Kultur

Ein Bühnenbild, das signalisiert: Lohengrin steht unter Hochspannung. (Fotos: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath)

27.07.2018

Der Schwanenritter als Elektro-Schocker

Eröffnung der Bayreuther Festspiele mit „Lohengrin“: Piotr Beczala, Anja Harteros und Waltraud Meier retten eine nichtssagende Inszenierung

Manchmal sind Umbesetzungen künstlerisch erfreulich. Allerdings sind die Begründungen für die Absagen oftmals durchgeknallt. Bei den Bayreuther Wagner-Festspielen sollte eigentlich Alvis Hermanis die Neuproduktion von Lohengrin inszenieren, aber der Lette sagte ab. Seine Beweggründe wurden auf einer Pressekonferenz kurz vor der Eröffnungs-Premiere verraten. Demnach soll Hermanis erklärt haben, er könne nicht in einem Land mit einer derartigen Grenzpolitik arbeiten. Er meinte damit die Öffnung der deutschen Grenzen für Flüchtlinge vor drei Jahren.
Von ihm übernahm schließlich Yuval Sharon das Regie-Ruder.
Weitaus glaubwürdiger ist die Vermutung, dass Hermanis mit dieser Oper von Richard Wagner nicht zurechtgekommen ist. Dieser Stoff ist eben nicht so konkret wie Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann, die er vor einigen Jahren in Salzburg inszeniert hatte.
Roberto Alagna ist ehrlicher: Der Tenor sollte die Titelpartie des Lohengrin gestalten. Er sagte ab, weil er die Rolle samt deutscher Sprache nur bis einschließlich des zweiten Aufzugs habe einstudieren können. Das ließ seine Agentur offiziell erklären. Für Alagna ist Piotr Beczala eingesprungen.
Und Elsa von Brabant? Anna Netrebko sollte Lohengrins Flamme singen. Im nächsten Jahr wird sie das nachholen, wurde jetzt aber von Anja Harteros vertreten.

Glaubwürdiges Paar

Mit der Kombination Beczala/Harteros sind die Wagnerianer in Bayreuth glimpflich davongekommen, denn: Alagna als Lohengrin zu engagieren wirkt ziemlich schräg. Mit Harteros wurde hingegen die Elsa schlechthin engagiert. Bereits 2009 hatte Harteros diese Partie an der Bayerischen Staatsoper gestaltet.
Auch in Bayreuth war eine Sängerin zu erleben, die diese Rolle mit unglaublicher Intensität verlebendigte: dramatisch durchdringend und gleichzeitig überaus nuancenreich. Mag sein, dass in Bayreuth ihre Stimme in der Mittellage etwas wackelte, aber: Dieser Frau zuzuhören und zuzusehen ist eine pure Freude. Mit dem soliden Lohengrin von Beczala gab Harteros ein fraglos glaubwürdiges Paar ab.
Im Vergleich aber zum unerhört klangsinnlichen Schmelz des 2016 viel zu früh verstorbenen Johan Botha verblasst auch Beczala. Niemand kann gegenwärtig Bothas „Gralserzählung“ irgendetwas entgegensetzen, schon gar nicht Jonas Kaufmann. So betrachtet war Beczala ohne Zweifel eine glückliche Wahl.
An die darstellerische Präsenz im Spiel jene von Waltraud Meier als Gegenspielerin Ortrud kamen jedoch weder Beczala noch Harteros heran. Vor 18 Jahren war Meier zuletzt in Bayreuth zu erleben. Ihr Comeback wurde ein Ereignis.
Dieses Trio rettete eine Inszenierung, die einen langweiligen, nichtssagenden Lohengrin realisierte.

Altbackene Bühne

Wie zuletzt im Münchner Parsifal, wo Georg Baselitz die Szenerie ausmalte, hat nun auch in Bayreuth ein Künstlerpaar die Bühne entworfen: Neo Rauch und Rosa Loy. Für den zweiten Akt fiel dem Star-Maler Rauch nicht mehr ein als eine blau getönte Landschaft. Sie erinnert farblich an Delfter Kacheln. Durch den Bühnenentwurf wähnte man sich in das altbackene Bayreuth der 1950er-Jahre zurückversetzt. Das passt zur Ästhetik von Rauch, der als „neo-konservativ“ gilt. Auf dieser Theater-Bühne bleiben alle Bilder statisch, nichts ist hier in Bewegung.
Sonst aber spielt sich dieser Lohengrin in einem Stromgenerator mit Hochspannungsmasten ab. Lohengrin ist ein „Ingenieur unter Hochspannung“. In diesem statischen Nichts können die Personen keinerlei Charakter entwickeln, auch nicht Tomasz Konieczny als Friedrich von Telramund.
Ganz anders das Festspiel-Orchester: Unter der differenzierten Leitung von Christian Thielemann gelang ein glasklarer Farbenrausch. Das war ein wohltuender Kontrast zur eintönigen Bühne. Selbst der durchwegs überragende Festspielchor wurde in vorgestriger Bayreuth-Manier in Reihen aufgestellt. Wenn Elsa vor Lohengrin niederkniet, um ihren „Herrn und Gebieter“ zu preisen, wird es vollends problematisch. Hat Bayreuth nichts aus seiner dunklen Vergangenheit gelernt? (Marco Frei)

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