Kultur

Jan Gott ist einer der vielen Musiker*innen, die im heimischen Studio an potenziellen Hits tüfteln. Technisch sei das heute simpel, meint er - aber nach wie vor kommt es aufs musikalisch-kreative Können an. (Foto: dpa/Jan Gott)

22.06.2020

Hits vom heimischen PC

Home-Recording ist heute einfacher und günstiger denn je. Das befördert das Komponieren eigener Songs. Und immer mehr Künstler melden sich bei der Gema an

Längere Zeit hat Jan Gott (45) schon keinen Song mehr geschrieben. Dabei war der gebürtige Münchner in jüngeren Jahren mehrfach knapp dran an einem Plattenvertrag, vielleicht sogar am künstlerischen Durchbruch. Mit 13 Jahren begann er, Gitarre und Klavier zu spielen. Mal intensiver, mal weniger häufig - und momentan, in Corona-Zeiten: mehr denn je. Er komponiert und nimmt in seinem neuen Studio in Wien Songs auf, probiert aus, tüftelt mit Klängen und Rhythmen. "Meiner Musik ist Corona sehr zugutegekommen", sagt der Fotograf im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er habe sich störungsfrei auf den kreativen Prozess konzentrieren und sich seinen Tagesrhythmus frei einteilen können: "Meistens habe ich schon früh morgens mit dem Komponieren begonnen, mittags war die Grundidee eines Songs fertig."

Technisch gesehen sei es heute relativ simpel, musikalische Ideen digital festzuhalten. "Man braucht kaum mehr als einen Laptop und etwas technisches Verständnis", sagt der Wahl-Wiener. Um einen guten Song zu schreiben und im Heimstudio zu produzieren bedarf es aber natürlich noch etwas mehr: Know-how und Talent. "Alles, was einfach und gut klingt, ist fast immer Ergebnis langer Erfahrung." Die bringt Gott mit - deshalb erhofft er sich auch, dass es einer seiner neuen Songs ins Radio schafft. Endlich.

Rechnet sich die Gema-Mitgliedschaft?

Mit dieser Hoffnung steht er nicht alleine da. Das macht der Anstieg von Gema-Mitgliedern deutlich: "Die Zahlen der Anträge auf eine Mitgliedschaft bei der Gema sind im Zeitraum März und April 2020 im Vergleich zum Vorjahr fast doppelt so hoch", sagt Christin Wenke-Ahlendorf, Senior Social Media Managerin bei der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema). In Zahlen: Während 2019 im März 348 Anträge auf eine Mitgliedschaft eingingen, waren es heuer 632. Ein Quantensprung.

Nicht wenige werden ihre neue Mitgliedschaft mit der Hoffnung auf einen Hit verknüpfen. Warmer Tantiemen-Regen inklusive. Auf ihrer Website dämpft die Gema vorsorglich alle illusorischen Platten-Millionärs-Fantasien - mittels eines Online-Rechners. Damit können Autoren-Neulinge ausrechnen, ob sich die investierten 50 Euro für den Mitgliedsbeitrag überhaupt lohnen.

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Ein Song müsse über einen Spotify-Premium-Account beispielsweise mehr als 60.000 Mal gestreamt und ein Video auf Youtube sogar rund 700 000 Mal geklickt werden, damit sich der Beitrag amortisiert. Um potenzielle Hit-Komponisten nicht abzuschrecken, hat die Gema eine bis Ende des Jahres dauernde Rabatt-Aktion für Musikautoren, die 1990 oder später geboren sind, gestartet.

Schnittstellen zum PC einrichten

Dass coronabedingt komponiert wird, dass sich die Noten biegen, hat man auch beim Musikhaus Thomann im oberfränkischen Burgebrach festgestellt. Während Bereiche, die mit Live-Auftritten zu tun haben - wie Beschallungs- und Licht-Systeme - drastische Umsatzeinbußen verzeichnen, legt die (Heim-)Studioabteilung spürbar zu. "Die Nachfrage ist in den letzten beiden Monaten um rund 15 Prozent gestiegen", sagt Dominic Wagner von der Marketingabteilung des weltgrößten Musik-Onlinehändlers. Ganz oben auf der Einkaufsliste stünden USB-Interfaces, also die Schnittstelle zwischen Computer und Peripheriegeräten, sowie Mikrofone und Studio-Monitore. Das Angebot an Aufnahme-Equipment ist gewaltig - und beginnt schon im erhöhten Taschengeldbereich: "Musiker können ihre Songs bereits mit einem Handheld-Recorder für unter 100 Euro aufnehmen", sagt Wagner.

Dass sich unter den Novizen ein neuer John Lennon oder ein deutscher Bob Dylan findet, ist nicht ausgeschlossen. Aber auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Komponist, Produzent und Musiker Dieter Falk hat jedenfalls seine Zweifel: "Ich stelle seit Jahren eine Verflachung der Qualität bei neuen Songs fest", sagt Falk, der in seiner Karriere Künstler wie Pur, Patricia Kaas und Pe Werner in die Hitparaden führte und so mehr als 50 Gold- und Platin-Schallplatten einheimste. Vieles klinge schablonenhaft und austauschbar, moniert der Experte. Und genau das sollten Newcomer vermeiden. "Bitte nie so schreiben wie X oder Y", empfiehlt Falk. "Dann schon lieber eine Mischung aus X und Y - und dann bitte mit eigener Note."

Auf Aha-Effekte kommt's an

Für Einsteiger hat Falk, der seit 2013 eine Professur an der Robert Schumann Musikhochschule in Düsseldorf hat, noch einen weiteren Tipp parat: "Ich habe in den letzten Tagen die Bewerbungen für das neue Semester durchgehört. Was bei mir hängen blieb, sind "Aha-Effekte": überraschende Harmonie-Wechsel mit trotzdem eingängigen Melodien, Wort-Kreationen mit Pfiff und fette Klänge mit Gänsehautfaktor."

Erfüllt ein Song diese Kriterien, sieht Falk Social Media und Spotify als ideale Möglichkeit, das neue Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auch wenn es dabei wenig zu verdienen gibt. Doch um schnöden Mammon sollte es beim inspirierenden Prozess des Songwritings ohnehin nicht primär gehen, meint er: "Es sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Oft werden Songs, die offensichtlich auf einen Charts-Erfolg schielen, schon nach acht Takten enttarnt." Er spreche da aus Erfahrung, sagt Falk. "Ich möchte auch den Hit. Doch interessanterweise wurden die Songs, von denen ich es nicht erwartet hätte, immer die größeren Erfolge." (Gunther Matejka, dpa)

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