Ein funkelnder Goldschatz ist das nicht, den man im Frühjahr 2014 in Oberding geborgen hat: Grün-braun verkrustet, ein wenig bröselig. Und sein (zumindest heutiger) materieller Wert kann nicht zum Beispiel mit dem der goldenen Regenbogenschüsselchen verglichen werden, die zu Hunderten bei Manching ausgegraben worden waren. Auch sind kupferne Spangenbarren, die man da entdeckt hat, längst bekannt und als „prämonetär“ wissenschaftlich beschrieben. Verkürzt gesagt: Man geht davon aus, dass sie eine Zwischenstufe in der Entwicklung des Geldes vom (geschmiedeten, bearbeiteten) wertvollen Halsschmuck hin zur miniaturisierten, normierten Geldform darstellen.
Überwältigende Menge
Und doch freut sich die Fachwelt über eine kleine Sensation: Wann hat sie schon mal die Gelegenheit, Erster an einem seit wohl 4000 Jahren unangetasteten Hortfund zu sein?

Obendrein: Welch üppiges Depot tut sich ihnen da schrittweise auf! Über 800 Barren wurden in einer Nische am Rand einer bronzezeitlichen Abfallgrube niedergelegt – so viele auf einem Haufen hat man im Nordalpenraum, wo dieser Typ an Spangenbarren häufiger anzutreffen ist, noch nicht gezählt.
Nur ungefähr die Hälfte davon – und das galt bislang auch schon als außergewöhnlich – machte der Fund aus, den Bauarbeiter 1928 aus einer Kiesgrube im Münchner Luitpoldpark bargen; die Stücke sind heute in der Archäologischen Staatssammlung – über den für die Wissenschaft so wichtigen Fundzusammenhang gibt es nur laienhafte Augenzeugenberichte.
Nein, auch wenn es die örtliche Nähe zur Abfallgrube vermuten lassen könnte: Die Spangenbarren aus Oberding wurden nicht weggeworfen – dazu waren sie einst viel zu wertvoll. Die Exemplare, die Generalkonservator Mathias Pfeil diese Woche in den Werkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in München präsentierte, sind – soweit die Analyse das bislang ergab – Kupfer-Rohlinge, sie sind also noch nicht mit Zinn zu Bronze legiert; solche Spangenbarren konnten später eingeschmolzen und weiterverarbeitet werden.
Ob der Oberdinger Fund einst vor Räubern versteckt wurde oder ob er schlicht gelagert war, ist nicht bekannt. Archäologen haben die angrenzende Abfallgrube untersucht: Typische Reste einer metallverarbeitenden Werkstatt in der (wohl abgegangen, jedenfalls bislang nicht identifizierten) Siedlung hat man nicht entdeckt. Handelt es sich deshalb vielleicht um ein Handelslager auf dem Transport zur nahen prominenten Höhensiedlung in Freising?
Systematisch deponiert
Viele Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Fund auftun, werden spekulativ bleiben – viele können aber nach den vielfältigen Untersuchungen ein Stückchen weiter geklärt werden. Das betrifft vor allem die Herkunft des Materials und die Verarbeitungstechnik. Auch vom Fundzusammenhang mit der Abfallgrube, wo zudem viele Keramikscherben in auffallender Position entdeckt wurden, lassen neue Erkenntnisse erhoffen.
Die Spangenbarren waren nicht willkürlich oder überstürzt deponiert worden, sondern ordentlich zu Zehnerbündeln zusammengehalten und systematisch aufeinandergestapelt. Das lassen die paar Enden solcher Barren, die aus dem braungefleckten Lössbodenklotz herausstaken, nicht vermuten – aber eine faszinierende Kamerafahrt durch den großen Brocken, der den Fund umschließt, macht die Ordnung der Dinge im Innern sichtbar. Die Archäologen haben den Brocken von Oberding nach München ins Bayerische Landesamt für Denkmalpflege geschafft, wo alle Spangenbarren nun Schicht um Schicht und penibel dokumentiert freigelegt, gereinigt, gegebenfalls restauratorisch verfestigt und genau analysiert werden.
