Kultur

Neben viel Malerei aus dem Norden sieht man in der Ausstellung auch Carl Rottmanns "Blick in das Inntal". Egal ob Szenen auf dem und am nordischen Meer oder diese stille Flusslandschaft vor den Alpen: Der Mensch oder auch die Kulissen von Industrieanlagen sind in solchen Motiven ausgeblendet. (Foto: Sammlung Maibaum Lübeck)

28.02.2022

Flucht in die Einsamkeit

Das Museum Fürstenfeldbruck zeigt Bilder vor allem der norddeutschen Romantik

Die Romantik war eine Kunstepoche, die schon im 18. Jahrhundert mit der Wanderung von Tieck und Wackenroder durch die Fränkische Schweiz begann, Mitte des 19. Jahrhunderts aufhörte und noch eine Neoromantik mit heftigen retrospektiven Sehnsuchtsgebärden nach sich zog. Romantisch kann freilich auch ein Abend zu zweit bei Pizza und Rotwein sein. Als romantisch kann man reale Natur empfinden, kann sich romantische Natur aber auch aus Kulissen zusammenbauen wie etwa der Dichter Joseph von Eichendorff und wie viele Malerinnen und Maler, denen man derzeit im Museum Fürstenfeldbruck begegnet.

Das Museum hat zu seinem 30-jährigen Bestehen (notabene: in einem barocken Ambiente, hinter dem es an der wild fließenden Amper gleich wieder ziemlich romantisch weitergeht) unter dem Titel Der romantische Blick eine bemerkenswerte, sehr schön gehängte, klug betextete Ausstellung zusammengestellt: Zu sehen sind rund 50 Bilder aus einer Sammlung, die ein kunstsinniges Lübecker Ehepaar unter dem Schlagwort „Maibaum“ zusammengetragen hat. Besonders interessant ist, dass es sich vornehmlich um Maler der norddeutschen Romantik handelt, mit einigen prominenten Namen darunter wie Caspar David Friedrich, aber auch dem Münchner Carl Rottmann.

Die Kuratorinnen Angelika Mundorff, Barbara Kink und Verena Beaucamp haben nicht nur einen umfangreichen Katalog dazu herausgegeben, sondern auch gleich zu Beginn der unterm Klosterdach blau schimmernden Ausstellung ein Bild präsentiert, wie es „romantischer“ nicht sein könnte. Es heißt Kosmische Landschaft und stammt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der es nach 1821 gemalt hatte und der als „Goethe-Tischbein“ zu den besonders prominenten Malern der Ausstellung gehört; der hatte das berühmte Porträt des Dichterfürsten in der Campagna gemalt.

Was man einst unter Romantik verstand, führte zu wunderbaren Kompositionen: Beliebtes Motiv ist der bleiche Mond, dazu vielleicht eine Tempelruine und ein im Mondlicht leuchtender See, immer wieder sieht man auch verwegen in die Höhe strebende Bäume oder im Kontrast dazu abgebrochene Stämme – das ist mehr, als jede reale Landschaft bieten könnte.

Tröstende Bilder

1821 war eine Zeit des Übergangs schon in die Spätromantik und zur Aufklärung, zu der auch die rauchenden Schlote der Industrialisierung gehören, ebenso der radikale Umbau der Großstädte. Damit einher ging die Verunsicherung der Menschen, die wiederum romantisierende Bilder auffangen sollten.

Aber wo ist der Mensch in dieser Mondscheinromantik? Da muss man schon lange suchen (abgesehen von bäuerlichen Genreszenen). Unvorstellbar: Menschenleer sind die Blaue Grotte von Capri, die Felswände des Watzmann, höchstens durch das Waldesinnere von Jules Dupré huscht mal eine kleine rote Kappe. Wild peitschen bei Johann Christian Clausen Dahl die Wogen an eine Felsenküste, der Schiffbruch und die winzigen Schiffbrüchigen bleiben Nebensache.

In der Ausstellung kann man sich auf praktisch handhabbaren Infoblättern über Carl Blechen, Louis Gurlitt und die ganze norddeutsche Romantikerpalette informieren. Und man freut sich, Carl Rottmann nicht nur im Münchner Lenbachhaus zu begegnen, sondern auch in dieser Fürstenfeldbrucker Ausstellung, wo Rottmanns Verbindung zu Ludwig I., zu Italien und Griechenland thematisiert ist. Gut gewählte Zitate unterfüttern die Bilderauswahl, die die Kuratorinnen aus der Lübecker Sammlung getroffen haben. Immer wieder stößt man dabei auf die Bilder mit den im Atelier komponierten romantischen Kulissen: etwa auch bei Franz Ludwig Catels Italienischer Landschaft, die 1830 mehr romantisch als italienisch ist in ihrem Abseits von der Realität, wie es sich immer mehr verstärken wird – zum Beispiel bei Hermann Neefe oder Heinrich Buntzen.

Natürlich wird man sich von dieser Ausstellung nicht verabschieden, ohne einen Blick zu werfen auf den Eichbaum (1798), das früheste Bild von Caspar David Friedrich. In jahrelanger Detektivarbeit glückte offenbar zweifelsfrei die Zuschreibung. Dem Gemälde ist auch im Katalog ein eigenes Kapitel gewidmet: Es steht für Morgenstimmung und Einsamkeit als inneres Bedürfnis, ist Ausdruck der autistischen Stimmungslage des jungen Malers und genau dem Motivkanon entlehnt, zu dem Unendlichkeit, Zurückgezogenheit und Tod zählen. Jenen spürt Detlef Stapf in seinem Katalogbeitrag auch in den anderen Bildern dieser norddeutschen Romantik nach: Es geht um den Kult der Einsamkeit. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 1. Mai. Museum Fürstenfeldbruck im Kloster Fürstenfeld, Fürstenfeld 6e, 82256 Fürstenfeldbruck.Aktuelle Öffnungszeiten unter www.stadtmuseum-ffb.de

 

 

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