In diesem Jahr wäre der Stahlbildhauer Alf Lechner 100 Jahre alt geworden. Mehrere Ausstellungen würdigen den 2017 gestorbenen Künstler, von dem allein in Deutschland fast 80 Skulpturen im öffentlichen Raum zu sehen sind. Aktuell sind zwei Ausstellungen an den Orten zu sehen, an denen der gebürtige Münchner mit 75 Jahren noch einmal einen Neuanfang wagte.
100 Jahre Alf Lechner: Materie Stahl nennt sich die Schau im Lechner Museum in Ingolstadt. Es ist eine Retrospektive, die die künstlerische Entwicklung Lechners über die Jahrzehnte in Schlaglichtern zeigt. Das Museum in einer ehemaligen Produktionshalle der Auto-Union hatte Lechner im Jahr 2000 eröffnet, Träger ist die ein Jahr zuvor von ihm gegründete Alf Lechner Stiftung.
Ein eigenes Museum für seine Werke
Ihren Sitz hat die Stiftung im rund 30 Kilometer von Ingolstadt entfernten Obereichstätt. Lechner und seine Frau Camilla hatten das ehemalige Königlich-Bayerische Eisenhüttenwerk 1999 erworben und auf dem Gelände ein Wohnhaus und einen Skulpturenpark sowie Werkhallen errichtet. Dort arbeitete und lebte Lechner bis zu seinem Tod. Die Ausstellung Alf Lechner: Der Mensch, der Künstler, das Leben im Papierhaus des Skulpturenparks (siehe oberes kleines Foto) gewährt persönliche Einblicke. Unter anderem sind dort bisher unveröffentlichte Fotografien, Zeichnungen und Objekte ausgestellt. Allein schon wegen der vielen Skulpturen vor der Jurakalksteinwandkulisse ist der Besuch mindestens eine Reise wert (siehe mittleres Foto).
1940, in seinem 15. Lebensjahr, nahm die künstlerische Laufbahn Lechners ihren Lauf. Der gebürtige Münchner wurde Schüler des Landschaftsmalers Alf Bachmann. Mit Metall beschäftigte er sich erstmals nach dem Krieg: Lechner absolvierte eine Schlosserlehre. Um genug Geld für seine Kunst zusammenzubekommen, arbeitete Lechner dann als Grafiker und Messebauer. 1949 gründete er die auf Lichttechnik und Design spezialisierte Firma Litema und stellte Stühle und Leuchten her. Erfolgreichstes Produkt seiner patentierten Erfindungen war eine Operationslampe für Zahnärzte. Die angestrebte finanzielle Unabhängigkeit war ihm fortan gewiss.
„Er war auch ein guter Geschäftsmann“, sagt Dominik Bais, kuratorischer Leiter des Alf Lechner Museums in Ingolstadt. „Das hat er bis zum Schluss behalten.“ Bais kam als Stipendiat zur Stiftung, promovierte über Lechner und blieb, begeistert vom Werk des Künstlers. So wurde es auch zu seiner Aufgabe, das Jubiläum Lechners in diesem Jahr zu kuratieren – in enger Abstimmung mit der Witwe.
Für die Ausstellung im Lechner Museum (siehe unteres Bild) baute Bais das Museum und die zig Tonnen schweren Skulpturen, die er für die Retrospektive ausgewählt hatte, erst einmal aus Pappe nach. Immer mehr Werke entfernte er aus dem Modell und ließ gerade so viel stehen, dass es für einen Eindruck vom vielfältigen Schaffen des Künstlers reichte.
Die durch diese Reduktion geschaffene Ruhe spürt man sofort beim Betreten des weiträumigen Museums. Von Anfang an interessierte sich Lechner vor allem für perfekte geometrische Formen – die er dann aber einreißt. Verformte Rohre, Stahlplatten, bei denen eine Ecke wie ein Eselsohr an einem Buch aufragt, ein deformierter Quader aus Roststahl. Oder zerschnittene Körper, die ähnlich wie die Spitzen von Eisbergen aus dem Boden zu ragen scheinen – und die so zueinander ausgerichtet sind, dass sie sich unterirdisch zu treffen scheinen.
Mit der Zeit wurde Lechner immer experimenteller. Er testete zunehmend die Grenzen des Materials, meistens Stahl, aus. Dabei, so erzählt es Bais, musste der Künstler auch immer wieder die Stahlwerker, die seine Vision erfüllen sollten, überzeugen. Schließlich wollte Lechner all das, was sonst bei der Stahlproduktion unbedingt vermieden werden soll, erreichen: Brüche, Risse und Verformungen. „Vieles war möglich, weil Alf Lechner so eine hemdärmelige Art hatte“, sagt Bais, der im Vorfeld der Ausstellung auch mit vielen Stahlarbeitern gesprochen hat. Die Ausstellung endet Mitte September, doch Lechner steht weiter im Mittelpunkt.
A Matter of Perspective nennt sich die Ausstellung, die am 19. Oktober im Lechner Museum eröffnet wird und bis 12. April 2026 geht. Dabei wird die Kunst Lechners in den Kontext anderer Künstler gestellt. Es werden Werke von Hanne Darboven, Richard Serra, Agnes Martin, Robert Morris, Charlotte Posenenske, Fred Sandback und Dadamaino zu sehen sein. Das ganze Jahr über bietet die Stiftung auch ein umfangreiches Rahmenprogramm an, vom Kinderstudio übers klassische Konzert bis zum Tag der offenen Tür im Skulpturenpark. Auch ein Buch ist in Planung.
Doch nicht nur die Stiftung beschäftigt sich mit dem Jubiläum: Die Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt zeigt ab 4. September in ihrer Schalterhalle in Ingolstadt Alf Lechner zum 100.: Kunst aus Stahl. Die Landshuter LAProjects - Galerie für internationale Gegenwartskunst widmet dem Künstler Alf Lechner 100: Eine Hommage (26. Juni bis 9. August).
Auch München erinnert an Lechner
Auch in Lechners Geburtsstadt München findet der runde Geburtstag seinen Niederschlag: Seit 20. Mai präsentiert die Katholische Akademie Alf Lechner: Transformation (bis 13. Dezember). Zwei Generationen konkret: Alf Lechner und Marco Stanke ist zudem in der Galerie Bender zu sehen (4. Juli bis 27. September). (Thorsten Stark)
Copyright der drei eingeblockten Fotos: Alf Lechner Stiftung
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