Kultur

Die Augen mögen einem übergehen vor lauter Schaulust in den Ausstellungssälen. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Haydar Koyupinar)

19.05.2023

Der Glanz früherer Tage

Nach 16 Jahren der Renovierung und Neugestaltung erzählt Schloss Johannisburg in Aschaffenburg wieder von fürstlicher Pracht

Das schon von außen imponierende Schloss Johannisburg hoch über dem Maintal in Aschaffenburg beeindruckt nun noch mehr auch von innen: Nach über 16-jähriger Bauzeit mit Kosten von rund 16,5 Millionen Euro wurden die renovierte und umgestaltete Staatsgalerie Aschaffenburg, die fürstlichen Wohnräume und die Paramentenkammer wiedereröffnet.

Die Geschichte des Schlosses ist wechselvoll. Es fungierte einst als Nebenresidenz der mächtigen Mainzer Kurfürsten. Einen Großteil seiner kostbaren Kunstsammlungen verdankt es der Flucht zweier Kirchenfürsten. Als die Franzosen im 18. Jahrhundert Mainz besetzten, sah sich Kurerzbischof Friedrich Karl Joseph von Erthal 1793 genötigt, seine wertvollen Sammlungen von Kunst und liturgischen Preziosen dort vor der Soldateska in Sicherheit zu bringen. Auch einer seiner Vorgänger, Kardinal Albrecht von Brandenburg, Kurfürst von Mainz, der sein Bistum Halle ausgeplündert hatte und von den Anhängern Luthers von dort vertrieben wurde, rettete einen Teil seiner Schätze (darunter Arbeiten von Lucas Cranach und seiner Werkstatt) nach Aschaffenburg. Sie wurden in der dortigen Stiftskirche bis zur Säkularisation verwahrt und fielen 1814 zusammen mit dem Inventar des Schlosses ans Königreich Bayern.

Türen stilecht nachgebaut

Die umgestalteten Räume des Schlosses, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, lassen noch immer die einst kurfürstliche Prachtentfaltung ahnen. Als optische Verbindung zwischen der Schlossfassade und dem modernen Innenausbau können die Holztüren zwischen den einzelnen Räumen verstanden werden, die im Stil der Renaissance nachgebildet wurden. Zum herrschaftlichen Ambiente trägt die Staatsgalerie bei: Mit 253 Bildern ist es die größte Ansammlung von Gemälden außerhalb Münchens.

Im ersten Stock, ursprünglich die Beletage mit den fürstlichen Wohnräumen, vermittelt der große Saal mit 153 Gemälden, wie Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal (1719 bis 1802) seinen Gästen mit einer Fülle von Kunst imponieren wollte. Dicht an dicht sind die Bilder frisch restauriert in goldenen Rahmen in barocker Hängung vor ochsenblutroter Wandbespannung präsentiert. Zwar ist nicht alles, was man da sieht, von höchster Qualität, doch die Bilder zeugen vom Geschmack und den Vorlieben des Sammlers. Man kann über der Reihe von Evangelistenporträts aus der Rubens-Schule oberhalb der historisierenden Lambris rundum bis hoch an die Decke alle möglichen Themen der Malerei entdecken.

Beschattete Fenster

Im Turmzimmer mit blauen Wänden und weißer Säule in der Mitte befindet sich der Passions-zyklus des letzten Rembrandt-Schülers Arent de Gelder (1645 bis 1727): Unverkennbar ist der Stil mit lichten Mittelpunkt-Darstellungen vor dunklerem Grund. Die Aussicht vom Turmzimmer auf Stadt, Fluss und das Pompejanum kann man durch die Fenster nur gedämpft genießen, denn sie sind aus klimatischen Gründen und zum Schutz vor Helligkeit doppelt verglast und „beschattet“.

Die anschließende Enfilade führt in Räume mit grüner Wandbespannung. Dort hängen schöne Beispiele der niederländischen Malerei: vornehmlich Landschaften etwa von Salomon und Jacob van Ruisdael, Flusslandschaften von Jan Brueghel d. Ä., Stillleben von Jan Davidsz. de Heem und auch ein vielfiguriger Auszug der Israeliten aus Ägypten von Frans Francken d. J.

