Kultur

Schuberts Sonate D 960 - eine Herausforderung für Magier an der Klaviertastatur. (Foto: dpa)

09.05.2016

Einzigartiges Klavier-Erlebnis

Pianisten von Weltrang im Vergleich: András Schiff und Krystian Zimerman spielen Schubert

Sir András Schiff und Krystian Zimerman: am gleichen Tag, nur wenige Kilometer voneinander entfernt, beide mit der gleichen Schubert-Sonate (D 960) – und man hatte Gelegenheit, beide Weltspitzen-Pianisten zu hören: einen bei der Matinée im Neumarkter Reitstadel und im Rahmen seines „Letzte Sonaten“-Zyklus‘, den anderen bei einem Meisterkonzert in Nürnberg, mit dem die Ära des Impresarios Georg Hörtnagel endete. Ein Pianisten-Ranking kann das nicht sein bei zwei der wichtigsten Solisten unserer Zeit - aber der Vergleich, der fällt doch überraschend unterschiedlich aus: für beide Lesarten war freilich der Beifall gleich enthusiastisch und endete in standing ovations.

Die letzten Dinge

Im Reitstadel für einen Pianisten, der schon durch den Gang zum Steinway klar macht, auf welche Lebens- und Winterreise sich das Publikum mit ihm begeben wird. In der Meistersingerhalle für einen, der zwar im Frack, aber mit fröhlicher Miene den eigenen Flügel ansteuert, während seine Zuhörer noch verblüfft sind von der kantablen Brillanz, von der Linie Mozart – Chopin, in deren zeitliche und stilistische Mitte Zimerman den späten Schubert stellt. Natürlich geht es bei beiden Pianisten in D 960 um die letzten Dinge: Schiff versucht sie zu erklären, darüber zu philosophieren, Zimerman spielt Schubert mit doppeltem Boden. Unter der glänzenden Oberfläche wunderbarer und zugleich anrührender Brillanz vermutet man zurecht die großen Schicksalsfragen. Die stellt Schiff in Beethovenscher Manier in aller Deutlichkeit. Man merkt den Unterschied schon beim tiefen, dumpfen Triller, von dem das träumerisch dahinfließende, liedhafte Hauptthema unterbrochen wird.

Kalte Schauer

Wer in dieser Schubert-Sonate das „Winterreise“-Erlebnis der letzten Dinge sucht, findet es im subtil verschatteten Ton bei András Schiff: Sofort ist man mittendrin in der Lebenssituation von Schuberts letzten Monaten, in den kalten Schauern, gegen die sich der Wanderer vergebens stemmt. Schiff spielt Klangfarben des Gefährlichen, Gefährdeten, eines Gefühls der Verlorenheit, in das nur ganz gelegentlich die hellen Sterne der Hoffnung blinken. Bei Zimerman ist man da auf das Andante angewiesen: ohne lastende Gewichte, aber trotzdem von einer anderen Welt. Da hat der Trauerrand durchaus etwas von der eleganten Klavierkunst, die auch die anderen Sätze bestimmt. Allerdings: wenn dieses Themengeflecht aus den Fugen gerät, dann gründlich und sehr balladenhaft. Wo sich beide Pianisten treffen, das  ist die feenhafte Magie des Scherzos – fast pointillistisch bei Zimerman, als Vision des Jenseitigen bei Schiff. Beide Male war das Publikum sich des singulären Klavier-Erlebnisses bewusst, nicht wenige nützten die Chance eines doppelten Wegs zu Schubert. In Nürnberg übertrug sich die Rührung des Abschieds Hörtnagel/Zimerman nach 38 Jahren – hoffentlich ist es nicht auch ein Abschied von der Meistersingerhalle. In Neumarkt tröstet man sich leicht: die „Konzertfreunde“ offerieren Sir András gleich zweimal in der kommenden Saison. (Uwe Mitsching) Abbildungen:
Der polnische Pianist Krystian Zimerman (1956 geboren) lebt heute in der Schweiz. (Foto: Felix Broede)
András Schiff wurde 1953 in Budapest geboren und hat heute die österreichische ebenso wie die britische Staatsbürgerschaft. (Foto:Joanna Bergin)

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