Längst hört man sie nicht nur im Kino, sondern auch in Konzertsälen: Filmmusik aus „Star Wars“, „Harry Potter“ oder „Das Boot“. Wie man sie komponiert, kann man an der Hochschule für Musik in München studieren. Dort treffen sich am 5. März Profis und Nachwuchs der Branche mit dem Publikum zur „Nacht der Filmmusik“.
007 – da assoziiert mancher noch vor den Gesichtern der Schauspieler, die den Superagenten geben, das 60 Takte lange James Bond Theme. Das hat man im Ohr, kann es gassenhauermäßig genauso schmissig „da da“- skandieren wie Darth Vader’s Theme alias den Imperial March aus Star Wars. Verträumtere Gemüter summen vielleicht lieber ein leises Moonriver (aus Frühstück bei Tiffany) oder Hedwig’s Theme aus Harry Potter.
Eine Art Metasprache
Film und Musik – eine Symbiose, seit die Bilder das laufen lernten. Und zwar nicht nur, um Regiefehler zu kachieren, wie Regisseur Michael Haneke einmal meinte. Die Musik macht den Film zum synästhetischen Erlebnis. Filmkomponisten erzählen und vervollkommnen die Geschichte in einer Art Metasprache: Was wäre der Blick eine dunkle Kellertreppe hinunter ohne bedrohliches Bass-Gegrummel? Was eine Liebesromanze ohne Geigenschmelz? Oder man stelle sich vor, es wäre bei Alfred Hitchocks Plan geblieben, den legendären Mord unter der Dusche in Psycho musikalisch unkommentiert zu lassen. Gellen nicht die schrillen Geigenklänge wie die Schreie des Opfers, überhöhen die Bestialität der Tat? Filmkomponist Bernard Herrmann konnte den Altmeister des Films damals doch noch überzeugen.
„Heute würde diese Sequenz vielleicht ein Sounddesigner gestalten“, überlegt Michael Lauterbach. „Filmmusik mit großer Orchestermusik ist teuer.“ Davon träumen tut er aber, der Student der Münchner Musikhochschule: „So mit voller Orchesterbesetzung und in epischer Wucht“ würde er zum Beispiel gerne eine BBC-Dokumentation über die Entstehung der Erde musikalisch begleiten.
Michael Lauterbach studiert Filmkomposition. Und ist es gewohnt, erst einmal mit kleinem Budget auszukommen: „Das ist in Deutschland sowieso die Regel, anders als in den Vereinigten Staaten“, sagt er und fügt wie zum Selbsttrost hinzu: „In der amerikanischen Filmmusik ist mir zuviel Mainstream. Da ist es bei uns oft reizvoller, wenn man mit wenig Geld auskommen muss und deshalb nur für kleinere Ensembles komponieren kann. Gerade habe ich zum Beispiel etwas geschrieben mit einer Ein-Mann-Besetzung pro Instrumentengruppe.“
Auch die Kooperationen mit den Kollegen von der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München bringen nicht das große Geld – hier geht es ohnehin ums miteinander Experimentieren, ums Erfahrungen sammeln. Zum Beispiel, wie es ist, wenn man kurzfristig einspringen muss, weil der Film schon fertig ist: „Da musste ich ganz schnell was auf die Beine stellen. Ich habe aber trotzdem die Musik nicht einfach aus Samples aufgebaut, sondern noch ein paar Instrumentenlinien mit richtigen Musikern komponiert. Das klingt einfach plastischer.“
Abgesehen von solchen Notfällen: Welche Rolle spielt ein Filmkomponist bei der Filmentstehung, wie frei ist er beim Komponieren? „Das hängt vom Regisseur ab. Ganz häufig wird Filmmusik zur reinen Dienstleistung. Toll ist es natürlich, wenn der Regisseur den Komponisten als Künstler an seiner Seite akzeptiert“, sagt Sophia Pfleger, die ebenfalls Filmkomposition in München studiert und schon viel als Assistentin von Filmkomponisten lernen konnte.
Das Ego zurückstellen
Auf Gratwanderung – so sieht sich Michael Lauterbach als Filmkomponist: Einerseits dränge das künstlerische Selbstbewusstsein gerne in den Vordergrund. Andererseits dürfe sich der Komponist nicht zu sehr unterordnen. Die richtige Balance müsse er von Projekt zu Projekt neu finden.
