Kultur

Drastisches Bühnenspektakel: Anika Herbst als Elektra. (Foto: Jochen Quast)

03.03.2017

Flucht vor der Zwangsehe

Markolf Naujoks’ Erlanger Inszenierung von Aischylos’ "Die Schutzflehenden" ist ein überambitioniertes Experiment

Als die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek 2013 das Thema Flüchtlinge für das Theater aufgriff, bezog sie sich ausdrücklich auf die antike Tragödie Die Schutzflehenden des Aischylos – veränderte aber in einem entscheidenden Punkt den Titel: Sie nannte ihr Stück Die Schutzbefohlenen. Die Flüchtlinge sind nicht mehr die Bittsteller, die um Schutz flehen, vielmehr sind sie unserer Pflicht zum Schutz anempfohlen. Das Theater Erlangen stellt gleichsam das Original vor und spielt den zweieinhalb Jahrtausende alten Text in einer Bearbeitung von Markolf Naujoks, der auch Regie führt. Seine archaisch anmutende Inszenierung siedelt er nicht im großen Haus des barocken Erlanger Markgrafentheaters an, sondern auf dem engen Raum der Hinterbühne, wo das Publikum mitten in der Szene sitzt und hautnah in das Spiel einbezogen ist.

Frei durch Selbstmord

Die Handlung reduziert der Regisseur auf drei Frauen, die vor der Zwangsverheiratung aus ihrer Heimat fliehen und in der Fremde Hilfe suchen – vergebens. Mit der ganzen Wucht des antiken Pathos beklagen sie in langen Klagen ihr Schicksal, aus dem sie nur der Tod durch eigene Hand befreien kann. In teils grotesk verfremdender Kostümierung, mit Masken und grau bestäubten Gewändern und Gesichtern, spielen Anika Herbst als Elektra, Hanna Franck als Agaue und Violetta Zupancic als Hypermestra die Geflüchteten. Sie sprechen in chorischen, von Klavier und Mandoline begleiteten Gesängen auch die Rolle des Chors, des „Volks“ mit und damit das Publikum direkt an, das über Wohl und Wehe der Geflohenen zu urteilen hat.

Mit Effekten überfrachtet

Das antikische Ambiente symbolisiert sich auf der Bühne elementar mit Erde und Wasser (Bühnenbild ebenfalls Markolf Naujoks) und in comichaften Projektionen von Göttern und Dämonen. Unterlegt sind dumpf dräuende Geräuschkulissen und eigene (englische) Song-Kompositionen des Regisseurs – der seine regietheatermäßig aufgemotzte Inszenierung überfrachtet. Bleibt immerhin die gebundene, teils im Original gesprochene Sprache, die das antike Pathos mutig ausstellt beziehungsweise den Zuschauern zumutet. Ein bemühtes, angestrengtes, mit vielen Effekten aufgeladenes und damit über weite Strecken überladenes Experiment, das die Zuschauer mit zurückhaltendem Beifall quittierten. (Fridrich J. Bröder)

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