Kultur

Eine fiktive Schlacht aus der Zeit der Türkenkriege: „Der hl. Valentin als Schutzpatron und Retter vor der Türkengefahr“. (Foto: Oberhausmuseum Passau/Otfried Schätz)

04.10.2019

Flickenteppich von Lebenswirklichkeiten

Das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zeigt 100 Schätze aus 1000 Jahren

Eine fiktive Schlacht: Vor den Toren Passaus kämpfen abendländische und orientalische Krieger. Eine Schlacht, die so nie stattgefunden hat. Stattdessen zeigt das Ölbild, das nach 1683 gemalt worden ist und normalerweise im Oberhausmuseum Passau hängt, wie selbstbewusst der Westen nach Siegen in den Türkenkriegen war. Schließlich waren wie auf dem Bild Der hl. Valentin als Schutzpatron und Retter vor der Türkengefahr 1683 die Heiligen und bewaffnete Engel auf seiner Seite. Nicht nur der Kaffee, sondern Turquoiserien aller möglichen Arten kamen zeitgleich in Mode im Zentraleuropa des 17. Jahrhunderts.

Das Bild erzählt also wie alle anderen gezeigten 99 Objekte eine ganz bestimmte Geschichte: Das ist das Gestaltungsprinzip der Bayerischen Landesausstellung 100 Schätze aus 1000 Jahren im Regensburger Museum der Bayerischen Geschichte. Damit ist zusammen mit der populären Dauerausstellung im ersten Stock, die sich mit Bayern seit den Napoleonischen Kriegen befasst, die gesamte bayerische Geschichte unter einem Dach versammelt.

Gesichter ihrer Zeit

In zehn Zeitabschnitten wird in der Sonderausstellung diese Geschichte von den Bajuwaren bis Napoleon ausgebreitet. In jedem dieser Zeitabschnitte erzählt zu Beginn ein „Gesicht der Zeit“, eine virtuelle Figur, von ihren Lebensumständen: ein Tempelritter aus Oberbayern, eine jüdische Ärztin aus Würzburg, eine Bauerstochter aus Niederbayern, ein Arbeiter aus Lohr am Main. Gestandene Leute also, die Geschichte in Geschichten erzählen. Alle Objekte stehen als Vertreter ihrer Zeit und ermöglichen es dem Betrachter, eigene Assoziationswege zu gehen.

Diese Wege beginnen bei zwei menschlichen Skeletten aus dem frühen 6. Jahrhundert, Grabbeigaben, Götzenfiguren, der Lex Baioariorum – dem ersten bayerischen Gesetzbuch –, Schmuckstücken wie der Fibel von Wittislingen. Den Objekten beigegeben sind wohldosierte Erklärungen. Und das mit modernster Informationstechnik, die das gesamte Haus prägt: Medienstationen zum interaktiven Erkunden der Objekte; Informationsträger mit wichtigen Ereignissen der Zeit, in der sich der Besucher gerade befindet; Programme, mit denen die Objekte hinter Glas noch einmal im Detail dreidimensional betrachtet werden können.

Die Schau gleicht der Dauerausstellung, die ihre historische Erzählung nahtlos fortsetzt, auch darin, dass Exponate, die die „hohe Politik“ abbilden, immer wieder auf Alltagsgegenstände treffen und so den ganzen Raum einer historischen Gesellschaft auszumessen versuchen.

So ist etwa die Brautkrone der Herzogin Hedwig, der Überlieferung nach getragen 1475 während der berühmten Landshuter Hochzeit, den erstaunlich gut erhaltenen Lederstiefeln der einzigen bayerischen Moorleiche benachbart, ist die Weste des „bayerischen Hiasl“ – einem Kriminellen, der sich in der Legende in eine Art Robin Hood verwandelte – neben einem prächtigen Goldkelch zu sehen, den er bestimmt gern gemopst hätte. Der Besucher kann eine Handschrift der Nibelungensage aus dem hohen Mittelalter betrachten und Findelkindzettel von Müttern in großer Not aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Geschichte ist immer ein Flickenteppich von Lebenswirklichkeiten.

Diese Zusammenschau als eine Art musealer Bildband erzeugt ein schönes Gespür für die vergangene Zeit, die in all ihren wissenschaftlichen Verästelungen in einer Ausstellungsauswahl ohnehin nie darstellbar ist. Aber man muss ja auch kein Astronom sein, um den Sternenhimmel genießen zu können. Die Objekte immerhin und die Geschichten, die sie erzählen, sind vielschichtig und phantasieanregend, die Leihgeber reichen vom Pariser Louvre und den königlichen Sammlungen Stockholm bis zum Miesbacher Heimatmuseum und dem Bamberger Diözesanmuseum. (Christian Muggenthaler)

Information: Bis 8. März 2020. Haus der Bayerischen Geschichte – Museum, Donaumarkt 1, 93047 Regensburg. Täglich außer Montag 6-18 Uhr.

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