Die volle Breite der Seite zum Main hin nimmt die Cranach-Sammlung ein: vor grauen Wänden und unter einer speziellen „Lichtdecke“. Da erinnern die Flügelbilder vom Engel-Altar der Stiftskirche zu Halle an den ursprünglichen Auftraggeber Kardinal Albrecht. Berühmt sind auch Christus und die Ehebrecherin, lieblich die Maria mit Kind und dem Johannesknaben, und der Zug der Israeliten durch das Rote Meer erstaunt durch die dramatische Interpretation. Außerordentlich ist auch die Darstellung der Kreuzigung beim Kalvarienberg von Hans Baldung gen. Grien, dessen Bilder äußerst selten sind – ganz im Gegensatz zu den Produktionen des erfolgreichen Maler-Unternehmers Cranach, der für Katholiken wie Protestanten arbeitete.

Das Cranach-Bildnis des stolzen Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg in repräsentativer Aufmachung leitet über zu den textilen Kostbarkeiten, die ein kirchlicher Würdenträger bei festlichen liturgischen Anlässen trug. Diese Paramente, Stolen und Messgewänder sind in einem geradezu mystisch-geheimnisvollen Raum präsentiert, in einer Dunkelinszenierung bei Schwarzlicht, um die kostbaren Stoffe zu schonen. Man sieht das prachtvolle Pluviale, also den Zeremonienmantel, des Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg mit seiner plastischen, goldglänzenden Seidenstickerei. Schön anzuschauen ist auch der Mantel aus geprägtem roten Samt. Ein besonderes Prunkstück ist das blaugrundige, silberne Ornat des Hugo Franz Karl Graf von Eltz-Kempenich mit den in Gold umwundenen Bändern mit Leopardenfellmuster.

Ein Gegenstand religiöser Verehrung war auch das historisch bedeutsame Futteral für die Aufbewahrung des sogenannten Schweißtuchs der Veronika aus dem Besitz der heiligen Bilhildis.

Originale aus der Kirche

Ein besonderes Highlight ist die leider nur sechs Monate zu sehende, über und über mit Perlen bestickte Mitra des Schloss-Erbauers Johann Schweikhard von Kronberg; sie wiegt etwa 4 Kilogramm.

Schließlich gelangt man auf die Fürstenempore über der Schlosskirche mit dem Blick auf den grandiosen Alabaster-Altar des Hans Juncker (1582 bis 1624). Ein Silberleuchter, ein Kreuz und ein ausklappbarer Betstuhl gehören zur Originalausstattung der Kirche, in die man auf dem Rundgang hinabsteigen kann.

Im zweiten Stockwerk sind zur Mainseite hin die privaten fürstlichen Wohnräume mit klassizistischen Möbeln vor schimmernden Seidentapeten unter Stuckdecken zu besichtigen. Davor aber ist noch eine herrschaftliche Bildergalerie vom Ende des 18. Jahrhunderts zu betrachten: in einheitlich klassizistischen Rahmen vor hellen, goldgelben Wänden. Zusammengetragen hat sie Kurerzbischof von Erthal: Man entdeckt viele Pendant-Paare, Werke von flämischen und deutschen Malern, häufig mit romantisch angehauchten Motiven.
Diese Bilderfolgen der Staatsgalerie schließen ab mit Aschaffenburger Ansichten von Ferdinand Kobell und einem Mainz-Zyklus von Christian Georg Schütz d. Ä. mit kurfürstlichen Residenzen in weiten Panoramalandschaften und lebendigen, reizvollen Rokoko-Staffagen. Im Gegensatz zu den Gemälden im ersten Stockwerk sind diese Bilder auch betitelt.
Die Besichtigung all dieser Kunstschätze ist ein anregendes, überwältigendes Erlebnis und lohnt einen Besuch auch des Festwochenendes am 13. und 14. Mai im Schloss bei freiem Eintritt. (Renate Freyeisen)

 

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