Politisches Engagement unerwünscht?“ Diese Frage stellt der SPD-Landtagsabgeordnete Harry Scheuenstuhl angesichts der jüngsten Nachbesserung von Artikel 31 der Bayerischen Gemeindeordnung durch das Innenministerium. Demnach dürfen Kindergärtnerinnen, Erzieher und andere kommunale Angestellte nicht mehr bei Kommunalwahlen kandidieren. Denn es könnte sich ein Interessenkonflikt ergeben. Für kommunale Bauhofmitarbeiter oder Grünflächenpfleger gilt das aber nicht. Wer soll das verstehen?
Scheuenstuhl kennt die Kommunalpolitik genau, war er doch von 1996 bis 2014 Bürgermeister der Marktgemeinde Wilhermsdorf im Landkreis Fürth. Darum findet er, dass Mitarbeiter von Kommunen weiterhin die Chance haben sollten, ein Mandat in ihrem Stadt- oder Gemeinderat anzunehmen. Das fordert nicht nur er, sondern die gesamte SPD-Landtagsfraktion.
Mitmachen, nicht ausschließen
„Politisches Engagement sollte uns eigentlich lieb und teuer sein – gerade auch im Kita-Bereich. Demokratie bedeutet mitmachen – nicht ausschließen“, betont Scheuenstuhl. Er verweist darauf, dass das Veto der Staatsregierung in dieser Rigorosität neu ist. Bislang habe es lediglich bei echten Interessenskonflikten zwischen Beruf und Mandat gegolten – etwa in den Führungsetagen der städtischen Verwaltungen. Nun aber, so geht aus der Antwort des Innenministeriums auf Scheuenstuhls Anfrage hervor, sind praktisch alle kommunalen Beschäftigten betroffen – mit Ausnahme derer, die rein körperliche Arbeit verrichten, zum Beispiel Angestellte im Bereich des Bauhofs oder der Grünpflege. Diese Ausnahme ist laut Innenministerium verfassungsrechtlich vorgegeben. Artikel 137 Absatz 1 des Grundgesetzes erlaube es den Bundesländern nicht, Arbeiter von der Tätigkeit als ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder auszuschließen.
Ein Ausweg aus der verschärften Regelung zur Kommunalwahl wäre lediglich, vor Annahme des Mandats das kommunale Arbeitsverhältnis zu beenden – also für ein Ehrenamt seine berufliche und damit finanzielle Existenz aufzugeben. Ein Unding, findet Scheuenstuhl. Er fürchtet, dass durch die Verschärfung der Regel noch mehr Menschen davon abgeschreckt werden, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren.
Nicht wirklich durchdacht
Diese Sorge treibt auch andere Landtagsfraktionen um. Andreas Birzele, Sprecher für Kommunales der Landtags-Grünen hält die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung „für nicht wirklich durchdacht“. Es werde seit Jahren zunehmend schwieriger, Kandidatinnen und Kandidaten für die Listen zu finden.
„Wir müssen froh um jede Person sein, die sich vor Ort, meist ehrenamtlich, engagieren will. Diese Entscheidung führt dazu, dass dieser Personenkreis noch einmal kleiner und enger wird“, sagt Birzele der Staatszeitung.
Er betont, dass gerade die Expertise und das fachpraktische Wissen dieser Personen für entsprechende Entscheidungen wertvoll sind. Gremien leben laut Birzele von unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven – das nenne man Demokratie.
„In Aufsichtsräten ist es komischerweise kein Problem, hohe politische Mandate innezuhaben und gleichzeitig weiterhin das Mandat auszuüben – hier entstehen vermutlich noch eher Interessenkonflikte als auf kommunaler Ebene, trotzdem wird es toleriert und forciert“, moniert Birzele.
Der Bayerische Gemeindetag dagegen begrüßt die gesetzliche Nachjustierung. „Wir fordern das schon immer“, sagt Gemeindetagssprecher Matthias Simon. Das diene der Funktionsfähigkeit der Kommunalparlamente, die auch eine Art Kontrollinstanz seien.
Mehr Fairness und Rechtssicherheit
Auch Roland Weigert, kommunalpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler und Vorsitzender des Landtagsinnenausschusses, begrüßt die Novelle. Es sei eine Entscheidung im Sinne der Gewaltenteilung getroffen und gleichzeitig eine Gleichbehandlung aller Beamten und Angestellten einer Gemeinde erreicht worden. „Somit konnte für mehr Fairness und Rechtssicherheit gesorgt werden“, sagt Weigert auf Anfrage.
Scheuenstuhl und die SPD-Landtagsfraktion fordern jedoch, kommunalen Beschäftigten ohne Leitungsfunktion weiterhin die Kandidatur für Kommunalparlamente zu ermöglichen. Das entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das die angeblichen Interessenskonflikte auf konkreten Einfluss auf die Verwaltungsführung einer Kommune begrenzt. Was Scheuenstuhl und auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zum Beispiel bei Kita-Mitarbeitern nicht zu erkennen vermögen.
(Ralph Schweinfurth)
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