„Anders als die absolute Musik hat Filmmusik keinen Selbstzweck“, sagt Sophia Pfleger, die damit vielleicht deswegen kein Problem hat, weil sie mit einem anderen Standbein auch in der freien Musikszene unterwegs ist. Und sie klammert natürlich FilmSongs aus, die von Popstars stammen oder für sie geschrieben wurden und die Hitparaden stürmen – beispielsweise Adele mit ihrem Titellied zum James Bond-Film
Skyfall.
Und doch hört man auch die orchestrale, regelrecht sinfonische Filmmusik immer öfter außerhalb der Kinos in Konzertsälen. Renommierte Orchester geben Abende nur mit Kompositionen von John Williams
(E.T., Star Wars, Jurassic Park, Superman, Indiana Jones, Sieben Jahre in Tibet und viele mehr) oder Hans Zimmer (
Rain Main, König der Löwen, Sherlock Holmes, 12 Years a Slave und viele mehr).
Das sind die Oscar- und Grammy-Preisgekrönten im Olymp der Branche – die HFF-Studenten wagen nicht einmal daran zu denken, dass sie auf der Karriereleiter ebenfalls dort hinauf kommen. Sowohl Sophia Pfleger als auch Michael Lauterbach betonen die realitätsnahe Ausbildung an der Musikhochschule: „Wir werden als freischaffende Künstler ausgebildet, das Studium bereitet uns gut auf die vielen Möglichkeiten vor.“
Tontechnik, Ensembles dirigieren und leiten, komponieren für orchestrale ebenso wie für elektronische Musik, Notzensätze schreiben, Sounds entwickeln – seiner Aufzählung fügt Michael Lauterbach (der ohnehin schon in mehreren Berufen gearbeitet hat, und zwar als Bankkaufmann, Fernsehredakteur, Mediengestalter) vor allem hinzu: „Man muss nicht nur für große Kinofilme komponieren wollen. Viele Möglichkeiten bietet die Werbung, ich habe auch schon für eine Firma einen Jingle für die Telefonwarteschleife geschrieben. Und zunehmend fragt die Gamesbranche nach charakteristischen Kompositionen.“
Freilich buhlen um Aufträge für Filmmusiken nicht nur studierte Filmkomponisten – den Auftraggebern ist das Diplom meist egal. Oft sind es arrivierte Musiker, egal ob aus der E- oder der U-Musik, die für Filme und Games komponieren. Bedeutendes Beispiel ist der Jazzer und Gründer der legendären Gruppe Passport (mit Udo Lindenberg am Schlagzeug) Klaus Doldinger: Schon immer arbeitete er auch für die Werbung (Pril), schrieb einst den Trailer zur Einführung des Farbfernsehens, von ihm stammt auch die Titelmelodie zum
Tatort; weltweiten Erfolg bescherte ihm die Filmmusik zu
Das Boot.
Stargast Klaus Doldinger
Nun besucht er die Hochschule für Musik – als Stargast in der Nacht der Filmmusik am 5. März. „Best of“ heißt es an diesem Abend: Songs und Melodien aus über 30 Kino-, TV- und Dokumentarfilmen stehen auf dem Programm; unter anderem spielt das Münchner Rundfunkorchester, und Klaus Doldinger wir wohl auch zu seinem Saxofon greifen. Einige weitere Programmpunkte: Studierende der Musikhochschule präsentieren ihre Vertonungen von Filmen ihrer HFF-Kommilitonen. Tobias PM Schneid stellt seine Neukomposition für den 1927 gedrehten Klassiker
Berlin. Die Sinfonie der Großstadt vor, der anlässlich des Münchner DOK.festes im Mai uraufgeführt werden wird. 25-jähriges Jubiläum der Münchner Tatort-Ermittler: Regisseur Max Färberböck und Kompositionsstudent Richard Ruzicka geben Preview-Einblicke in
Mia san jetzt da wo’s weh tut. (
Karin Dütsch)
Nacht der Filmmusik
5. März, Hochschule für Musik und Theater, Arcisstraße 12, 80333 München.
Eintritt: 29 Euro, vergünstigt 16 Euro
www.nachtderfilmmusik.de
BR Klassik überträgt live.
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