Kultur

Mathias Hausmann als Don Giovanni. (Foto: Thomas Dashuber)

30.06.2017

Der Tod und das Mädchen

Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ am Münchner Cuvilliéstheater

Es ist eine schauerliche Szenerie. Als der Geist des Komtur schicksalhaft an die Tür klopft, schlägt sich Don Juan an den eigenen Kopf. Noch dazu spricht der Schürzenjäger die Worte des Geistes stumm nach: Er selbst scheint die unheimliche Gestalt zu sein. Der Titelheld der Oper Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart ist nicht einfach ein sexbesessener Lustmolch, sondern der Tod in Person.
Diese Lesart entwirft Herbert Föttinger in seiner Neuinszenierung, die er für das Gärtnerplatz-Theater im Cuvilliéstheater realisiert hat. Seine Regie glänzt mit stringenter Personenführung, profunder Kenntnis der Musik und klugen Details. Da ist Don Giovanni (Mathias Hausmann): Er ist stets allgegenwärtig, wie der Tod. Zugleich lenkt er die anderen Gestalten wie Marionetten. Das gilt gerade auch für Donna Anna (Jennifer O’Loughlin). Sie ist die Tochter des Komturs (Sergii Magera) und Verlobte von Don Ottavio (Lucian Krasznec). In Föttingers Sicht wird sie wissentlich von Don Giovanni verführt und sie weiß auch von Anfang an, dass er der Mörder ihres Vaters ist: Der Tod und das Mädchen. Erst als Donna Anna erkennt, dass sie nicht die einzige Geliebte von Don Giovanni ist, wirken ihre Rachegelübde echt.

Zeigerlose Uhr

Im Grunde mutiert auch sie zu einer Karikatur, was die Kostüme von Alfred Mayerhofer unterstreichen. Wie Masetto (Matija Meic´), Zerlina (Sophie Mitterhuber) und Ottavio poltert bald auch Donna Anna im schrillen Folklore-Look über die Bühne. Nur Don Giovanni und sein Diener Leporello (Levente Páll) sowie Donna Elvira (Camille Schnoor) sind in eigenständigen Stilen gekleidet.
Von diesem menschlichen Panoptikum lenkt die kluge, schlichte Bühne von Walter Vogelweider nicht ab. Umso wirkungsvoller werden kleine Details in Szene gesetzt, so etwa die unheimliche, zeigerlose Uhr: Man kennt sie aus dem Surrealismus. In dem Film Wilde Erdbeeren von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1957 taucht die zeigerlose Uhr gleich zu Beginn auf: Der Hauptprotagonist sieht im Traum seinen eigenen Tod voraus. Das passt vortrefflich zu Föttingers Don Giovanni. Am Ende schießt sich dieser Don Juan eine Kugel in den Mund. Plagt ihn doch noch das schlechte Gewissen oder will er dem Wahn ein Ende bereiten? Das alles ist überaus kurzweilig entworfen, wobei vor allem Hausmanns Titelheld sowie Pálls Leporello und Mitterhubers Zerlina glänzen. Sie alle profitieren von der schlicht überragenden Leitung von Marco Comin. Mit dem Gärtnerplatz-Orchester strafft Comin die Tempi, schärft die Affekte und Effekte, um eine sinnstiftende Klangrede zu entwickeln. Manches erinnert an Nikolaus Harnoncourt oder an den epochalen Don Giovanni unter Daniel Harding aus dem Jahr 2000 in Aix-en-Provence. Diese Produktion liegt auf CD vor und hatte auch Claudio Abbado wesentlich inspiriert. Einen derart frischen Mozart wie jetzt von Comin und Föttinger hat man an der benachbarten Bayerischen Staatsoper schon lange nicht mehr erlebt. (Marco Frei) (Noch bis 12. Juli. Karten und Infos unter: 089.21851960)

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