Kommunales

Die Ausrüstung ist ausreichend vorhanden: Helme und Schutzanzüge der freiwilligen Feuerwehr hängen aufgereiht an einer Garderobe im Gerätehaus der FFW Großdinghartung im Kreis München. (Foto: dpa/Robert B. Fishman)

13.12.2019

Zur Not eben mit Zwang

Wie sich eine Gemeinde in Schleswig-Holstein half, als es nicht mehr genügend Freiwillige für die Feuerwehr gab

In ganz Deutschland geht die Zahl an Kameraden bei den Freiwilligen Feuerwehren zurück. Die Gemeinde Grömitz in Schleswig-Holstein wusste sich jetzt nicht mehr anders zu helfen, als Einwohner für den Dienst zwangszuverpflichten. Die Staatszeitung hat nachgefragt, was man im bayerischen Innenministerium und beim Landesfeuerwehrverband von der Idee hält.

Grömitz im Kreis Ostholstein ist eine Flächengemeinde auf mehr als 50 Quadratkilometern mit sechs Ortsteilen. Dort leben rund 7000 Menschen, im Sommer werden es aber bis zu 30 000, es ist ein Urlaubsort direkt an der Ostsee. Bis zu 150 Brände gibt es dort pro Jahr, berichtet Arne Puck (44), der im Ordnungsamt für das Feuerwehrwesen zuständig ist. Sechs Ortswehren gibt es in Grömitz, eine für den Hauptort und fünf für die umliegenden Weiler. „Die Sollstärke war teilweise bis auf die Hälfte gesunken“, so Arne Puck. In Grömitz selbst zählte die Freiwillige Feuerwehr nur noch 33 Kameraden, 63 wären notwendig gewesen. Zwei Jahre liefen entsprechende Werbemaßnahmen durch das Rathaus – ohne Erfolg.

So konnte es nicht weitergehen, befand auch Bürgermeister Mark Burmeister (51, parteifrei). In seiner Not zuhilfe kam ihm Paragraf 16 des Brandschutzgesetzes von Schleswig-Holstein. Dort steht, dass jeder Bürger und jede Bürgerin im Alter von 18 bis 50 Jahren verpflichtet werden kann, Dienst für die Feuerwehr zu leisten. Und zwar nicht mal eben für einige Wochen oder Monate zur Aushilfe, sondern gleich für zwölf Jahre.

Pfarrer und Alleinerziehende sind ausgenommen

„In Grömitz kamen dafür 1700 Personen infrage“, rechnet Arne Puck vor. „100 davon haben wir angeschrieben.“ Schon von vornherein rausgefallen waren beispielsweise Alleinerziehende. Sie können sich dem Dienst entziehen, wenn die Versorgung ihres Haushalts gefährdet wäre. Dass das in den meisten Fällen wohl so sein dürfte, dachte man sich auch bei der Gemeinde. Der Pfarrer blieb vor vornherein verschont, ein geistiges Amt schützt in Deutschland vor jeglicher Zwangsverpflichtung.

Ebenso fielen alle Männer und Frauen durchs Raster, die ihren Arbeitsplatz außerhalb des Gemeindegebiets haben. Der Dienst macht ja auch nur Sinn, wenn man tagsüber verfügbar ist. „Hier im Ort gibt es außer dem Tourismus nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten“, verrät Arne Puck, „die meisten berufstätigen Einwohner pendeln täglich nach Kiel, Lübeck oder sogar bis Hamburg.“

Die Gespräche mit den 100 Ausgewählten waren „ganz ordentlich“, sagt Arne Puck. Wer die zum Understatement neigende norddeutsche Mentalität kennt, der weiß, dass es so prickelnd dann wohl nicht ablief. Nein, gut gefühlt habe er sich bei den Gesprächen, die er gemeinsam mit dem Feuerwehrkommandanten führte, nicht so richtig, erinnert sich der Verwaltungsmitarbeiter. Zwang ist nun mal kein positiv besetztes Wort.

Viele Ausreden

Die Gemeindevertreter bekamen natürlich auch einige Ausreden zu hören: dass man gesundheitlich nicht geeignet sei, dass daheim mehrere Kinder seien, dass man mit anderen Ehrenämtern schon gut ausgelastet wäre und ähnliches. Einige Einwohner kündigten an, sich rechtlich zu wehren, andere, dass sie dann aus dem Ort wegziehen würden – zumindest offiziell mit dem Hauptwohnsitz. Eine Handvoll Bürger aber wurde am Ende doch verpflichtet und das bedeutet, dass sie an der einjährigen Ausbildung und den anschließenden Übungen und Einsätzen teilnehmen müssen – oder es folgt ein Bußgeld.

