Kultur

Zu Begeisterungsstürmen reißt Moliers "Der Geizige" vom Würzburger Mainfranken Theater hin. Szene mit Boris Wagner als Kommissar, Georg Zeies als Koch und Kai Christian Moritz als Harpagon, der Geizige. (Foto: von Traubenberg)

30.05.2014

Bildgewaltige Spektakel

Bei den Bayerischen Theatertagen begeistern vor allem wieder Inszenierungen fränkischer Bühnen

Ist Franken die heimliche Theaterhochburg Bayerns? Wenn die 32. Bayerischen Theatertage an diesem Wochenende zu Ende gehen, fanden sie nicht nur zum dritten Mal in Erlangen statt, sondern auch bereits zum 19. Mal in Franken. Und auch im nächsten Jahr macht Bayerns größtes Theaterfestival wieder in Franken Station: in Bamberg.
Als sich zur Eröffnung der diesjährigen Theatertage Klaus Zehelein mit seiner Rede als Präsident der Münchner Theaterakademie August Everding verabschiedete, beschwor er die Vielfalt der bayerischen Landschaft, wie sie sich alljährlich bei den Theatertagen präsentiert, die der legendäre Münchner Generalintendant August Everding 1983 in Nürnberg aus der Taufe gehoben hatte.
Dass sich diese Vielfalt vor allem in Franken zeigt, bewies die Leistungsschau der Bühnen auch dieses Mal wieder: Die Höhepunkte des Festivals, an dem sich 28 kommunale, staatliche und private Bühnen mit insgesamt 47 Inszenierungen beteiligten, kamen vorwiegend von Theatern aus Franken.
So begeisterte gleich zum Auftakt des Festivals das Theater Erlangen mit einer furiosen Inszenierung von Georg Büchners Revolutionsdrama Dantons Tod: Ein bildgewaltiges Revolutionsspektakel, das mit plakativen Effekten vor Augen führt, wie eine Revolution, die sich – wie die französische – „Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit“ auf die Trikolore geschrieben hatte, in den Revolutionsterror umkippen kann und ihre eigenen Kinder frisst.

Banker in Barock-Klamotten

Das komödiantische Kontrastprogramm dazu kam ebenfalls von zwei fränkischen Theatern: das Mainfranken-Theater Würzburg münzte mit Molières Der Geizige die Geldgier auf die Bankenzocker und Finanzhaie des Kapitalismus um, steckte die Spekulanten wie Habenichtse allerdings in bunte Barock-Klamotten, ließ sie hochhackig auf Kothurnen über die Bühne staksen und staffierte sie mit abenteuerlichen Frisuren und Perücken aus. Diese Kostümierungsorgie riss das Publikum zu Beifallsstürmen hin.
Die heimste auch das Theater Fürth mit einem weiteren Molière ein, mit der Ballett-Komödie Die Lästigen: eine chaplineske Valentinade mit Gags und Slapstick zur Musik von Jean Baptiste Lully, dem Hofmusikus Ludwig XIV.
Eher bemüht nahm sich dagegen Schillers einstiges Skandalstück Die Räuber in der Fassung des Landestheaters Coburg aus: die Revoluzzer als wilde Straßen-Gang, die – vor einem dürftigen Bühnenbild – in Straßenklamotten die Aufbruchsstimmung des Sturm-und-Drang in die Gegenwart zu holen und die Zuschauer aus dem Parkett heraus zum Protest aufzuwiegeln versuchen. Doch solch effekthascherisches Deklamationstheater enthüllt nicht hohle Klassik, sondern endet in hohlem Pathos.
Nur einmal unterläuft die Coburger Inszenierung solches Konventionstheater, dann nämlich, wenn sie sich in die aktuelle Debatte um Recht und soziale Gerechtigkeit einmischt und wortgewaltig aus dem Kommunistischen Manifest oder der französischen Streitschrift Der kommende Aufstand eines revolutionär gesinnten „Unsichtbaren Komitees“ zitiert, das vor einiger Zeit in Europa zirkulierte und für Aufsehen sorgte – und das Festivalpublikum im Erlanger Markgrafentheater betroffen machte.
Betroffenheit löste auch die Uraufführungsinszenierung des Münchner Residenztheaters aus, das mit Urteile, einem dokumentarischen Theaterprojekt über die Münchner Opfer des rechtsradikalen NSU, ganz aktuell auf den derzeit laufenden Prozess gegen die landauf landab in Deutschland mordende Gruppe der Neo-Nazis einging. Als „Döner-Morde“ verharmlost und von den ermittelnden Behörden anfänglich in die türkische Parallelgesellschaft abgeschoben, prangert die eindrucksvolle, wenn auch spannungslos Aussage an Aussage reihende Aufführung offen rassistisches Verhalten und latente, aber in der Gesellschaft weit verbreitete fremdenfeindliche Vorurteile an, Ressentiments, die wohl erst das Klima für Gewalt bis hin zum Mord schaffen.
Vielversprechend nahm sich die Uraufführung Kafka des Theaters Belacqua aus Wasserburg aus, das Erzählungen Franz Kafkas ganz buchstäblich vernetzte: Die Schauspieler hängen allesamt an miteinander verbundenen Gummiseilen und rezitieren wild durcheinander Textpassagen, die sich freilich nur dem textsicheren Kafka-Kenner erschlossen. Dazu spielte eine Live-Band völlig unpassende Ohrwürmer aus Oldie-Schlagern und Operetten-Melodien: ein Kafka-Ballett, dessen mehr oder weniger einfallsreiche Effekte sich jedoch sehr schnell abnutzen und ein ratloses Publikum zunehmend langweilen.

Nichts und Nonsens

Eine Wirkung, die sich bei so manchem Zuschauer auch in der Grauen Stunde der Münchner Kammerspiele einstellte. In einer minimalistisch arrangierten Begegnung eines Mannes und einer Frau in einem (als Guckkasten ausgestellten) Hotelzimmer verdichten – nach dem Text der ungarischen Autorin Agota Kristof – die mysteriösen, existenziell anmutenden Unterhaltungen des sich offenbar immer wieder begegnenden Paares zu einem magischen Realismus, zu einer Magie der Stille, die im Nichts, manchmal aber auch im Nonsens endet.
Vielleicht machen gerade diese Höhen und Tiefen, die auch vor Renommierbühnen und Staatstheater nicht Halt machen, die traditionellen Bayerischen Theatertage aus, die ja immer auch mit Kinder- und Jugendtheater aufwarten. Das Publikum jedenfalls honorierte diese Präsentation der bayerischen Bühnen gebührend – und sorgte für eine satte Auslastung der Plätze an den verschiedenen Spielstätten. (Fridrich J. Bröder)

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