Kultur

Die Ausstellung ist auch deshalb sensationell, weil es gelang, viele Leihgaben aus Ländern rund um den Globus zu versammeln. Aus New York kam Max Beckmanns Triptychon "Departure" (1932 bis 1935). (Foto: The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence)

09.12.2022

Ein Leben lang unterwegs

Die Ausstellung „Departure“ in der Pinakothek der Moderne eröffnet neue Sichtweisen auf Max Beckmann

Im April 1947 weilte Max Beckmann mit Gattin Quappi für sechs Tage im Hotel Westminster in Nizza und bezahlte dafür über 20 000 Franc. Wie teuer das im Verhältnis damals genau war, sei dahingestellt, es klingt jedenfalls nach sehr viel, nach Luxus, Champagner, Savoir-vivre – und Tennisplatz. Denn auf diesem trieb sich das Ehepaar Beckmann tatsächlich gerne herum, wie Schwarz-Weiß-Filme belegen, die Max und Quappi mit einer Amateurkamera gegenseitig von sich drehten. Die Gattin sieht in den Aufnahmen viel schöner aus als auf Fotos und Gemälden und offenbart einen natürlichen Charme. Der Großkünstler hingegen posiert abwechselnd als Faxenmacher, der ein Rad schlägt, oder als präpotenter Superman im Hoppla-jetzt-komm-ich-Stil.

Filme und Hotelrechnung sind nun neben privaten Fotoalben, Schriftstücken, Kuriositäten und Beckmanns alter Reisetruhe in der Münchner Pinakothek der Moderne zu studieren – zusammen mit 90 umwerfenden Gemälden des Künstlers.

Fröhliches Kolorit

Viele Strand- und Promenadenbilder überraschen durch ein helles, mit gutem Willen fast schon fröhlich zu nennendes Kolorit, das man mit diesem Maler nicht automatisch assoziiert. Müssen wir also Abschied nehmen vom gewohnten Beckmann-Bild und aufbrechen zu neuen Sichtweisen?

Departure heißt jedenfalls die Schau (nach dem berühmten, aus New York ausgeliehenen Beckmann-Triptychon), die den sehr spannenden und unterhaltsamen Versuch unternimmt, Max Beckmanns Werk aus der Perspektive seiner Person und seines Privatlebens heraus in ein ganz neues Licht zu setzen: Nicht mehr den existenziell ringenden Menschheitstragiker sollen wir in ihm sehen, sondern den mondänen Lebemann und Großverdiener, der schon Anfang der 1930er-Jahre im Auto nach Paris reiste und in den Grandhotels der weiten Welt zu Hause war. Denn die Ausstellung durchforstet Beckmanns Œuvre auf das Thema „Reise“ hin und wird dabei – auch vor dem Hintergrund seines Nachlasses – überaus fündig. Von etlichen Vergnügungs- und Inspirationsreisen über die Flucht 1937 ins holländische Exil bis hin zur Übersiedelung in die USA 1947: Max Beckmann (1884 bis 1950) ist sein Leben lang freiwillig und unfreiwillig viel gereist.

Als Erinnerungshilfe für spätere Gemälde nahm er von den besuchten Orten gerne Ansichtskarten (oft in zeittypisch kitschiger Einfärbung) mit, von denen etliche in der Ausstellung für Fernweh sorgen. Präsentiert werden die lichtempfindlicheren Papierexponate in halboffenen, konischen Kammern (Schiffskabinen?), die schön sperrig, aber niemals störend in die Ausstellungssäle gekantet sind, sodass eine leicht labyrinthische Atmosphäre entsteht. Was recht gut zu den unstet-labyrinthischen Lebens- und Reisewegen dieses Künstlers passt, den man sich, zu Recht oder zu Unrecht, gerne als unruhigen, getriebenen Geist vorstellt – wobei diese Peer-Gynt-Attitüde des rastlos Strebenden auch wieder ein Rollenmuster darstellt.

Eine Sensation ist die Ausstellung aber nicht nur, weil sie ein neues Beckmann-Image einführt; auch nicht nur wegen der aufschlussreichen Objekte aus dem – wenn man das überhaupt so sagen kann – Privatleben des Künstlers. Sondern allein schon deshalb, weil gelang, was auch aus finanziellen Gründen immer schwieriger wird: eine Fülle von Leihgaben aus Museen und Privatbesitz rund um den Globus nach München reisen zu lassen. Möglich war das dank großzügiger Spenden: Mehr als die Hälfte der Kosten für die Schau wurde durch Drittmittel finanziert, was einmal mehr zeigt, dass Museumsleute heute keine bloßen Gelehrten mehr sind, sondern, um Sponsorengelder aufzutreiben, gewisse Klinkenputzerfähigkeiten mitbringen müssen. Verständlich, dass sie da gelegentlich ein Bedürfnis nach Flucht, Ferne und „Departure“ überkommen mag. Wenn sie dem nicht nachgeben können, sondern es vielmehr in so grandiose Ausstellung1en wie diese über Max Beckmann sublimieren, ist das zumindest fürs Publikum eine helle Freude. (Alexander Altmann)

Information: Bis 12. März. Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München. www.pinakothek.de

 

 

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