Kultur

Grandios meistert Karsten Jesgarz die Titelpartie des Josef K., hier mit Yvonne Prentki als Fräulein Bürstner. (Foto: H. Dietz)

25.06.2021

Absurde Suche nach dem Sinn

Das Theater Hof bringt die Oper „Der Prozess“ von Philip Glass als deutschsprachige Erstaufführung

Opern von Philip Glass sind auf der Bühne des Theater Hof nichts Ungewöhnliches. Der Untergang des Hauses Usher (2015) im Großen Haus und In der Strafkolonie als Kammeroper im Studio (2019) machten das Hofer Publikum mit den gemäßigt modernen, seriellen Kompositionen des US-Amerikaners bekannt. In dieser Spielzeit wird mit Der Prozess erneut ein von Glass vertontes Werk Franz Kafkas als deutschsprachige Uraufführung gegeben.

Das ist mutig – und gekonnt. Die 2014 entstandene Oper beruht auf einem englischsprachigen Libretto des renommierten Drehbuchautors und Schriftstellers Christopher Hampton. Das Hofer Produktionsteam um Clemens Mohr (musikalische Leitung) und Lothar Krause (Regie) hat keine reine Übersetzung ins Deutsche unternommen, sondern Szene für Szene mit dem Romanfragment des deutsch-tschechischen Autors abgeglichen. Entstanden ist eine „deutsche Fassung“, die Rhythmus und Melodieführung von Glass’ Komposition berücksichtigt.

Der berühmte Eingangssatz „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet“ zieht sich leitmotivisch und mehrmals aus dem Off gesprochen durch die straffe, überaus konzise Inszenierung. So wird man immer wieder an den Ausgangspunkt der Spielhandlung zurückgeführt, was unbedingt nötig ist, um die einzelnen Szenen voller surrealer Personen und Gegebenheiten zu akzeptieren, denen der 30-jährige Bankangestellte K. ausgesetzt ist und die er vielleicht nur imaginiert oder albträumt.

Zahlreiche Requisiten tauchen immer wieder in verschiedenen Bildern auf; die phantasievollen Schwarz-Weiß-Kostüme der Darsteller*innen werden durch knallrote Akzente aufgebrochen, die für Macht, Gewalt und sexuelle Assoziationen stehen. Allein Josef K. – ein noch junger, gleichwohl erfolgreicher Angestellter, latent geiler Junggeselle und biederer Untermieter – trägt blasses Graubraun.

Die Mammutrolle meistert Karsten Jesgarz bravourös. Knappe zwei Stunden steht er permanent auf der Bühne und singt einen erheblichen Teil des Librettos. Mit bester Textverständlichkeit bei seltenen stimmlichen Einbrüchen verstärkt sein fester Tenor mitfühlend den Wechsel von Verzweiflung und Aggression bei seiner Odyssee durch die vermeintlichen Instanzen des Gerichts – und seines Lebens. Hinter der Sinnlosigkeit seiner augenblicklichen Lage als Abbild seiner grundsätzlichen Existenznot wird die tiefe Sehnsucht spürbar, sich seiner selbst zu vergewissern. Das langjährige Hofer Ensemblemitglied, das früher eher sogenannte lustige Partien übernahm, überzeugt stimmlich und darstellerisch durch höchstes Kunstwollen.

Streicher, Bläser, Schlagwerk – die elfköpfige Pandemieversion der Hofer Symphoniker spielt Glass’ serielle Klangflächen mit Hingabe und unterstreicht mit durchaus oft vernehmbaren melodischen Passagen die ariosen Auftritte von Yvonne Prentki und Inga Lisa Lehr, von Markus Gruber, Marian Müller und Minseok Kim.

Dominierende Drehbühne

Die Oper Der Prozess ist eine der wenigen Produktionen, die in der Hofer Interimsspielstätte „Schaustelle“ noch stattfinden, bevor die technische Ertüchtigung des Großen Hauses abgeschlossen ist. In der Schaustelle wurde eine Drehbühne eingebaut, die dann in das renovierte Theatergebäude übernommen wird. Ausstatterin Annette Mahlendorf hat dieses dominante Bühnenteil zum eigentlichen Gegenspieler von Josef K. gemacht. Die geschickte Anordnung von permanent wechselnden Räumen, Türen und Passagen verweist mit den häufigen Drehbewegungen in einem einfachen Bild auf den endlosen, ja absurden Weg seiner Sinnsuche. Mit jedem Tritt in einen neuen Raum entsteht Hoffnung, die wieder geschwunden ist, wenn K. diesen Raum durch eine der Türen verlässt. (Horst Pöhlmann)

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.