr große Probleme, zum Unfallort zu gelangen. Zum Glück hatte das in diesem Fall keine schlimmen Konsequenzen gehabt.

Doch diese Konsequenzen kann es geben: Ist jemand eingeklemmt und der Wagen brennt, kommt es auf jede Minute an. Dann ist es fatal, wenn die Autos dicht an dicht im Stau stehen. Vor allem auch die Lastwagen. Und das Feuerwehrauto hat keine Chance, durchzukommen. „Dann müssen wir eine andere Feuerwehr rufen, die von der Gegenfahrbahn versucht, den Unfallort zu erreichen“, erklärt Holger Heller.

Ein weiteres Thema bei allen bayerischen Feuerwehren ergibt sich aus dem geheimen „Operationsplan Deutschland“. Der dient dazu, die Bundesrepublik auf einen Kriegseinsatz vorzubereiten. Dass tatsächlich in Deutschland wieder Krieg toben wird, nach über 80 Jahren, will sich der 53-Jährige gar nicht vorstellen. Zu rechnen sei allerdings damit, dass Soldaten durch Deutschland gen Osten fahren: „Wir sind nun mal das Drehkreuz der Nato.“ Das bedeutet, dass mit mehr Unfällen von Militärmunitionsfahrzeugen gerechnet werden müsse. Darauf müsse sich jede Feuerwehr einstellen und vorbereiten.

Der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft machen die bundesweiten Personalengpässe in den Leitstellen zu schaffen. Hier steche Bayern allerdings positiv hervor, sagt Simon Braun von der in Solingen angesiedelten Vereinigung: Als einziges Bundesland habe Bayern das Berufsbild „Leitstellendisponent“ geschaffen. Ob damit allerdings die Personalengpässe in den Leitstellen langfristig behoben werden können, müsse sich erst zeigen. Noch fehlten echte Möglichkeiten, sich in diesem Beruf weiterzuentwickeln. Doch vor allem dadurch könnte man die Beschäftigten binden. Jan Wever von der Münchner Feuerwehr, der im Arbeitskreis „Leitstellen“ der Gewerkschaft das Bundesland Bayern vertritt, fordert anlässlich des Tages der Feuerwehrleute mehr Respekt. Die verbalen und körperlichen Übergriffe seien „nicht hinnehmbar.“

Neuer Operationsplan

Die fehlende Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung sieht auch er als gravierendes Problem an. Die Unfähigkeit der Menschen, mit kleinsten Problemen zurechtzukommen, fordere immer mehr Ressourcen bei Feuerwehr und Notfallrettung. Relativ zufrieden mit der Situation ist Uwe Peetz, Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands (LFV) Bayern. Trotzdem, wie in jedem anderen Bundesland, auch im Freistaat immer härter um die zu verteilenden Stücke vom Staatskuchen rivalisiert wird, würden die Feuerwehren gut bedacht. Zwischen 2018 und 2022 seien über 244 Millionen Euro an Fördergeldern ausbezahlt worden. 330.000 Bürger sind laut dem Rechtsanwalt aktuell bei über 7500 bayerischen Feuerwehren aktiv. Damit sei die Feuerwehr eine tragende Säule im Katastrophenschutz.

Gerade hier hat sich aus Sicht des Landesfeuerwehrverbands einiges zum Positiven entwickelt. So bestehe seit 2022 zum Beispiel eine Kooperationsvereinbarung des LFV Bayern mit dem Freistaat: „Damit wird die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz intensiviert.“ Ganz aktuell geschehe dies durch die Einrichtung eines Bayerischen Melde- und Lagezentrums für den Bevölkerungsschutz.
(Pat Christ)

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