Kultur

Mit Mozarts „Zauberflöte“ eröffnete einst das Königliche Bayerische Hof- und Nationaltheater – hier der Bühnenbildentwurf (1818) von Simon Quaglio zum I. Akt, 6. Szene, in der die Königin der Nacht ihren Auftritt hat. (Foto: Deutsches Theatermuseum)

18.01.2019

Gassenidylle und psychedelische Nebel

Das Deutsche Theatermuseum in München lässt die Bühnenbilder des Nationaltheaters aus zwei Jahrhunderten Revue passieren

Bühnenmalerei“ hieß das früher, „Szenographie“ heißt es heute. Für beides und für die 200 Jahre Nationaltheater, die im vergangenen Jahr gefeiert wurden (am 12. Oktober 1818 wurde das neu erbaute Königliche Bayerische Hof- und Nationaltheater eröffnet), lag das Material für eine „historische Aufarbeitung“ schon lange bereit: der Dino vom Händel, die grellen Lichtspalten von Elektra, das psychedelische Las- Vegas-Flair von La Calisto.
Das Deutsche Theatermuseum in München lädt unter dem Titel Vision und Tradition zu einer „Szenographiegeschichte“, zu einer Erinnerungsreise, ein: von den immer wieder zitierten Meistersinger-Alt-Nürnberg-Schinken der Uraufführung bis zur Prügelszene im Prekariatsquartier anno 2016. Das Museum feiert die Inszenierungs- und Bühnenbildgeschichte der Staatsoper. Nach viel Chronologie unten fängt man vielleicht lieber mal oben im Museum an.

Irrgarten wie auf der Bühne

Dort stolpert man in einen Irrgarten von Spiegeln, Projektionsflächen, verdoppelten Treppen und sucht sein Heil auf Sitzpolstern mittendrin. Da reißen Anna Netrebko oder Diana Damrau die mit Spitzentönen gesegneten Münder auf, man hört aber ganz andere Musik und man sucht, wo es langgeht auf der Staatstheaterbühne – wie beim Bühnenbild der letzten Jahre auch. Wenn einem die Aufsichten nicht hilfreich und mahnend zur Seite stünden („Fassen Sie nicht die Spiegel an!“), wäre das eine gefährliche Odyssee – eigentlich weniger durch Bühnenbilder als durch Sängerkehlen, durch ein Kaleidoskop von Macbeth (Martin Zehetgruber) bis Frau ohne Schatten (Malgorzata Szcz(´s)niak).
Üppig beschallt und einigermaßen verwirrt tastet man sich – natürlich nicht an den Spiegeln – zurück in die Sphären konventioneller Ausstellungskunst (Kuratoren: Jürgen Schläder und Claudia Blank). Nach der Spiegelkabinett-Vision ist die Vergangenheit stockwerksweise geordnet: nach berühmten Bühnenbildnern und nach Kapiteln aus der Geschichte des Nationaltheater-Bühnenbilds. Natürlich fängt es 1818 an mit der Zauberflöte, erinnert an die berühmte Theatermalerfamilie Quaglio und hört 1978 bei Jürgen Roses noch immer geliebter und gespielter Zauberflöte in der Regie von August Everding lange nicht auf.
Von heutigen Einheitsbühnenbildern und Straßenanzugskostümen konnte bei Everding und Rose keine Rede sein. Das Deutsche Theatermuseum kann mit vollen Händen für solche Gegenüberstellungen in die Fülle des Fundus greifen. Auch bei der Frau ohne Schatten: Alfred Rollers Orientdekor von 1919 vs. Szcz(´s)niak Anklänge an Alain Resnais 2013.
Man erinnert an Bühnenbild-Eintagsfliegen (Georg Baselitz) und an Bühnenbildepochen wie von Helmut Jürgens oder eben Jürgen Rose: Bühnenbildwelten stehen sich da gegenüber, und man überlegt, noch immer saurierbegeistert, wie Julius Cäsar in den behäbigen Prunkbauten von 1955 (Helmut Jürgens) funktioniert haben mag – aber das war damals ja noch im Prinzregententheater.
Wenn man weiter in den Schlund der Geschichte hinabsteigt, werden eigene Erinnerungen schon dünner: an einen Ludwig Sievert (+ 1966), dem illustrierende Bühnenbilder in den 1930er-Jahren offenbar genügten wie sein proper aufgeräumtes Freischütz-Försterhaus. Oder man staunt über die expressive Kraft von Leo Pasetti (Aida), der sich einst „Ausstattungsdirektor“ nennen und Stücke ausstatten durfte, die gründlich vergessen sind: Das Spielwerk und die Prinzessin von Franz Schreker zum Beispiel.
Als der Malersaal noch die Bühnenbilder bestimmte (mit Christian Jank oder Heinrich Döll), da glitzerte das Rheingold noch wagnertreu auf der Riffspitze im Rhein oder stand die breitästige Tanne für den Schlaf von Brünnhilde bereit.
Im Rückblick wird aber deutlich: An der Münchner Wagner-Geschichte haben aber die Quaglios am deutlichsten mitgeschrieben: Da triumphieren im Venusberg die perspektivisch perfekt malende Hand und der Kulissenschieber. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 14. April. Deutsches Theatermuseum, Galeriestraße 4a, 80539 München. Di. bis So. 10-16 Uhr.

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