Kultur

Fatales Treffen: die Braut (Kristina Pauls) trifft ihren Ex (Oliver Möller) - im Vordergrund der Bruder (Robin Sondermann) des späteren Bräutigams. (Foto: Arno Declair)

30.09.2011

Andalusische Folklore mit Blutbad

Federico García Lorcas "Bluthochzeit" am Münchner Volkstheater

„Lieber verbluten und tot sein, als im fauligen Blut leben.“ Ein tiefer Abgrund klafft in diesen Worten, die sich wie ein blutroter Faden durch die Bluthochzeit (1933) von Federico García Lorca ziehen – ein Stück, das auch als Metapher für den Faschismus gelesen werden kann. Die Konsequenz ist in dieser Tragödie schonungslos – bei der Premiere am Münchner Volkstheater war sie es nicht. Bloß keine Stellung beziehen, das war die Devise des serbischen Regisseurs Miloš Lolic. Da ist Leonardo (Oliver Möller). Er war einst mit der „Braut“ (Kristina Pauls) verlobt, wurde aber – seiner Armut wegen – abgewiesen. Als Rache brachte er den Bruder ihres späteren „Bräutigams“ (Robin Sondermann) sowie ihren Vater (Jean-Luc Bubert) um. Leonardos jetzige Frau ist die Cousine der „Braut“ (Xenia Tiling). Nach der Hochzeit lässt sich die „Braut“ von ihrem früheren Verlobten entführen, der „Bräutigam“ verfolgt sie. Im umdüsterten Schein des Mondes, der als Holzfäller auftritt (Pascal Riedel, Max Wagner), kommt es zum tödlichen Messerstechen. Über allem thronen die „Mutter“ (Ursula Burkhart) und der Tod in Gestalt einer Bettlerin.

Vergebene Chance

Um Familienfehde geht es hier, um Ehrenmord und Blutrache, um archaische Konventionen. Sie geben sich als Ausdruck einer Kultur und sind doch kulturlos, weil sie sich gegen den Menschen richten. In seinem späteren Stück Bernarda Albas Haus wird Lorca dieses Thema ausbauen. Es hat nichts von seiner Brisanz eingebüßt. Jedenfalls sind Ehrenmorde und Zwangsheiraten auch im heutigen Deutschland blutige Realität. Gern wird das kulturell begründet und lässt sich doch mit keiner Kultur begründen. Und in Lolics Heimat Serbien? Dort ist der Balkankrieg noch längst nicht aufgearbeitet.
So hätte der Finger tief in die Wunden des Heute gelegt werden können. Indes wurde schon alleine in den Kostümen (Maria Jelesijevic) eine beliebige andalusische Folklore heraufbeschworen.
Dabei ging es nicht schlecht los: Nämlich mit einem Kammerspiel, das dieser „lyrischen Tragödie“ viel Raum gab und den Rhythmus von Lorcas Sprache verlebendigen sollte. Schuhtrippeln unterstützte diesen Klang des Bösen – zuerst leise, dann unheilvoll crescendierend. Dieses akustisch starke Bild mündete in Flamenco-Klischees. Leider waren zudem die sprachlichen, schauspielerischen Leistungen bescheiden. Und das Blutbad im Wäldchen? Das mutierte zu einem rockmusikalischen Gruftie-Musical (Musik: Luka Ivanovic), das die geistige Ödnis vollends entlarvte. Es gibt Schultheater, die Größeres leisten. (Marco Frei)

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