Kultur

Richard (Guido Wachter) wird von Geistern heimgesucht. (Foto: Martin Sigmund)

19.11.2021

Das Bürschchen pokert knallhart

Die Regensburger Inszenierung von Shakespeares „Richard III.“ zeigt, wie man auf dem Tyrannenthron landet

Zu Beginn spielen zwei Mädchen Diktatoren-Quartett. Da gilt immer jener Diktator als Stich, der mehr Tote zu verantworten hat. Die feengleichen Mädchen sitzen auf einer roten Rampe, die von der Bühne aus bis zum Zuschauerraum reicht wie eine ausgestreckte Zunge. Das öffnet den Raum hin zu einer Art Käfig, in dem wie ein Kanarienvögelchen der gelb gewandete Richard zu Hause ist.

Er hat zunächst mit dem ihm von Shakespeare zugewiesenen „Winter unseres Missvergnügens“ zu kämpfen und mit den höfischen Sitten, die ihm eigentlich nur einen Platz unterhalb des Königtums zuweisen. Richard kennt die Methoden und Mittel, das zu ändern. Es sind die Methoden und Mittel des Hofstaats. Und schon geht’s los. Richard wird diese Methoden einfach rücksichtslos und ganz auf das eigene Machtstreben hin nutzen.

Charmant und clever

Er ist in dieser dichten, dynamischen, spannenden Inszenierung von Richard III durch Georg Schmiedleitner kein Ungetüm, kein ungeschlachter Schlächter, sondern ein charmantes, cleveres Bürschchen, das sich um wenig mehr kümmert als um seine Träume. Er nutzt, was ihm hilft, beseitigt, was ihm im Weg steht. Rhetorisch stellt er sein Tun als gut und richtig hin. Auf hehre Worte fällt man halt gern rein: Beim Herrschen hilft die Deutungshoheit. Helfer packt er bei ihrem Egoismus oder setzt sie unter Druck: Machtmenschen müssen ihre Drecksarbeit ja nicht unbedingt selbst machen.

Erst, als er König ist, verliert er seinen Schwung: Der Weg war das Ziel. Glitzerfummel (Kostüme: Cornelia Kraske) aus einer vagen 1960er-Jahre-Fernsehunterhaltung und ein aus dem Käfig gewordener Spielkasten (Bühne: Stefan Brandtmayr), der auf der Bühne herumkurvt, werden nun Elemente einer Bühnenshow, in der es um die verschiedenen Ebenen der Machtmechanik geht. Und die sind vollkommen zeitlos. Deshalb ist es keine tieftraurige Plärr-Tragödie, die Schmiedleitner hier anlegt, sondern eine Studie der kaltblütigen, kriminellen Karrieresucht. Da kann sich das Publikum gern selbst seinen Reim drauf machen.

Guido Wachter jedenfalls stellt keinen Psychopathen dar, sondern einen eiskalten Mann, der erstaunlich viel Wärme produzieren kann. Schauspielerisch ist das eine Meisterleistung: Richard als leidenschaftliches, großes Kind, das ein Mordspiel spielt. Als König muss er sich erst einmal die Hände vom Blut reinigen. Er kommt zum Königtum und feiert in einem riesigen Ornatsmantel.

Meisterlich spielt ein großartiges Schauspielensemble ihm zu. Die Frauen sind die passiven Opfer in Shakespeares machtgieriger Hofstaatsorgie. Franziska Sörensen ist eine Königsmutter mit scharfkantigem Hass, Verena Maria Bauer zischt als Lady Anne wie eine sehr giftige Schlange, Katharina Solzbacher sucht als Königin Elizabeth Haltung in der pausenlosen Pein, Frau und Mutter von Richards Konkurrenten zu sein.

Wie ein Studienseminar

Dieses Frauentrio formiert den Schmerzraum der Handlung, die Männer sind im windschlüpfrigen Raum der Politik zu Hause: Gero Nievelstein, David Markandeya Campling, Thomas Weber und Kristóf Gellén geben ihren verschiedenen Figuren markante Haltung und Charakter, so wie Michael Haake als Buckingham dessen Doppelbödigkeit feinsinnig demonstriert: Er ist ein Machtmensch wie Richard.

In zwei zentralen Szenen steht Gerhard Hermann im Mittelpunkt. Einmal ist er als der schon leicht tattrige König Edward IV. eine hochkomische Figur, die sich eine harmonische Welt zurechtzimmern will. Und einmal ist er ein Bürgermeister, der von Richard und Buckingham auf Linie gebracht werden muss, um sich anschließend Erstgenannten zum König zu wünschen: eine schöne Szene der Wirkkraft der Manipulation. Um die geht es insgesamt in dieser Inszenierung, die Shakespeare als Machtmechaniker zeigt: ein Studienseminar über den Weg zum Tyrannenthron. (Christian Muggenthaler)

 

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