Kultur

Mit ihrer Rolle bemitleidenswert überfordert: Lulu (Eva-Maria Kapser) verführt Dr. Schön (Klaus Rohrmoser) – besser: versucht es. (Foto: Theater Fürth)

22.03.2013

Fürther verheben sich mit "Lulu"

Inszenierung setzt auf krampfhafte Modernität

Das Fürther Stadttheater wagt sich an Frank Wedekinds Tragödie Lulu – und verhebt sich an einem der gewaltigsten Brocken der deutschen Theaterliteratur des 20. Jahrhunderts! Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass man dem Original nicht traute und mit einer eigenen Fassung das erotisch aufgeladene, skandalumwitterte und zeitweise verbotene Drama unbedingt auf „modern“ trimmte und zur „Monstertragödie“ verharmloste.
Dabei trifft Wedekinds aus zwei Stücken (Die Büchse der Pandora, Der Erdgeist) zusammengefügte Lulu – vor 100 Jahren erstmals aufgeführt – durchaus den Zeitgeist: Lust und Laster einer zügellosen Libertinage werden in wilden Männerphantasien auf die infantil-naive, animalische Frau, eine Mischung aus Kindfrau und femme fatale, projiziert. Und wenn die triebhaften Männer sich die Finger verbrennen, ist die Frau schuld.

Umständlich und langatmig


Aber diese Feinheiten eines satirisch überspitzten Sexismus gehen der einem plumpen Realismus frönenden Inszenierung von Regisseurin Nilufar K. Münzing völlig ab. Umständlich und langatmig erzählt sie Lulus Aufstieg und Fall vom Straßenkind zur Edelnutte und zurück zur Straßendirne: ein sinnliches Geschöpf, dem Männer verfallen, bis diese sie als Lustobjekt fallen lassen, wenn sie sich ihrer bedient haben.
Dieses Stationendrama hätte sich auf der im modischen Life-style-Meublement à la „Schöner Wohnen“ ausstaffierten Drehbühne (Bühnenbild: Christiane Becker) rasant entfalten können, wenn der Inszenierung eine zündende Idee zu Grunde gelegen hätte. Doch die Regisseurin reiht einfallslos Szene an Szene und lässt die Schauspieler dramaturgisch im Stich. Wild gestikulierend, schreiend und brüllend bastelt sich jeder der im Dutzend aufgebotenen und in Mehrfachrollen auftretenden Darsteller seine Rolle selbst zurecht: Chargen, aber keine Charaktere in einer Inszenierung, die keiner Sprachregie, keinem präzisem Timing, keinem Gefühl für den Bühneraum, für Gänge und Bewegungen folgt und der Nuancen, Stimmungen, Spannungsbögen und Höhepunkte fehlen.
Und die einzige ernst zu nehmende Regie-Idee bleibt leider eine Ausnahme: Als elegant gekleidete emanzipierte Dame von Welt haucht die Schauspielerin Kornelia Lüdorff frauenbewegte Texte – frivol wie eine feministische Diseuse – ins Mikrophon. Bemitleidenswert überfordert ist dagegen Eva-Maria Kapser als Lulu, der sie kein Profil, keine Stimme verleihen kann. Eine Augenweide ist dei Dame allenfalls fürs männliche Publikum, wenn sie auf der zum Catwalk werdenden Drehbühne die Dessous wie die Männer wechselt und diese in immer raffinierteren Unterwäsche-Outfits verrückt macht.
Nach der gut 3,5 Stunden dauernden Aufführung spendet das im Saal verbliebene Publikum freundlichen Applaus. Viele kritischere oder auch nur gelangweilte Zuschauer hatten die Vorstellung schon vorher reihenweise verlassen.
(Friedrich J. Bröder)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.