Was ist das Problem einer nur halbseitig befahrbaren Luegbrücke am Brenner schon gegen die Schwierigkeiten der Kaufleute, Soldaten, Pilger auf dem Weg nach Italien im späten Mittelalter! Immerhin: Nur 14 Tage brauchte man damals in normalem Reisetempo von Nürnberg nach Venedig. Und wer es besonders eilig hatte, war in vier Tagen dort. Denn die Via Norimberga war eine der wichtigsten Handels- und Reiserouten zur Serenissima, der venezianischen Seerepublik.
Selbstverständlich spielt der Weg vom aufblühenden Handwerks- und Handelszentrum zum „Tor zur Welt“ eine wichtige Rolle in einer Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums, die Nürnberg Global 1300–1600 heißt und nach einem Dutzend Kapiteln wie „Der Weg der Portugiesen nach Indien“ oder „Europäisches Überlegenheitsgefühl“ den begeisterten und zugleich erschöpften Besucher entlässt. Auch einen überraschten, denn wer wusste schon, dass Künstler am Kaiserhof in Peking Motive von Albrecht Dürer in ihre Werke integriert haben?
Nur wenige Leihgaben waren nötig
Natürlich hat das Germanische Nationalmuseum Schaustücke genug, um dieses weltumspannende Thema darzustellen, man brauchte nur wenige Leihgaben aus Erlangen, Wien oder Madrid. Es ist ohnehin das Bestreben des Museums, so erklärte Direktor Daniel Hess bei der Pressekonferenz zur Eröffnung, seinen immensen Fundus mehr und wissenschaftlich fundierter ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Sicher auch durch einen in jeder Beziehung schwergewichtigen Katalog, dessen Kapitel sich zum Teil lesen wie historische Krimis. Wenn etwa von Nürnberger Kaufleuten die Rede ist, die auf Kuba Minen auf der Suche nach Bodenschätzen betrieben – mithilfe von Sklaven natürlich.
„Global“ heißt als Ausstellungstitel auch schon „Globalisierung“, heißt nicht nur Handel, sondern auch Krieg: Nürnberger kämpften mit den Portugiesen an der Ostküste Afrikas und in Indien. Und so beginnt die Nürnberger Reise um die Welt denn auch mit einem Prunkstück aus dem Grünen Gewölbe von Dresden: einem Lavabo mit Wasserschale und Kanne, aus Holz mit Perlmuttplättchen in der Mode des Manierismus und in Gujarat-Technik zwischen 1540 und 1580 in Indien gefertigt und ein Dutzend Jahre später in Nürnberg durch den Goldschmied Nicolaus Schmidt fantasievoll überarbeitet.
Das ist tatsächlich ein „Paukenschlag“ zu Beginn der Ausstellung, auch wenn hinter ihm „Beckenschlagerschüsseln“ aus der gleichen Zeit leuchten: aus gewöhnlichem Messing und eine seriell gefertigte Massenware, die dem exotischen Luxus hier gegenübergestellt wird.
Schnell nimmt einen danach eine Gegenüberstellung von Weltglobus und Nürnberger Stadtmodell mit hinaus in die weite Welt. Nürnberg profitierte an Bekanntheit durch die Besuche der Kaiser und die Heiltumsschau der Reichskleinodien, man beteiligte sich an den spanischen Explorationen im amerikanischen Bergbau, verkaufte Waffen für die Eroberungen und kaufte Luxusgüter und Gewürze für den heimischen Konsumenten.
Das ist in der Ausstellung leicht darstellbar mit Kettenhemd und Plattenharnisch oder den großen Buchseiten vom Tomatenstrauch oder einem hinreißenden Barett aus Straußenfedern für den Patrizier Christoph Kress von Kressenstein (1530). Die Handels- und Netzwerke werden auch dokumentiert durch einen Altar für die deutschen Kaufleute in Breslau und durch detailgetreue Darstellungen aus dem Moskowiter-Reich. Diese dienten auch Informationszwecken für die Händler, die so erfuhren, was sie im russischen Eis erwarten würde.
Nach 20 Jahren gelang die Flucht
Die zwischen Austausch und Angst pendelnden Beziehungen zum Osmanischen Reich, die Faszination für den neuen Gegner und Partner werden durch Waffen wie ein vollständiges Pfeil-und-Bogen-Set oder durch die Übernahme osmanischer Ornamente etwa durch Albrecht Dürer illustriert. Und durch die Bemerkung: „Nürnberg unterstützt den Krieg gegen die Türken mit Soldaten, Waffen und einer „Türkensteuer“.
Abwechslungsreich werden Exponate und Schriftquellen präsentiert: Da entdeckt man auch das biografische Büchlein eines Geschützgießers, der für 20 Jahre in osmanische Gefangenschaft geriet und dem dann mit venezianischer Hilfe die Flucht gelang: Jörg von Nürnberg.
Auf ihrem Weg nach Ostindien verfolgt man die Werke und Anregungen Albrecht Dürers, die zusammen mit den portugiesischen Diplomaten ihren Weg in prachtvolle indische Buchmalereien fanden. Die Kuratoren der Ausstellung haben auch Druckstöcke entdeckt, mit denen man die Berichte eines Balthasar Springer aus Tirol sichtbar macht, der von den exotischen Absonderlichkeiten in Ostafrika berichtete: von Vielweiberei und Kannibalismus.
In die Flotte von 20 Schiffen hatten auch Nürnberger Patrizier investiert. Auf den Spuren von Dürers Rhinocerus bis in die Inselstadt Tenochtitlan der Azteken und zum Sklavenhandel nach Amerika: Nürnberg war immer und überall dabei. (Uwe Mitsching)
Bis zum 23. März 2026. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
www.gnm.de
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