Kultur

Die Bühnengestaltung von Idomeneo (hier Matthew Polenzani in der Titelrolle) stammt von der britischen Künstlerin Phyllida Barlow. (Foto: Wilfried Hösl)

23.07.2021

Der Tyrann als aufrichtig Liebender

Mozarts „Idomeneo“ bei den Münchner Opernfestspielen erscheint wie eine beschallte Skulptur

Phyllida Barlow ist bekannt für raumfüllende Skulpturen aus Alltagsmaterialien; an diesem Wochenende endet ihre umfassende Retrospektive im Haus der Kunst in München. Nun hat die britische Künstlerin für die Neuinszenierung des Idomeneo von Wolfgang Amadeus Mozart, kreiert von Antú Romero Nunes für die Bayerische Staatsoper am Prinzregententheater, auch die Bühne entworfen.

Es geht um den König von Kreta, der schlussendlich seine Macht an seinen Sohn Idamante und dessen Geliebte Ilia abgibt. Die Ordnung liegt in Trümmern und mit ihr eine ganze Welt, was die Lesart von Nunes noch betont. Da passt das „Vintage-Retro-Gerümpel“ von Barlow. Es nimmt die ganze Bühne ein: klobiges Geröll, verfallener Schiffsanleger, bunkerähnliche Gemäuer oder Wrackteile. Das sieht gut aus, nutzt sich aber als einziges visuelles Mittel schnell ab. Weder die Regie noch die Kostüme von Victoria Behr setzen Kontrapunkte: Die Inszenierung ist letztlich eine riesige Skulptur, die mit Musik beschallt wird.

Reminiszenz ans Barocke

Hierfür hat Dirigent Constantinos Carydis eine pointierte Fassung erstellt. Sie integriert so viel Musik, wie bei der Uraufführung des Werkes 1781 in München nicht erklungen ist. Dazu zählen Arien der Elettra ebenso wie von Idomeneo und dessen Vertrautem Arbace. Auch die für Wien 1786 nachkomponierte Idamante-Arie „Non Temer“ ist zu hören: in München allerdings nicht für Tenor, sondern für den Mezzosopran von Emily D’Angelo transponiert. Gleichzeitig hat Carydis die oft gestrichenen Balletteinlagen aufgenommen. Damit wie auch mit Laute, Orgel und Barock-Gitarre betont Carydis die Herkunft des Werkes aus der französischen Barockoper. Dass die Balletteinlagen überzeugen, ist dem Staatsopern-Ballett und der Choreografie von Dustin Klein zu verdanken. Sie versuchen eine moderne Übersetzung des Tanzes. Trotzdem wirken die Ergänzungen ähnlich aufgebläht wie die Skulpturen Barlows.

Bereits in der Ouvertüre erklingt eine spätere Bühnenmusik. Wenn Idamante im letzten Akt schmerzerfüllt umherirrt, begleitet ihn Mozarts Klavier-Fantasie von 1784. Sie mag atmosphärisch passen, hat allerdings mehr mit Don Giovanni und dem Klavierkonzert Nr. 20 KV 466 zu tun.

Dass Nikolaus Bachler in seiner letzten Neuproduktion als Staatsopernintendant alle Kräfte des Hauses zusammenführt, eben auch das Ballett integriert, ist eine schöne Idee. Doch schwächeln diesmal die Musik und der Gesang. Im Bayerischen Staatsorchester wackelte bisweilen die Intonation. Ein Griff in die Mottenkiste ist die Besetzung des Idamante mit einer Frauenstimme. Für die Uraufführung sah Mozart einen Alt-Kastraten vor. Die heutigen Countertenöre können diese Partie mühelos meistern. Zwar passt das dunkel gefärbte, auch herbe Timbre von Emily D’Angelo, allerdings irritiert ihr Dauer-Vibrato. Im Duett mit dem weichen Sopran von Olga Kulchynska als Ilia erwachsen indes schöne Kontrastierungen. Nur bedingt überzeugen kann der gaumige Tenor von Martin Mitterrutzner als Arbace.

Dafür aber glänzt Matthew Polenzani als Idomeneo. Wie dieser König mit sich und den Göttern ringt, um seinen Sohn nicht opfern zu müssen: Das ist stark. Dieser Idomeneo ist kein Tyrann, sondern ein aufrichtig Liebender. Die Überbetonung der Regie auf einen Vater-Sohn-Konflikt greift zu kurz, wie Matthew Polenzani verdeutlicht. Mit dramatischer Präsenz agiert zudem Hanna-Elisabeth Müller als Elettra. (Marco Frei)

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.