Kultur

Gärtnerplatz-Intendant Köpplinger bringt Jahrmarkt-Stimmung auf die Bühne. (Foto: Thomas Dashuber)

11.11.2016

Eintönige Groteske

Uraufführung von Johanna Doderers Liliom am Gärtnerplatztheater in München

Wer eine gut dreistündige Oper schreibt, sollte etwas zu erzählen haben. Für Johanna Doderer ist das grundsätzlich kein Problem, zumal die Komponistin aus Österreich bereits vier große Bühnenwerke kredenzt hat. Mit dem jüngsten Projekt Liliom nach Ferenc Molnárs gleichnamigem Schauspiel von 1909 wollte es leider nicht so recht klappen. Dabei war diese Uraufführung durch das Gärtnerplatztheater in der Münchner Reithalle eine kleine Sensation.

In der Vergangenheit wollten viele Komponisten den Stoff vertonen. Sie alle bekamen eine Abfuhr, auch Giacomo Puccini. Zwar genehmigte Molnár Verfilmungen, aber: Schon um die Musical-Fassung Carousel von 1945 musste viel gestritten werden. Nach Molnárs Tod 1952 wachten die Rechtsnachfolger misstrauisch über Liliom. Nur John Neumeier durfte den Stoff 2011 in Hamburg als Ballett vertanzen.
Sonst aber wurden sämtliche Anfragen abgeschmettert, und jetzt bekam Gärtnerplatz-Intendant Josef E. Köpplinger den Zuschlag. Für diese erste Liliom-Oper engagierte er vor drei Jahren Doderer, richtete das Libretto ein und führte Regie. Doch das Stück hat seine Tücken, was mit der Handlung beginnt. Alles dreht sich um den feschen Jahrmarkt-Vorschreier Liliom (Daniel Prohaska), der sich in das Dienstmädchen Julie verliebt (Camille Schnoor).

"Polizisten Gottes"


Für sie gibt Liliom seine Stellung bei der eifersüchtigen Karussell-Besitzerin Muskat (Angelika Kirchschlager) auf. Obwohl er Julie liebt, schlägt er sie – aus Scham vor seiner Mittellosigkeit. Als Julie ein Kind erwartet, lässt er sich von seinem Kumpel Ficsur (Matija Meic) zu einem Raubüberfall verleiten. Es soll den jüdischen Fabrik-Kassierer Linzmann treffen (Juan Carlos Falcón).

Doch das Opfer zieht einen Revolver. Um einer Verhaftung zu entgehen, ersticht sich Liliom. Zwei „Polizisten Gottes“ schleppen ihn vor das himmlische Selbstmörder-Gericht. Nach 16 Jahren Buße im „rosaroten Fegefeuer“ darf Liliom kurz auf die Erde zurückkehren, um seine Tochter Luise (Katerina Fridland) zu sehen.
Zu dieser Geschichte entwirft Doderer eine Musik, die sich ausgesprochen tonal gibt. Abgesehen von einigen clusterhaften Stimmführungen im Chor überwiegt fast schon eine Überromantik. Dies passt zum Wiener und Budapester Lokalkolorit, was Doderer zusätzlich mit einem Schuss Walzer-Seligkeit würzt. Das wird auch Molnárs leichtem Hang zum Kitsch gerecht.

Was Doderers Musik und Köpplingers Regie allerdings nicht einfangen, ist die Mehrschichtigkeit. Bei Molnár liegen Tragik und Komik dicht beieinander, und stets wandeln die Figuren dicht am sozialen Abgrund. Eine solche Groteske macht sich bei Doderer und Köpplinger rar. Das Gärtnerplatz-Orchester, souverän geleitet von Michael Brandstätter, wird um einen Synthesizer ergänzt – für das Drehorgel-Motiv.

Sonst aber werden eine traditionelle symphonische Besetzung und klassische Stimmfächer bedient. Dass selbst die auf Kirchschlager und Prohaska maßgeschneiderten Partien recht holzschnittartig bleiben, liegt auch am Mangel an Poesie und Atmosphäre. Bei so viel Eintönigkeit droht schnell die Endlos-Schleife: In dieser Oper gibt es Kürzungspotenziale, vor allem bis zur Pause.
(Marco Frei)

(Noch am 11., 12., 16., 17. und 19. November, jeweils 19.30 Uhr, Reithalle München.)

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