Kultur

Ein Schlüsselwerk für Eva Adler: Allein war sie für die Bühne von Mozarts Kinderoper "Cherubino mischt sich ein" am Staatstheater Nürnberg verantwortlich. Danach stand für sie fest, dass sie den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollte. (Foto: Jutta Missbach)

20.02.2015

"Der Raum soll Geschichten erzählen"

Künstler, Handwerker und Manager in einem: Zwei Bühnenbildner erzählen, wie sie zu ihrem Beruf fanden

Rotierende Käfige für Fidelio in München, das Herrenzimmer der Besenbinders, das sich in einen Hexenwald verwandelt für Hänsel und Gretel in Nürnberg: Das sind reinste Bühnenbildwunder – weit entfernt von der Kulissenmalerei vergangener Zeiten. Dabei gibt es für Bühnenbildner gar kein festes Berufsbild, keine Ausbildungsordnung.
Wenn man sich durch den Online-Auftritt des Bundesverbands der Theater und Orchester klickt, findet man den „Bühnenmaler und Bühnenplastiker“ mit dreijähriger Ausbildung und Prüfung vor der IHK. Auch den „Bühnenhandwerker“ entdeckt man – ohne geregelte Ausbildung, aber mit den Voraussetzungen: Zuverlässigkeit, Teamgeist, Flexibilität, Belastbarkeit, Kenntnissen in Veranstaltungstechnik. Und endlich stößt man auch auf den „Bühnenbildner“ (oder Ausstatter, Szenograf). Dass Organisationstalent, Verhandlungsgeschick, „reiche Fantasie“, Kreativität, Pragmatismus, Wissen in Kunst- und Kulturgeschichte, zeichnerische, malerische, handwerkliche Begabung dessen Voraussetzungen sind, hatte man schon geahnt.
Wir sprechen mit Leuten der Praxis: Mit Peter Wendl von der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg – er war im vorigen Jahr verantwortlich für die erste Opern-Koproduktion von Akademie und Musikhochschule (Die Zauberflöte). Auch Eva Adler haben wir gefragt: Sie ist nach langer Assistenz am Staatstheater Nürnberg jetzt selbstständige Bühnenbildnerin.
Wendl hat den Weg über ein Kunststudium an der Akademie eingeschlagen, das 1. Staatsexamen gemacht und in der Ausbildung schwerpunktmäßig eine Klasse besucht, die auf die Frage ausgerichtet war: Wie kann ich klassische Kunstprozesse im öffentlichen Raum gestalten? In „Grafikdesign“ hat er sich mit der Szenografie beschäftigt: „Damit bin ich dann ans Theater herangerückt.“
An der „reinen Kunst“ habe ihn gestört: „Sie ist unantastbar auf einem Sockel und kommt nicht zur Handlung.“ Womit er meint, dass er Betrachter und Kunst zusammenbringen will: „Und genau das passiert im Theater. Ich erzeuge Räume, die zur Handlung werden.“ „Kunst und Bühnenbild“: Einen richtigen Unterschied sieht er da nicht.
Eva Adler hat ebenfalls ihren ursprünglich eingeschlagenen Weg verlassen: Von Weimar und einem Architekturstudium am Bauhaus zog es sie weg nach Berlin an die Hochschule für Kostüm und Bühnenbild. Schließlich folgten Bewerbungen für eine Assistentenstelle. Beide Bühnenbildner gelangten nach Jahren des Studiums an einen entscheidenden Punkt: Es stellten sich Fragen nach Netzwerken, Bekanntschaften, Empfehlungen.
Eva Adler hat am Staatstheater Nürnberg den Choreografen und Alleskönner Goyo Montero kennengelernt und wurde seine Assistentin beim Melancholia-Ballettabend und letzten Dezember dann bei der Uraufführung seines Cyrano de Bergerac. Hinzu kam ein selbst verantwortetes Staatstheaterprojekt: die Kinderoper Cherubino mischt sich ein. Danach stand der Entschluss fest: „Ich werde selbstständig.“

Sich selbst promoten

Wendl überlegt: „Eigentlich ist es einfach, auf diesem Markt zu arbeiten, wenn man gute Arbeit macht. Der Künstler muss eben sein eigener Manager, Promotor sein. Kommunikation ist wichtig, ein Netzwerk ist das Wichtigste.“
Wahrscheinlich würde auch Adler solche Sätze unterschreiben: Die Architektur allein fand sie zu „realistisch“, Arbeit im Büro, viele Zeichnungen. Das kommt bei ihr gegen die freie Arbeit, die Betonung der Kreativität, die Praktika an berühmten Bühnen (neun Monate an der Berliner Schaubühne) nicht an. Aber sie merkt jetzt bei der konkreten Arbeit doch, wie ihr die Architekturkenntnisse helfen: beim Modellbau, der Zusammenarbeit mit den Theater-Handwerkern, der Pragmatismus hinsichtlich Disposition, Werkstattzeiten, Budgetbindung, Kalkulation.
Ein ausgesprochenes Bühnenbildstudium gibt es also bis heute nicht: Aber Dresden, Karlsruhe, München, nächstens auch Nürnberg bieten ein „künstlerisch sehr freies Studium“ an, das Ästhetik, Dramaturgie einschließt. Und auch den Blick auf die Nachbarkünste: Film, Performance, Video.
Denn da sehen die Beiden übereinstimmend ihre Zukunft: in „performativen Darstellungsformen“, einer Verbindung von Tanz, Schauspiel, Musik. Wendl drückt das so aus: „Alltag in die Form von Theater bringen.“ Und Adler sagt: „Wir arbeiten mehr und mehr spartenübergreifend.“ Was man dafür braucht, aber nicht studiert und gelernt hat: „Das eigne ich mir autodidaktisch an, wenn’s sein muss auch die Arbeit mit der Nähmaschine“ (Wendl). Und auch für Adler heißt es immer wieder „learning by doing“.
Trotz vieler Gemeinsamkeiten gehen ihre Wunschvorstellungen deutlich auseinander: Sie würde am liebsten Wagners Siegfried ausstatten, „weil man sich da ausleben kann, auch auf der Kostümseite“. Ihm fehlt an der Oper „das Intensive, das ein Bühnenbild leisten muss“, und er meint damit die Inszenierung am liebsten eines eigenen Stücks ohne Schauspieler, aber mit viel Szenografie und Raumatmosphäre. „Der Raum soll die Geschichte erzählen.“
Übrigens: Wie bei allen Theaterbesessenen stellt sich die Frage, ob man von alldem „gescheit“ leben kann, nur selten. (Uwe Mitsching)

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