Kultur

Zwischen Susanna (Andromaki Raptis) und dem Grafen Almaviva (Samuel Hasselhorn) geht es turbulent zu. (Foto: Bettina Stöss)

21.04.2023

Alltägliches Bekriegen

Nürnbergs scheidende Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz wird für „Figaros Hochzeit“ bejubelt

Berlin wartet – zumindest das Konzerthausorchester auf seine neue Chefdirigentin. Doch für Joana Mallwitz reiht sich bis zum Saisonende als Generalmusikdirektorin in Nürnberg noch ein Termin an den anderen: Philharmonisches Konzert, „Expeditionskonzert“, Kammermusik, eine letzte Opernpremiere und das finale Luitpoldhain-Open-Air im Sommer.

Das Nürnberger Publikum jubelt sich derzeit die Seele aus dem Leib, als ob die Tage der Oper dort gezählt wären – vielleicht sind sie das ja auch, wenn das Haus am Richard-Wagner-Platz renoviert oder gar abgerissen wird, aber das weiß so recht noch niemand. Also genießt man im ausverkauften Haus die Vorstellungen, die Joana Mallwitz (im Wechsel mit ihrem Nachfolger Roland Böer) noch leitet und für die ihr Staatsintendant und Opernchef Jens-Daniel Herzog seine Neuinszenierung von Mozarts Figaros Hochzeit zu Füßen legt.

Dunkle Wolken ziehen da über dieser „Commedia per musica“ auf – schon während Mallwitz mit der Ouvertüre voranprescht und sich die Punk-Barberina noch schnell eine Zigarette ansteckt, bevor das raffinierte Bühnenbild von Mathis Neidhardt aufklappt. Lange spielte man das Stück in plüschigen Adelsklamotten, bevor Luchino Visconti damit anfing, die sozialrevolutionären Züge gemäß der Vorlage des Librettisten Da Ponte zu betonen – wie es jetzt in Nürnberg die Bühne mit den Räumen des Adels tut, zwischen die sich ein paar Quadratmeter für das Brautpaar Figaro und Susanna samt einer Matratze quetschen.

Schier atemloses Tempo

Mit verwegenem Tempo, fast schon atemlos, und scharf akzentuiert spielt das Staatsorchester von Anfang an, und bevor Mallwitz die ersten Bravi dafür kassiert, hat man schon eine Menge Leute von heute kennengelernt. Besonders aber (und das ist Herzogs Erfindung) das Kind der Almavivas. Das Mädchen wird die ganze Oper über die Handlung stumm kommentierend begleiten und stürzt sich aus dem Fenster, um Mama und Papa wieder zusammenzubringen.

Worum sich die Eltern aber wenig kümmern, eher schon um ihre Smartphones und Dates – man fragt sich: Wen hat die Gräfin schon während der Ouvertüre so heftig tippend, aber vergeblich angewählt? So wollte Herzog das zeigen: nicht als große Sensation, sondern als alltäglichen Ehekrieg, nicht mit Hass, sondern in Entfremdung trotz heftig ausbrechender Erotik. Und wenn man dem Ende glauben darf, wird es auch bei den neuen Eheleuten Susanna/Figaro und Marcellina/Bartolo so werden. Denn da klingt das „Perdono“ der Gräfin keineswegs himmlisch versöhnend, sondern eher zweifelnd gebrochen, bevor das Ehebruch-Bilderbuch zuklappt.

Die Nürnberger Oper hat zwei hervorragende Besetzungen (auch in den Nebenrollen) für dieses neue Repertoireglanzstück. Besonders in der B-Premiere mit Samuel Hasselhorn, Andromahi Raptis oder Adam Kim in dieser präzise durchgearbeiteten Inszenierung mit ihren vielen, manchmal auch die Musik überwuchernden simultanen Details. Die Wanduhr zeigt genau an, was an diesem „tollen Tag“ von früh bis abends wann passiert – und wofür Joana Mallwitz in logischer Phrasierung einen himmlischen Mozart-Ton findet. (Uwe Mitsching)

 

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