Kommunales

"Kurze Flüge von nur wenigen Minuten reichen aus, um Stare, Rabenkrähen oder Amseln fernzuhalten", sagt Züchter Matej Mezovsky. (Foto: dpa)

28.06.2018

Wenn Falken die Kirschen schützen

Zwei speziell trainierte Greifvögel sollen fränkischen Obstbauern helfen, Ernteverluste zu vermeiden

Sobald die Silhouette eines Greifvogels am Himmel erscheint, nehmen alle Singvögel Reißaus. Diesen Effekt haben sich nun fränkische Obstbauern zunutze gemacht. Seit Anfang Juni arbeitet im Landkreis Forchheim ein Falkner. Matej Mezovsky ist ein Experte auf dem Gebiet der Vogelvergrämung. So nennt man in der Fachsprache das dauerhafte Verscheuchen der Tiere, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Im Schnitt zweimal am Tag lässt der 31-Jährige seine beiden Falken, Tante Emma und Onkel Sam, in den Kirschgärten ihre Runden drehen. "Kurze Flüge von nur wenigen Minuten reichen aus, um Stare, Rabenkrähen oder Amseln fernzuhalten", sagt er. Diese Vogelarten richten jedes Jahr zur Erntezeit von Juni bis August großen Schaden an.

Die Gegend um Forchheim gehört zu den größten Kirschanbaugebieten Europas - mit mehr als 250 000 Kirschbäumen. "Vogelfraß ist vor allem bei frühen Sorten ein Problem", erklärt Karl Otzmann, Anbauberater für Kirschen und Zwetschgen und selbst Eigentümer eines Kirschgartens. Sorten, die bereits im Juni reifen, seien für die Landwirte besonders lukrativ, weil der Marktpreis höher liegt. Von den frühen Sorten gibt es aber nur vergleichsweise wenig Bäume. Auf die konzentrieren sich die gefräßigen Vögel und ruinieren ganze Ernten. Vor allem Stare machen sich in Schwärmen zu mehreren Hundert Tieren über die Kirschgärten her.

Zwar picken sie lediglich einige Früchte an, doch "durch auslaufenden Saft und Vogelkot verkleben alle Kirschen am Baum", sagt Otzmann. So kann der Ernteverlust bei frühen Sorten bis zu hundert Prozent betragen, bei späten Sorten immerhin noch etwa zehn Prozent. Zur Vergrämung nutzten die Landwirte bisher hauptsächlich Vogelscheuchen oder Flatterbänder - mit relativ geringer Wirkung. Die gefiederten Kirschdiebe gewöhnen sich innerhalb weniger Tage an die klappernden und raschelnden Gegenstände. Als letzter Ausweg bleibt den Landwirten nur, Netze über den Bäumen anzubringen. Aber: "Das ist sehr kostenintensiv", betont Otzmann. Im Gegensatz dazu erziele die Vogelvergrämung mit trainierten Greifvögeln einen "großen Effekt mit relativ geringem Aufwand".

Tiere stammen aus einer Volierenaufzucht


Die Methode wird dieses Jahr zum ersten Mal in den fränkischen Kirschgärten angewendet, mit drei Testgebieten im Forchheimer und Nürnberger Land. Voraussetzung für den Greifvogeleinsatz ist sowohl die Zustimmung der Naturschutzbehörden sowie die der Jagdpächter. Einer von ihnen, Hans Derbfuß aus Gräfenberg, sagt: "Diese Art der Vogelvergrämung ist eine biologische, naturnahe Methode, um Singvögel künstlich zu lenken." Immerhin seien die Tiere nützlich, etwa für die Fortpflanzung zahlreicher Pflanzenarten oder zur Insektenbekämpfung. Sogar im Kirschanbau können sich obstfressende Vogelarten als Helfer erweisen, beispielsweise um Erntereste oder verwilderte Obstgärten "aufzuräumen" und damit der Vermehrung von Schädlingen wie Frucht- und Essigfliegen vorzubeugen. Lediglich während der Reife- und Erntezeit sollen sie sich von den Kirschen fernhalten - und auf natürliche Nahrung wie Insekten oder Waldbeeren im Umland ausweichen.

Um die Singvögel nicht zu verletzen, werden nur Greifvögel eingesetzt, die nicht jagen. Mezovskys Falken stammen aus einer Volierenaufzucht. In der Natur lernen Greifvögel das Jagen von ihren Eltern, in der Falknerei bringt es ihnen der Mensch bei. Mezovsky hat diesen Teil des Trainings absichtlich weggelassen. Sein Wüstenfalkenweibchen Tante Emma und der kleinere Wanderfalke Onkel Sam greifen lediglich ein sogenanntes Federspiel an, eine lange Stange, an deren Ende eine Beuteattrappe hängt. So kann Mezovsky die Flugbahn seiner Vögel lenken, sie beispielsweise in einen Starenschwarm steuern und Angriffe simulieren. "Solche Szenarien haben einen wirkungsvollen Effekt auf die Singvögel", sagt er. Ein jagender Greifvogel - wenn auch nur auf die Attrappe - schlage auch die hartnäckigsten Obstdiebe in die Flucht.


Mezovsky hat lange Jahre Erfahrung in der Falknerei gesammelt. Sein Wissen um Vogelvergrämung hat er sich in Kanada angeeignet, bei einem Falknerei-Unternehmen, das sich genau auf diese Aufgabe spezialisiert hat. Die Falknerei habe auch noch andere Anwendungsgebiete gefunden, sagt Michael Mickisch, bayerischer Landesverbandsvorsitzender des Deutschen Falkenordens: Vor allem an Flughäfen sind professionelle Falkner im Einsatz, um Tauben, Krähen oder Möwen von Flugzeugen fernzuhalten und der Gefahr durch Vogelschlag vorzubeugen. (Adriane Lochner, dpa)

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