So weit, so gut. Doch dann passierte etwas, womit die Gemeindeoberen von Grömitz nun gar nicht gerechnet hatten. Sowohl unter den Angeschriebenen wie unter der übrigen infrage kommenden Bevölkerung fanden sich rund 50 Freiwillige, die nun in die Feuerwehr eintreten wollten. Bringt Zwang also doch was?
„Die Aufstellung einer Pflichtfeuerwehr kann nur letztes Mittel sein, um in einer Gemeinde den abwehrenden Brandschutz und technischen Hilfsdienst zu gewährleisten“, heißt es auf Nachfrage aus dem bayerischen Innenministerium, das im Freistaat die Zuständigkeit für den Brandschutz hat.

Allerdings: „Eine vorübergehende Unterbesetzung ist noch kein Anlass, Dienstverpflichtungen auszusprechen.“ Erst wenn nach verständiger Beurteilung der Personallage keine Gewähr dafür besteht, dass die Freiwillige Feuerwehr die absolute oder die erforderliche Mindeststärke in absehbarer Zeit erreichen wird, wäre der Zeitpunkt für Dienstverpflichtungen gekommen.

"Gemeinden müssen ihre Anstrengungen verstärken"

Auch lägen dem Haus von Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) nach eigenen Angaben „keine Erkenntnisse vor, dass seit dem Inkrafttreten der Regelung Anfang der 1980er-Jahre in Bayern jemals eine Verpflichtung zum Feuerwehrdienst nach Art. 13 bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG) ausgesprochen und vollzogen wurde“. Das bestätigt auch Achim Sing, der Sprecher des bayerischen Städtetags.

Als eigene Maßnahmen, um den freiwilligen Dienst zu verstärken, verweist das Ministerium unter anderem auf die verstärkte Einrichtung von Kinder- und Jugendfeuerwehren, um den Nachwuchs an die Materie heranzuführen und auf die Heraufsetzung des Höchstalters für den aktiven Dienst; auch 63- bis 65-Jährige sollen helfen dürfen. Für jeden Einsatz sind die freilich nicht mehr geeignet. Bei solchen mit Atemschutzmaske liegt die Altersgrenze bei 45 Jahren.

Und was können die Kommunen aus Sicht des Innenministeriums statt einer Zwangsverpflichtung dann tun? Immerhin geht auch im Freistaat die Zahl der freiwilligen Kameraden seit Jahren zurück. „Primär muss die Gemeinde ihre Anstrengungen intensivieren, ehrenamtliche Kräfte für die Feuerwehr zu gewinnen, wenn nicht ausreichend Feuerwehrdienstleistende zur Verfügung stehen“, so die stellvertretende Sprecherin Sandra Schließlberger.

Und was sagt die Feuerwehr? „Auch in Bayern gibt es in Art. 13 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes die gesetzliche Möglichkeit, dass feuerwehrdiensttaugliche Frauen und Männer verpflichtet werden“, erläutert Johann Eitzenberger, der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbands. Sie könne aber nur „ultima ratio“ sein.
In Bayern gibt es in aktuell mehr als 7000 Freiwilligen Feuerwehren rund 320 000 aktive Frauen und Männer.

Auch wenn es vereinzelt Schwierigkeiten in der sogenannten Tagesalarmsicherheit gibt, so ist dieser Personalstand doch ausreichend“, ist Eitzenberger überzeugt. Es sei aber eine Daueraufgabe, ständig dafür zu werben, dass – beginnend bei der Kinder- und Jugendfeuerwehr, über Frauen, Quereinsteiger und Migranten – in allen Bevölkerungsschichten neue Mitglieder gewonnen werden. (André Paul)

Kommentare (2)

  1. GS am 14.12.2019
    Alle 3 Tage ein Brand? Das gibt es hier noch nicht einmal in einer 3 Millionen Metropole.
  2. RoHo am 13.12.2019
    Leider ist es so in Grömitz.
    Allerdings sollte der geneigte Leser auch erfahren, dass bei der FFW Grömitz gleichzeitig erfahrene Feuerwehrleute in der Vergangenheit aus der FW gemobbt wurden und deshalb ausgetreten sind und aktuell, neber der Verpflichtung, ein erfahrener Feuerwehr aus der FW rausgeschmissen wurde.
    Dieser Rausschmiss wurde mit einem Vergehen begründet, welches aus meiner Sicht, gerade in der Personalnot, auch anders geandet werdrn konnte.
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