Kultur

Es ist eine ambivalente Beziehung, die den Feuervogel Alisa Uzunova und den Prinzen Jay Ariës verbindet. (Foto: Jesús Vallinas)

20.12.2024

Ein Schuss Zeitkritik

Strawinsky-Doppelabend des Nürnberger Staatsballetts: Goyo Montero und Marco Goercke bringen die Compagnie zu Höchstleistung

Der frenetisch tosende Applaus, als der Feuervogel im verlöschenden Lichtkegel verschwunden war, zeigt: Das Nürnberger Publikum liebt solche attraktiv ausgestatteten Handlungsballette wie jetzt den berühmten Oiseau de feu (1910 uraufgeführt) – respektive in Nürnberg Firebird – nach der Musik von Igor Strawinksy und in der Choreografie von Goyo Montero, die der Nürnberger Noch-Ballettchef aus Monte Carlo mitgebracht hat. Dort hatte 2023 die Uraufführung von Monteros Neuinterpretation stattgefunden – nach Geld und Gold sieht auch das Bühnenbild mit den glitzernden Lianen als eine Art Regenwald aus (Bühnenbild: Leticia Gañán, Curt Allen Wilmer).

Der Clou dieses Strawinky-Abends mit: Goyo Montero ist auf dem Sprung nach Niedersachsen, wo er ab der nächsten Saison am Staatstheater Hannover wirkt – von dort wiederum wechselt Marco Goecke, dessen Uraufführung von Strawinskys Tanzsuite Scènes de ballet (1944) mit dem Firebird kombiniert wurde, nach Basel.

Erstes Ballettdirigat

Das Nürnberger Staatstheater lässt sich nicht lumpen und füllt den Orchestergraben des Opernhauses mit der Staatsphilharmonie unter der Leitung von Generalmusikdirektor Roland Böer. Es ist dessen erstes Ballettdirigat in Nürnberg:: stilistisch sicher und effektvoll bei diesen beiden zeitlich weit auseinander liegenden Ballettmusiken.

Der Feuervogel war eigentlich ein Orchesterstück – es dauerte einst fast zehn Jahre bis das Ballett Premiere hatte. In Franken versprüht es Monte-Carlo-Casino-Luxus. Wie immer bei Montero stehen dunkle Geheimnisse am Beginn, wenn zu den ersten Takten vor dem Vorhang vermummte Figuren auf die Bühne schleichen: wie Avatare im mondüberglänzten Urwald, die schnell ins Visier der nackten Ureinwohnerschaft geraten. Das scheint der Plot zu sein, den Montero erzählen will: die Vergewaltigung des Urwalds und seiner Ressourcen durch martialische Ausbeuter, die sich als Forscher ausgeben. Der Prinz geht mit dem Zauberer des Volks eine Allianz ein und wird zum Anführer. Er verfängt sich in den Lianen einer Liebelei mit dem Feuervogel. Monteros Märcheninterpretation gibt sich höchst schwelgerisch, artistisch, spannend und zeitkritisch, wenn aus den Goldbahnen Fesseln werden. Die Eroberer triumphieren letztlich – die indigenen Opfer stürzen zu Boden.

Die charismatische Primaballerina Alisa Uzunova und Jay Aries in der Doppelrolle sind ein beeindruckend ambivalentes Paar zwischen Liebe und Feindschaft, Montero spielt auf der gesamten Tastatur seiner großen Compagnie alles aus, was Ballett sein kann.

Während Marco Goecke die Scènes de ballet auf ein dunkles Bewegungsexerzitium reduziert: wie vor einer Art Steinzeithöhle, ohne erkennbares Narrativ, aber wie ein Musterbuch dessen, was an abrupten Bewegungen ein menschlicher Körper leisten kann. Er schaltet vor und nach der eigentlichen Strawinsky-Musik eine Art Feuerwerksgeknatter, Maschinengewehrsalven und Weltkiegsmenetekel ein und zeigt dann, was Tänzer*innen an ihrem Körper beobachten und mit ihm machen können: puppenhaft, mechanisch, chaplinesk und wie im Stummfilm. Dieses einfallsreiche Spiel in furiosem Tempo, auch mit Witz und in geheimnisvollem Mondlicht reduziert die Menschen auf ihre Körperlichkeit, endet märchenhaft mit dem Ruf eines Käuzchens und einem überraschenden Schuss – aber keiner fällt um. (Uwe Mitsching)

 

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