Kommunales

Christine Borst kann anschaulich erzählen. (Foto: HSS/Witte)

06.12.2019

"Wer führt, ist immer allein"

Ex-Bürgermeisterin Christine Borst gibt Neu-Bewerbern Tipps für die Kandidatur und die Tücken des Amts

Ein Bürgermeisterleben, das ist nicht nur das Studium von dicken Akten, Gemeinderatssitzungen und der Besuch in Seniorenheimen und bei Schützenvereinen. Für Christine Borst – sie war von 2008 bis zu diesem Jahr Rathauschefin der Gemeinde Krailling im Landkreis Starnberg – gehörten dazu unter anderem auch die Entdeckung eines geheimen Tanklagers aus der Nazizeit auf Gemeindegebiet und der grauenhafte Mord eines Mannes an zwei Kindern.

Die Hanns-Seidel-Stiftung in München hat eine neue Gesprächsreihe initiiert: „Auf eine Tasse Kaffee mit ...“. Jüngst war dort Christine Borst (CSU) zu Gast, die elf Jahre lang als Bürgermeisterin die Geschicke der knapp 7800 Einwohner zählenden Gemeinde Krailling lenkte. Im Frühjahr dieses Jahres musste sie ihr Amt nach mehreren schweren Herzattacken vorzeitig aufgeben. „Ich habe für meine Kräfte zu viel gemacht“, zieht sie Bilanz. „Man muss in einem solchen Amt auf sich achten. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens.“ Aber die 65-Jährige hatte viel Spannendes aus ihrem Leben als Kommunalpolitikerin zu erzählen – und fand in neun Parteifreunden aus ganz Bayern, die sich bei der Kommunalwahl am 15. März 2020 um den Posten des Bürgermeisteramts bewerben, interessierte Zuhörer.

Christine Borst ist keine, die die CSU-Programmatik schon mit der Muttermilch aufgeschnappt hat. Parteimitglied wurde sie erst mit Beginn ihrer politischen Laufbahn. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaft arbeitete sie zunächst im Verlagsmanagement, bekam dann zwei Töchter und blieb einige Jahre daheim. Als das jüngere Kind erwachsen war, startete sie zurück ins Berufsleben und machte sich mit einer Künstleragentur selbstständig. Diese Tätigkeit sorgte auch dafür, dass sie in Krailling und Umgebung bald gut bekannt war. „Ich habe eine Veranstaltung auf die Beine gestellt, die so eine Art lokales Tollwood-Festival war“, erzählt sie.

"Frauen können besser einbinden"

Als dann 2008 die Neuwahl des Bürgermeisters anstand, „waren alle Parteien hinter mir her. Aber wenn man politisch etwas erreichen und etwas werden will in unserer Gemeinde, dann muss man der CSU angehören“, sagt sie lachend. Die Zuhörer schmunzeln, die Moderatorin schaut etwas konsterniert – immerhin ist die Hanns-Seidel-Stiftung ja eine parteinahe Organisation.

„Ich wollte in der Lebensmitte mal was anderes machen“, so Borst. Trotz fünf Gegenkandidaten schaffte sie den Einzug ins Rathaus ohne Stichwahl. Doch im Gemeinderat wartete eine große Herausforderung auf sie. „Die CSU stellte zu diesem Zeitpunkt seit fast 60 Jahren ununterbrochen den Bürgermeister von Krailling. Da hatte sich bei den anderen Parteien natürlich ein gewisser Frust aufgebaut. Die waren schon aus Prinzip gegen alles, was wir planten.“ Acht Jahre habe es gedauert, diese Front im Kommunalparlament aufzubrechen. Selbst 2014 hätten die anderen Parteien noch einen gemeinsamen Gegenkandidaten aufgestellt, um sie endlich wieder aus dem Amt zu jagen – vergeblich.

Ob Frauen die besseren Bürgermeister seien, wollte die Moderatorin wissen? Das nicht, antwortete Borst, „aber sie können andere besser einbinden“. Mit der Vereinbarkeit von Familie und Amt habe es keine Probleme gegeben, „aber die waren aus meinem früheren Beruf Kummer schon gewohnt. Aber klar ist auch: Wenn die Familie nicht mitzieht, dann kannst du einpacken als Politiker. Mit kleinen Kindern hätte ich das nicht gemacht.“

Bedrängt von Boulevardsendern

Neben vielen schönen Erinnerungen an Menschen, denen sie konkret helfen konnte, bleibt aber auch ein erschütterndes Erlebnis zurück, dass sie keinem Kollegen wünsche: Vor einigen Jahren ermordete ein Mann nachts seine beiden kleinen Nichten. „Plötzlich standen da RTL 2 und andere Boulevardsender im Ort, haben die Lehrer und Mitschüler der Kinder bedrängt, wollten Statements von mir – aber auf so was bereitet einen doch keiner vor.“

Ein anderes Mal stand plötzlich auf Immobilienscout.de ein riesiges Tanklager aus der Nazizeit, dass sich in einem zu Krailling gehörenden Wald befand – und von dem keiner im Rathaus wusste. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatte es online gestellt und zum Verkauf angeboten; später lagerten darin einige Zeit die Tankölreserven der Tschechischen Republik.

Um Rat fragen könne man da niemanden, „wer führt, ist immer allein“. Wichtig sei es, die Mitarbeiter der Verwaltung auf seiner Seite zu haben, ohne deren Expertise sei man aufgeschmissen. „Und der Austausch mit den Bürgermeistern anderer Orte hilft viel. Die sind ja keine Konkurrenz.“ (André Paul)

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