Kultur

Über vier Minuten kann man in Gillian Wearings Video „2 in 1“ beobachten, ob die beiden Jungs sich nicht nur äußerlich ähneln. (Foto: Gillian Wearing)

26.07.2019

Doppelt sehen

Eine Ausstellung in München zeigt nicht nur menschliche Zwillinge

Endlich mal ein Auflagenobjekt, das seinen Namen verdient. Es liegt nämlich zur kostenlosen Mitnahme auf, dieses „Multiple“ von Beuys. Ja, ganz recht, von Joseph Beuys! Wo es das gibt? In der Lothringer13, der ewig jungen Ausstellungshalle in München-Haidhausen. Zugegeben, es ist ein Auflagenobjekt mit extrem hoher Auflage, das man gratis aus der Ausstellung mit heim nehmen darf, nämlich eine Postkarte. Aber entscheidend ist ihr Motiv: Sie zeigt eine rötlich verschossene Aufnahme der Twin Towers, der Zwillingstürme des World Trade Center, auf die Beuys 1973 mit der Hand die Namen Cosmos (sic) und Damian gekrakelt hat. Was insofern passt, als die Heiligen Kosmas und Damian tatsächlich Zwillinge waren.

So erklärt sich, wie Beuys in die Lothringer13 kommt, denn die aktuelle Ausstellung dort versammelt Kunst zum Thema Zwillinge: double trouble / double grins / is it so with / twins lautet der witzige, aber unübersetzbare Titel der Schau, die überwiegend Fotografien präsentiert. Auf denen sind meist Zwillinge abgebildet, und je mehr man davon sieht, desto drängender wird die Frage, woher die latente Komik dieses Motivs kommt.

Ja mehr noch, es erweist sich, dass wir nicht nur Menschen „in doppelter Ausfertigung“ als witzig empfinden, sondern sogar Gegenstände. Originellerweise wurden in die Ausstellung nämlich Schwarz-Weiß-Fotos von Gerry Johansson aufgenommen, die belegen, dass es auch im Reich der Dinge so etwas wie Zwillinge gibt: zwei monströse Bagger-Reifen etwa, die vor einem Bauzaun aufeinandergestapelt sind; zwei identische Spitzturm-Kirchlein, die direkt nebeneinander stehen – wohl in Amerika, wo es von Religionsgemeinschaften nur so wimmelt, weshalb sich dort offenbar nicht nur Fertighäuser, sondern auch Fertigkirchen reger Nachfrage erfreuen.

Alle nur Auflagenobjekte?

Eine Art anatomischen Selbstversuch hat hingegen Jun Fujiyasu durchgeführt, der in Nahaufnahme einzelne Körperpartien von sich und seinem Zwillingsbruder fotografierte: Achseln, Zehen, Waden sind auf nebeneinander hängenden Bildpaaren je zweimal vorhanden. Gerade weil man bloß Ausschnitte sieht, wirken die gezeigten Körper aber seltsam anonym – und damit zugleich universell: Wahrscheinlich ließen sich auf der Welt Millionen junger Männer finden, deren schwarz behaarte Waden genauso aussehen wie die auf den Fotos. Was leicht zugespitzt die Frage aufwirft, ob wir, frei nach dem Motto „Alle Menschen werden Brüder“, nicht alle in gewisser Weise Zwillinge sind. Also eigentlich Auflagenobjekte. (Alexander Altmann)

Information: Bis 22. September, Lothringer13, 81667 München. Di. bis So. 11-20 Uhr. www.lothringer13.com

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