Kultur

Rigoletto (Aris Argiris, hier mit Holger Ohlmann als Graf von Ceprano) ist wie der „Joker“ geschminkt, doch im Gegensatz zur Filmfigur ist er nicht von der Gesellschaft zum Bösen getrieben, sondern ist selbst Teil gesellschaftlicher Bösartigkeit. (Foto: Pogo Zach)

07.02.2020

Der Hofnarr als böser Joker

Spannendes Psychospiel: Herbert Föttingers Neuinszenierung von „Rigoletto“ am Münchner Gärtnerplatztheater

Er ist wie ein Clown geschminkt, grinst breit – man kann es auch als pathologisches Lachen betrachten. Dieser Rigoletto ähnelt dem „Joker“. Das passt zum aktuellen Hype aum den elffach Oscar-nominierten Film von Todd Phillips mit Joaquin Phoenix. Beim Film setzt auch Herbert Föttinger in seiner Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Rigoletto am Gärtnerplatztheater an. Seine Regie betont die psychologische Sicht. Das ist sehr viel spannender als die letzten beiden Neuinszenierungen dieses Dreiakters an der benachbarten Bayerischen Staatsoper von Doris Dörrie und Árpád Schilling. In der Sicht von Dörrie war man 2005 auf den Planet der Affen katapultiert worden. Bei Schilling gähnte hingegen 2012 über weite Strecken deutungslose Reduktion.

Doch es gibt einen Haken: Im aktuellen Joker-Film wird deutlich, wie sehr das Böse vom System selbst gemacht wird. Joker wurde von der Gesellschaft stets gemobbt und misshandelt. Ganz anders Rigoletto: Er ist von Anfang an Teil eines pervertierten Systems. Für den Herzog von Mantua organisiert er die Entführungen und faktischen Vergewaltigungen junger Frauen. Bereits im Versdrama Le roi s’amuse von Victor Hugo aus dem Jahr 1832, die Vorlage zu Verdis Rigoletto, wird der durchwegs fragwürdige Charakter des Hofnarren deutlich. Bei Hugo ähnelt der bucklige Narr zugleich dem Quasimodo von Hugo. Beide vereinen äußere Hässlichkeit mit Hochherzigkeit.

Vorhersehbares Spiel

Natürlich weiß das auch Föttinger: Seinem Rigoletto nimmt man die Joker-Maske genauso wenig ab wie die Nonnenkutte, die Ausstatter Alfred Mayerhofer für Giovanna geschneidert hat. Sie ist die Gesellschafterin von Rigolettos Tochter Gilda. Beide haben es faustdick hinter der Clownsmaske und unter der Nonnenkutte.

Dieses Fassadenspiel hat etwas Schablonenhaftes und ist vorhersehbar, was allerdings auch den Solisten geschuldet ist. Die große Siegerin ist Jennifer O’Loughlin als Gilda. Den späten Belcanto von Verdi hat sie nicht mit dem Verismus Giacomo Puccinis verwechselt. Mit diesem stilgerechten, kenntnisreichen Profil und ihrer einnehmenden Darstellung hat sie schöne Akzente gesetzt.

Ansonsten erreichte die Neuproduktion von Verdis Dreiakter gesanglich nicht das gewohnte Niveau. Das galt vor allem für Aris Argiris in der Titelpartie: Bei der Premiere hatte er arge Probleme mit der Intonation. Dasselbe galt für Ann-Katrin Naidu als Giovanna. Als Herzog von Mantua konnte auch Lucian Krasznec am Premierenabend nur bedingt seinen sonst so wunderbar hellen Lyrismus entfalten. Selbst der Ohrwurm „La donna è mobile“ wirkte gepresst. Als Graf von Monterone blieb Christoph Seidl farblos.
Ein Lichtblick waren Levente Páll als Auftragsmörder Sparafucile sowie Anna-Katharina Tonauer als dessen Schwester Maddalena. Unter Anthony Bramalls Leitung war das Gärtnerplatzorchester bemüht, einen Verdi abseits von Umtata-Klischees zu präsentieren. Schon die Ouvertüre fesselte mit entschlackter Transparenz, und der Herrenchor sorgte für starken dramatischen Drive. (Marco Frei)

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