Kultur

Im Biedermeier fand das bürgerliche Leben ausschließlich drinnen statt. (Foto: Museum im Kulturspeicher)

05.01.2012

Das traute Heim im Wandel der Zeit

Eine Ausstellung im Würzburger Kulturspeicher widmet sich der Ästhetik des Zuhause

Im Biedermeier war das Interieur ein abgeschotteter Raum, in dem das bürgerliche Leben stattfand. Drinnen hatte man es gemütlich, da war man sicher. Das Würzburger Museum im Kulturspeicher nahm sich nun des Themas „Zimmer. Küche. Bad“ an und holte dazu Bilder vom 19. bis 20. Jahrhundert aus dem Depot; zeitgenössische Werke komplettieren die Ausstellung, stehen dazu in anregendem Dialog, oft auch in witzigem Kontrast. Dabei entpuppt sich das vermeintliche Idyll aus vergangener Zeit oft als bloßer Schein, sogar als einengende Norm.


Düster und schwer


Damit vor über 100 Jahren die Beschränkung auf den kleinen, oft abgedunkelten Raum nicht so spürbar wurde, bediente man sich der optischen Weitung durch Spiegel. Auf Gemälden von Leimgrub oder Lütgendorff-Leinburg wird dies deutlich. Das „schönste Zimmer Würzburgs“ aber wurde 1905 von Joseph Oppenheimer gemalt, nämlich das Spiegelkabinett der Würzburger Residenz. Es wirkt in seinen flirrenden Lichtreflexen vor dunklem Hintergrund irgendwie irritierend. Gleich gegenüber darf der Besucher den modernen Kontrast spielerisch erleben, wenn er Kästen öffnet, die Ausstattung im Puppenstubenformat enthalten. (Friedrich Fehr, Esszimmer im Haus des Künstlers, undatiert, Öl auf Leinwand) Die Wohnzimmer des vorigen Jahrhunderts hatten oft etwas Düsteres, Schweres an sich. Dagegen ist die transparente Drahtgestell-Möblierung von Thomas Raschke (2001) zwar formal recht interessant, aber völlig funktionslos. Bürgerliche Räume erschließen sich Malern wir Slevogt, Fehr, Reifferscheid oder Breyer vor allem durch Licht, das hell von außen einfällt, während das Interieur von Bauernstuben bei Absolventen der Münchner Kunstakademie von dunklen Brauntönen beherrscht wird. Ganz in intime Bereiche führen Badeszenen, wobei die modernen Zeichnungen von Beate Spalthoff den Betrachter durch ihre haptische Wirkung bewusst täuschen. Auch Gaststuben gehören zum Thema; ein begehbares Ein-Mann-Wirtshaus aus Pappe ist eine moderne Spielerei.


Picassos Atelier


Natürlich änderte sich die Einrichtung einer Wohnung im Lauf der Jahrzehnte; die Porträts der stolzen Bewohner als Inszenierung vor ihren Möbeln spiegeln auch den Stilwandel in der Darstellung. Dass vieles von der früheren Innenausstattung nur noch in Abbruchhäusern zu sehen ist, dokumentiert die nostalgisch und gleichzeitig melancholisch anmutende Fotoserie von Valentin Schwab.
Einen Schritt weiter geht Susanne Kutter: In ihren Objektkästen, Videos und Fotos ist der Verfall schon weit fortgeschritten, Insekten haben die leeren Räume erobert, wie in den schlimmsten Gruselfilmen. Auch in den verlassenen Wohnungen, die Joanna Schulte fotografierte, geistern noch irgendwelche Wesen herum, kaum bemerkbar. Und Fertigmöbel als raumgreifende Aktion, veränderbare Steckmöbel oder gemalte Einrichtung als Bestandteil verwirrender Muster gibt es auch zu sehen. Das ureigenste Zimmer eines Künstlers aber ist sein Atelier; auch dies fand Eingang in Bilder und Fotos, von Picasso bis zu Zustandsbeschreibungen als mehrteilige Serie. Die Ausstellung hat noch bis Sonntag, 22. Januar geöffnet. (Renate Freyeisen)

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