Auffallend sind schon jetzt unterschiedliche Materialbeschaffenheiten: An einigen der Stücke lassen sich Bläschen ausmachen – stammen sie aus einer Charge? Was ist da schiefgelaufen? Exakt dokumentieren die Konservatoren alle Formen, wie sie sich zum Beispiel in Dicke und der Verteilung von Graten unterscheiden: Das lässt Rückschlüsse auf die Herstellung, vielleicht die Werkstatt zu.
Hilfreich sind den Experten beim Vortasten in den über eine Tonne schweren Erdbrocken die Röntgenaufnahmen und -filme, die ihnen das Fraunhoferinstitut für Integrierte Schaltungen IIS in Fürth anfertigte. Seit 2013 steht dort der weltweit größte und leistungsstärkste Computertomograph, der den zerstörungsfreien Blick ins Innere solch großer kompakter Objekte ermöglicht. Aufgrund dieser Daten haben die Archäologen bereits vor der händischen Freilegung der

Spangenbarren viele Erkenntnisse notieren können – unter anderem über die Menge, die das Erdreich umschließt. War man anfangs noch von ungefähr 140 Stücken ausgegangen, die in einem kleineren Block gesondert geborgen wurden und inzwischen auch schon freigelegt sind, enthüllten die Aufnahmen mindestens 800 Stücke.
Die Stadt Erding zahlt
Über viermal so viel: Damit haben die Archäologen nicht gerechnet – auch nicht Erdings Oberbürgermeister Max Gotz, der den Kauf und die Bergung des Fundes finanziell verantwortet. „Welche Summe da am Ende stehen wird, können wir jetzt noch gar nicht genau beziffern“, sagt er. „Wir haben den Grundstückseigentümern den Fund abgekauft, haben uns auch an den Kosten für die Bauverzögerung beteiligt. Aber der Wert der Spangen an sich ist es ja nicht, der so zu Buche schlägt. Vielmehr sind es die Folgekosten. Nach der ersten Überraschung, was die Menge angeht, wissen wir ja nicht, was bei den restauratorischen Arbeiten und den wissenschaftlichen Analysen noch notwendig wird.“
Das Institut für vor- und frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München begleitet übrigens auf eigene Kosten das Projekt (Masterarbeit).
Feststeht, dass der Fund einen Ehrenplatz im Museum Erding bekommen wird. Dessen Leiter Harald Krause hofft, im Sommer 2017 die entsprechende Ausstellung präsentieren zu können.
Ein wichtiges neues Kapitel der Ortsgeschichte sei aufgeschlagen, begeistert sich Oberbürgermeister Gotz: „Gerade in Erding, das von rasantem Wandel und stetem Zuzug von Menschen geprägt ist, wird es zunehmend wichtig, sich der Vergangenheit, der Wurzeln bewusst zu werden. Der Erdinger Boden ist reich an archäologischen Schätzen, das ist uns eine Verpflichtung. Die Stadt unterstützt einschlägige Forschungen alljährlich mit rund 50 000 Euro. Und die Erkenntnisse über den neuesten Fund sind uns die Zusatzkosten wert.“ Ganz vage sagt das Stadtoberhaupt, dass am Ende eine Summe „in Nähe von 200 000 Euro“ stehen könnte. (
Karin Dütsch)
Abbildungen:So goldglänzend wie auf diesem Foto werden die Spangen nach ihrer Bergung nicht aussehen: Es handelt sich ume ien computertechnische "Freilegung" durch das Fraunhoferinstitut für Integrierte Schaltungen in Fürth. (Foto: FIS)
Langwierige Arbeit: Konservatoren am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege legen derzeit die Spangenbarren Schicht um Schicht frei - penibel wird jeder Arbeitsschritt dokumentiert. (Foto: Dütsch)
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