Bei Übungsflügen über Mittelfranken verletzen US-Kampfhubschrauber klar deutsches Luftverkehrs- und Luftsicherheitsrecht. Doch Anwohner, die sich beschweren wollen, werden zwischen deutschen und amerikanischen Behörden hin und her geschickt. Jetzt wollen Abgeordnete aus Bundestag und Landtag Maßnahmen ergreifen.
Er kam aus dem Nichts, flog mehrere Scheinangriffe auf Häuser der Siedlung Sauweiher in der mittelfränkischen Gemeinde Wilhermsdorf und verschwand nach einer dreiviertel Stunde wieder Richtung Süden: Ein Apache-Kampfhubschrauber der US-Armee übte am 12. Januar dieses Jahres auch direkt über einem Wohngebiet am Südrand der Kommune. „Teilweise stand die Kampfmaschine senkrecht in der Luft“, so beschreiben es Bewohner. Das zuständige Landratsamt Fürth war nach eigener Aussage nicht über Angriffstests informiert: Lediglich „Außenlande-Übungen mit 16 Soldaten mit zwei Radfahrzeugen und sechs Hubschraubern“ waren der Behörde vorab angekündigt gewesen.
Doch wo beklagt man sich über Lärm und Bedrohung durch einen US-Hubschrauber? Jedenfalls nicht beim Luftamt Nordbayern. Die für diese nachgeordnete Behörde wiederum zuständige Bezirksregierung von Mittelfranken erklärt: „Wenden Sie sich wegen Ihrem Anliegen bitte direkt an das US-Militär in Ansbach.“ und auch das Fürther Landratsamt rät: „Am besten direkt an die Amerikaner wenden.“
Doch das ist leichter gesagt als getan. Zwar gibt es auf der Website der Army einen „Ansprechpartner bei den US-Streitkräften.“ Doch dieser sei „lediglich für Manöverschäden zuständig“. Die Scheinangriffe auf Wilhermsdorf stellt die in Katterbach bei Ansbach stationierte Hubschraubereinheit ohnehin gänzlich in Abrede. Auf Fragen zu Zweck und Gefahren der Übung über bewohnten Häusern antwortet Captain Jaymon Bell, der Pressesprecher: „Die 12. Kampffliegerbrigade der US Army aus Katterbach führt keine Zielmanöver außerhalb der US-Übungsgebiete in Hohenfels oder Grafenwöhr durch.“ Bell gibt zudem einen guten Rat, wohin sich Betroffene statt dessen wenden sollten: an das Kommando Unterstützungsverbände Luftwaffe in Köln – also eine deutsche Dienststelle. Der Captain nennt sogar Telefonnummer und E-Mailadresse.
Diese Einrichtung, sie firmiert militärintern unter dem Kürzel FLIZ, hat sowohl Ansprechpartner für Privatleute als auch für die Presse. Auf die Anfrage, welche Vorschriften US-Hubschrauber einzuhalten hätten, schreibt ein FLIZ-Offizier: „Beim Überflug von besiedeltem Gebiet (Städte mit weniger als 100 000 Einwohnern) gilt für Hubschrauber eine Mindesthöhe von 500 Fuß (zirka 150 Meter über Grund). Ebenso beträgt der Mindestabstand zu Hindernissen wie Gebäuden, Schornsteinen, Windrädern, usw. grundsätzlich 150 Meter. Folglich kann auch die Mindesthöhe in einem Hubschrauberkoordinierungsgebiet auf 10 Fuß (zirka drei Meter über Grund) nur herabgesetzt werden, wenn keine Bebauung in der Nähe ist. Zu Hindernissen/Gebäuden sind also 150 Meter Abstand und eine Mindesthöhe von 150 Meter über dem Hindernis einzuhalten.“
Die deutsche FLIZ-Militärbehörde beschreibt auch den Flug über der Gemeinde Wilhermsdorf konkret: „Die Auswertung der Radardaten vom 12.01.2016 zeigt im Zeitraum 16:00 Uhr bis 16:43 Uhr Ortszeit einen Hubschrauber der amerikanischen Streitkräfte, welcher im Rahmen des Routineflugbetriebes auch im Bereich Wilhermsdorf geflogen ist. Der Flugweg führte mehrmals an beziehungsweise über den südöstlichen Rand von Wilhermsdorf. Die Flughöhe des Hubschraubers betrug zu dieser Zeit 100 Fuß (zirka 30 Meter über Grund) bis 450 Fuß (zirka 140 Meter über Grund).“ Genau das haben Wilhermsdorfer ja auch so erlebt.
Gibt es bisher unbekannte Ausnahmegenehmigungen?
Doch obwohl der US-Pilot offensichtlich die Vorschriften auf Abstand und Flughöhe nicht immer eingehalten hat, ist das für die FLIZ-Behörde kein Grund, daran Kritik zu üben oder Ermittlungen einzuleiten: „Nach den uns vorliegenden Daten fand der Einsatz unter Beachtung der flugbetrieblichen Bestimmungen statt.“ Wie es sein kann, dass der Pilot gleichzeitig Vorschriften verletzt und eingehalten hat, darauf gibt die FLIZ-Behörde aber keine Antwort mehr. Falls man genaueres wissen wolle, müsse man die US Army fragen – die aber, wie erwähnt, vorher an die Deutschen verwiesen hatte. Buchbinder Wanninger lässt grüßen.
Das eigentlich für alle militärischen Belange auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland zuständige Bundesverteidigungsministerium geht ebenfalls verbal in Deckung. Man habe, heißt es auf Anfrage, „das Luftfahrtamt der Bundeswehr zuständigkeitshalber um Beantwortung Ihrer Anfragen gebeten. Ihnen ist die Antwort auf Ihre Fragen bereits am 18. Januar 2016 zugegangen. Ich betrachte Ihre Anfrage deshalb als erledigt“, schreibt eine Sprecherin.
Dieses Hin- und Hergeschiebe von Zuständigkeiten erleben Betroffene rund um die Ansbacher US-Basen seit Jahren. Hansjörg Meyer, Pfarrer im Ruhestand und Vorsitzender des Vereins „Etz langt’s!“ meint dazu lakonisch: „Die Amis haben dank geschlossener Verträge mit der Bundesrepublik wohl immer recht.“ Auch Uwe Emmert (CSU), der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde, ist unsicher, ob nicht „für die US-Hubschrauber Ausnahmegenehmigungen gelten“. Der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Harry Scheuenstuhl hält es dagegen „für überflüssig, die Bevölkerung zu erschrecken und verunsichern. Ich erwarte, dass solche Manöver auf Truppenübungsplätzen durchgeführt werden“.
Elmar Giemulla, Professor für Luftverkehrs- und Luftsicherheitsrecht an der Technischen Universität Berlin, stellt ganz klar fest: „Die Verwaltungszuständigkeit für deutsche und ausländische Truppen in Deutschland liegt vollständig bei der Bundeswehr.“
Christian Schmidt (CSU), Bundeslandwirtschaftsminister und direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den betroffenen Landkreis Füth, verspricht, den Fall „in der nächsten Sitzung im Frühjahr der örtlichen Fluglärmkommission in kompetenter Runde zur Sprache zu bringen.“ Der Politiker weiß, wovon er spricht. Vor seinem Wechsel ins Agrarressort wirkte er als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. (Heinz Wraneschitz)
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