Kultur

Dieses biedermeierliche Motiv hat Kandinsky für eine Handtasche entworfen – Gabriele Münter setzte es in feine Perlenstickerei um (1905).

04.03.2011

Gestickte Schmuckstücke

Textilarbeiten von Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau

Sie sind meist klein, fragil – und einfach hinreißend: die Perlenstickereien der Malerin Gabriele Münter (1877 bis 1962). Gut, dass es auf einer Reise nach Tunis im Jahr 1905 so viel und lange geregnet hat. Das gab der Künstlerin Zeit und Gelegenheit, viele dieser Kunstwerke mit Nadel und Faden zu fabrizieren. Ob sie das schlechte Wetter vorausgeahnt hat oder ob sie sich mit Stickereien die Zeit während der Überfahrt vertreiben wollte, ist nicht überliefert. Bereits kurz nach Beginn der Liaison mit Wassily Kandinsky (1866 bis 1944) im Jahr 1902 hat Gabriele Münter erste Stickereien nach seinen Entwürfen gefertigt. Zunächst allerdings nur mit Nadel und Faden, noch ohne Perlen. Doch das Paar experimentiert weiter. Häufig sind das Zuschneiden von Kleidern sowie Entwürfe für Täschchen Thema ihrer Briefe in den Jahren 1903 bis 1905. Kandinsky nahm großen Anteil an der Toilette seiner Geliebten. In einem Brief vom 1. Juli 1904 an ihren Lebensgefährten schrieb sie: „Wenn ich Zeit fände dazu, möchte ich mir eine Perlentasche sticken nach Entwurf von dir.“
Ein paar Monate später sollte sie die Zeit finden, auf der Reise nach Tunis. In Lyon kaufte sie noch die Utensilien: bunte Glasperlen, Seide und Baumwollstoffe. Entstanden ist eine Reihe von Handarbeiten – Gebrauchsgegenstände, die gleichzeitig als Kunst gelten können und von Kandinsky auch als solche betrachtet wurden: Handtäschchen, Kissen und Wandbehänge. Ein Teil davon wurde bereits 1906 im Pariser Salon d’Automne ausgestellt, darunter auch das Täschchen mit den beiden biedermeierlichen Damen samt Hündchen, das als Plakatmotiv für die eine Ausstellung mit Münters Perlenstickerei in Murnau gezeigt wird.
Doch die Künstlerin hat die Kunstwerke auch gebraucht, wie Fotos beweisen, die die Sofaecke in ihrer Münchner Wohnung oder sie selbst im von Kandinsky entworfenen Reformkleid zeigen. Das gemeinsame Leben von Kandinsky und Gabriele Münter ist durch Fotografien generell gut dokumentiert. So zeigt ein Foto vom Januar 1905 die Künstlerin auch mit dem Wandbehang Wolgaschiffe über den Dächern von Tunis. Der Wandbehang, der erstmals 1906 in Paris ausgestellt war, ist nun ebenfalls ausgestellt.
Die Motive der meisten Stickereien, die Kandinsky für seine Geliebte entworfen hat, lassen sich in zwei Gruppen einteilen: zum einen Ornamente, die dem Jugendstil zuzurechnen sind, zum anderen biedermeierliche Figuren. Wobei nicht immer genau zu unterscheiden ist, wer hier wen motiviert und künstlerisch beeinflusst hat.
Eine ganze Reihe von Gabriele Münters textilen Kostbarkeiten hat sich bis heute erhalten; andere dieser Arbeiten kennt man lediglich von alten Fotos. Die noch vorhandenen werden im Murnauer Münter-Haus gezeigt. Einige weitere ausgestellte Textilien sind nicht von ihr selbst gefertigt, doch zum Teil nachweislich nach Entwürfen von Kandinsky entstanden, wie die Klöppelspitzen, die das Künstlerpaar auf einer Italienreise im Winter 1905/06 in Rapallo anfertigen ließ. Zu sehen sind ferner Handarbeiten, die die Künstlerin in späteren Jahren nach eigenen Entwürfen angefertigt hat sowie eine Reihe von Döschen mit Perlen, die nicht verarbeitet wurden, außerdem Entwürfe ihres damaligen Lebensgefährten. Eine Malerei von Kandinsky auf einem dunklen Baumwollstoff ist bei der Vorbereitung zur Ausstellung erst entdeckt worden und wird erstmals gezeigt. Wofür das Stück einst gedacht war, ist nicht bekannt, möglicherweise sollte auch dieses als Vorlage für eine Perlenstickerei dienen. (Cornelia Oelwein)

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