Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) beziehungsweise dessen sogenannte Teilfortschreibungen zählen zu den zuverlässigsten Streitpunkten zwischen den Kommunen und der bayerischen Staatsregierung. Zwar soll es seit mehr als 30 Jahren „Grundlage und Richtschnur für die räumliche Entwicklung des Freistaats“ sein – doch wie diese dann konkret ausschauen, darüber gehen die Meinungen häufig auseinander.
Das ist auch bei der von der Staatsregierung Ende vergangenen Jahres beschlossenen Teilfortschreibung in den Themenfeldern „Für gleichwertige Lebensverhältnisse und starke Kommunen“, „Für nachhaltige Anpassung an den Klimawandel und gesunde Umwelt“ und „Für nachhaltige Mobilität“ nicht anders.
„Mit Sorge“ betrachte man einige Aussagen des Entwurfs, heißt es seitens des Bayerischen Gemeindetags. Zwar suggeriere die Staatsregierung, den ländlichen Raum stärken zu wollen – doch führten die Festlegungen stattdessen „eher zu einer Entlastung der Verdichtungsräume“. In dem Entwurf werde „ein Gedanke des Konservierens des ländlichen Raumes sowie ein Befeuern der Entwicklung der Zentren postuliert“, die Etikettierung sei „irreführend, gefährlich und kontraproduktiv“. In zahlreichen Landgemeinden und Ortsteilen werde es zu einem „Entwicklungsstopp“ kommen, bangt der Gemeindetag.
Gemeindetag spricht von einem „Déjà-vu“.
Harte Worte – die vor allem auf den zuständigen Ressortchef, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), zielen. Auch wenn das Finanzministerium seit einigen Jahren eine Heimatabteilung hat – für das LEP verantwortlich bleibt das Wirtschaftsressort. Das sah sich bei besagten Fortschreibungen häufig mit massiver Kritik seitens der Kommunen konfrontiert – besonders, wenn es nicht von CSU-Politiker*innen geführt wurde wie von 2008 bis 2013 von Martin Zeil (FDP) oder eben seit 2018 von Aiwanger.
Wobei man den neoliberalen Großstädter und Banker Zeil – der den ländlichen Raum weitgehend sich selbst überlassen und ausschließlich die Zentren voranbringen wollte – sicher nicht gleichsetzen kann mit dem tief in der dörflichen Lebenswelt verankerten Freien Wähler und Landwirt Aiwanger. Gleichwohl spricht der Gemeindetag von einem „Déjà-vu“.
Konkrete Beispiele besagter Strategie sind für den Gemeindetag „immer weitergehende Begutachtungsanforderung in Planungsprozessen, durch die eine Bau-Entschleunigung herbeigeführt“ werden soll. „Derartige Leitgedanken können nicht im Interesse einer ausgewogenen und einer fairen, vom Subsidiaritätsprinzip getragenen und räumlich gerechten Landesplanung liegen, sodass wir Grund zu Annahme haben, dass sich die Staatsregierung bei der aktuellen LEP-Fortschreibung des Primats der Politik entledigt hat und diese inhaltlich einzig und allein der Verwaltung übertragen hat“, schimpft Gemeindetagspräsident Uwe Brandl.
„Unnötige Fronten und Drohszenarien aufgebaut“
Und manches klingt tatsächlich beängstigend: Etwa, dass es angeblich in neueren Regionalplanfortschreibungen keine Siedlungsentwicklung mehr in Orten mit weniger als 7500 Bewohnenden geben soll.
„Aus meiner Sicht baut der Gemeindetag hier unnötige Fronten und Drohszenarien auf“, urteilt Manfred Miosga, Professor für Geografie an der Universität Bayreuth und Präsident der Bayerischen Akademie ländlicher Raum. Zudem sei die Positionvon Verbandschef Uwe Brandl auch inhaltlich schwer haltbar. „So wurden insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten der Entbürokratisierung, Liberalisierung, Deregulierung und Kommunalisierung – und in der Folge der Schwächung und des Rückzugs der Planung – gerade den nicht zentralen Orten nahezu keine planerischen Entwicklungsbeschränkungen mehr auferlegt“, so Miosga weiter.
Der Verzicht auf besagte Regulierungen in der Vergangenheit habe weder den Sog in die Metropolen noch den Abwanderungs- und Schrumpfungsprozess in kleinen ländlichen und peripheren Gemeinden ausreichend gebremst. „Das einzige Ergebnis ist ein horrend hoher Flächenverbrauch“, befindet der Wissenschaftler.
Hinzu käme ein verschärfter Konkurrenzkampf zwischen den Kommunen um die knappen Güter, Einwohner*innen und Betriebe – „in teilweise ruinöser Weise“. Vielmehr brauche es „einen anderen Umgang mit Fläche und eine andere ländliche Baukultur“, fordert Miosga. Dazu zählen für ihn unter anderem Mindestvorgaben in der Baudichte sowie Beschränkung auf „organische Eigenentwicklung nicht zentraler Orte“ – wie es bis zu den 1990er-Jahren noch üblich war. (André Paul)
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