Kommunales

Auch Hohn und Spott können wirksame Mittel in der Auseinandersetzung mit den braunen Verfassungsfeinden sein. (Foto: dapd)

22.02.2013

Wie man Neonazis bekämpft

Experten schulen Bürgermeister ländlicher Gemeinden im Kampf gegen Rechtsextremisten, die sich im Ort breit machen wollen

Der ländliche Raum ist für Rechtsradikale ein interessantes Betätigungsfeld: Hier stehen sie weniger unter medialer Beobachtung und auch die Kommunalpolitiker sind häufig unsicher, wie sie dem braunen Mob Einhalt gebieten sollen. Doch jetzt schulen Experten Bayerns Bürgermeister gezielt im Kampf gegen die Neonazis. Neonazi-Aktivitäten vermeldet kein Bürgermeister gern. Aber häufig erkennen viele Rathauschefs im ländlichen Raum auch gar nicht, wenn sich die Brauen im Ort breit machen wollen. Wenn etwa NPD-Aktivisten auf Häusersuche für Tagungen gehen oder Hinterzimmer in Restaurants als Austragungsort von Musikkonzerten anmieten, tun sie das ja in der Regel nicht mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln. Im Gegenteil geben sich die Rechten immer häufiger betont bürgerlich.
Nur selten gelingt es der Polizei, wie im Landkreis Passau und in Wunsiedel, die konspirativen Versammlungen rechtzeitig aufzulösen. „In den Texten wird dann aber sehr schnell deutlich, worum es geht“, erzählt der Politologe Jan Nowak, der die Szene schon länger beobachtet. Die neonazistische Szene im Freistaat wurde seit der NSU-Mordserie laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sogar noch offensiver. Eine der gefährlichsten Kameradschaften ist gemäß Verfassungsschutz das „Freie Netz Süd“.
Doch immer mehr bayerische Gemeinden setzen sich mit Zivilcourage zur Wehr. In Murnau wurde von Bürgern das „Werdenfelser Bündnis“, in Regensburg von Wirten die Initiative „Keine Bedienung für Nazis“ und von Bürgermeister Werner Wolf (Freie Wähler) das Forum „Gräfenberg ist bunt“ gegründet – mit Erfolg. Engagement, Vernetzung und kreative Aktionen sind Experten zufolge die beste Antwort auf Rechte. Um gegen Neonazis anzukämpfen, rät Bürgermeister Wolf seinen Kollegen, „vom Landwirt bis zum Künstler alle demokratischen Kräfte in Politik, Kirche oder Jugendgruppen ins Boot“ zu holen. „Sogar mit den Leuten von der Antifa kann man reden.“
Unter dem Motto „Eine Gemeinde wehrt sich“ ging auch Bürgermeister Martin Behringer (Freie Wähler) auf breiter Front gegen rechtsradikale Umtriebe in seiner Gemeinde Thurmansbang (Landkreis Freyung-Grafenau) vor. Dort sollte in einem Gasthof zum politischen Aschermittwoch eine Veranstaltung der NPD stattfinden. Mitarbeiter der im Rathaus der Landeshauptstadt angesiedelten „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“ reisten aus München in den Ort, um den Kollegen zu helfen, und auch das Landratsamt gab praktische Tipps. Denn selbst wenn eine Veranstaltung durch den Erlass kommunaler Satzungen nicht verhindert werden kann, hilft zum Beispiel eine Prüfung, ob nicht Bauarbeiten, Personalengpässe oder bereits eine anderweitige Belegung vorliegen.
Der Thurmansbanger Wirt erklärte sich letztlich trotz einer hohen Vertragsstrafe zur Kündigung des Vertrags mit der NPD bereit. Die örtlichen Sportvereine kompensierten den Verdienstausfall mit verstärkten Besuchen.
Wegen des Kriegerdenkmals in Gräfenberg ist die Stadt schon seit 1999 im Visier rechtsextremer Gruppen. Da auf öffentlichen Plätzen Kundgebungen nicht untersagt werden können, beschloss Bürgermeister Werner Wolf, das Grundstück zu privatisieren. Als die Jugendorganisation der NPD daraufhin zu monatlichen Massenversammlungen aufrief, platzte den Einwohnern der Kragen. „Es war ein echtes Wunder, welche Kreativität in den Bürgern steckt“, sagt Wolf. Denn seit 2007 wussten die Rechten nie, was sie bei ihren Aufmärschen erwartet: eine menschenleere Innenstadt, Gegendemonstrationen oder auch Demokratiefestivals. Es wurden auch Lachsäcke verschenkt, auf dem gesperrten Denkmal antifaschistische Gartenzwerge aufgestellt oder in Gassen braune Mülltonnen verteilt. Bei einem Fackelumzug wurden die Scheinwerfer des Sportstadions auf die Straße gerichtet, damit die Rechten im gleißend hellen Licht laufen mussten.
„Kommunalpolitiker können nichts dafür, wenn Neonazis kommen, aber jeder ist dafür verantwortlich, wie man damit umgeht“, sagt die Neumarkter SPD-Kreisvorsitzende Carolin Braun. Und verweist auf einen Beschluss des Kreistags ihrer Oberpfälzer Kommune. Sie organisiert jetzt Konzerte oder Vorträge an Schulen und bestimmt offizielle Ansprechpartner für die Gemeinden auf Landkreisebene. (David Lohmann)

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