Kultur

Ausschnitt aus einer Aktfotografie von Heinrich Zille. Die vollständige Fotografie finden Sie in der Bildergalerie am Ende des Beitrags. (Foto: Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur)

03.08.2018

In neuem Licht

Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg zeigt in einer Ausstellung, wie sich Malerei und Fotografie gegenseitig beeinflussten

Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, auf technische Neuerungen zu reagieren: Entweder man verdammt sie oder man versucht, das Beste daraus zu machen – damit das befürchtete Schlimmste nicht passiert. Diese Möglichkeiten hatten auch die Maler am Ende des 19. Jahrhunderts, als ihnen zunehmend die Fotografie als Konkurrenz ins Gehege trat. Beide Methoden der Darstellung durchdrangen und inspirierten sich gegenseitig. Es enstand Neues.
Was da so neu war und welche Entwicklungspfade sich ergaben, kann man in der lehr- und bilderreichen Ausstellung Licht und Leinwand im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg studieren. Mit 260 Exponaten, ein Drittel davon Gemälde, ist ein technologischer Wandel thematisiert, der neue Sicht-, Denk- und Vorgehensweisen mit sich brachte.
Lange was es im gehobenen Bürgertum gang und gäbe gewesen, sich malen zu lassen: zur Hebung des Prestiges und zur Zier des Salons. In Nürnberg sind schöne Beispiele dieser bürgerlichen Porträtmalerei zu sehen: so etwa die mondänen Ölgemälde der Freifrau Cäcilie von Eskeles und ihres Gatten Bernhard. Jene Bilder umgaben die Porträtierten gerne mit bürgerlichem Interieur – eine Tradition, die die Porträtfotografie von Beginn an aufgriff: In den Fotoateliers wimmelte es von Tapeten, dramatischen Vorhängen und Ausstattungskram.

Tendenz zur Abstraktion

Die Fotografie war deutlich billiger als die Ölmalerei. Sie wurde zunächst auch nur als Handwerk begriffen, fand erst später ihren Durchbruch zu einer eigenständigen Kunstgattung. Auch diese Bewegung zeichnet die Ausstellung nach, zeigt, wie nach dem Übereinanderlegen mehrerer Fotografie-Glasplatten aus Himmel, Landschaft und Figuren künstlerische Landschaften wie Henry Peach Robinsons In the Gloaming entstehen, wie Fotografen neue Verfahren zur Kunstgenese entwickeln.
Die Umbruchzeit vom Gegenständlichen hin zur Moderne in der Malerei ging zwischen 1880 und 1920 vonstatten. Wenn sich die Fotografie dem Gegenständlichen widmet, kann die Malerei mit neuen Ausdrucks- und Darstellungsformen experimentieren, die Seele allen Seins hinter ihrer Oberfläche erkunden. Es tritt auf: das Malergenie. Von einem Fotogenie hört man lange nichts.

Details studieren

Naturwissenschaftler bedienten sich der neuen Technik schnell, denn eine Fotografie erwies sich trotz damals noch langer Belichtungszeiten und großem Aufwand mit Glasplatten und Chemikalien gegenüber der Zeichnung doch als relativ praktisch. Und man konnte gestochen scharfe Aufnahmen und Details sichtbar machen. Faszinierend sind die Fotografien, die Lewis Morris Rutherfurd im Jahr 1865 vom Mond gemacht hat.
Künstler nutzten die Fotografie bald als Stellvertreterin des Skizzenbuches. Das gilt beispielsweise für Aktstudien. Oder weil der Gemalte so nicht mehr stundenlang Modell sitzen musste. Franz von Lenbach nutzte fotografische Vorlagen für sein Porträt des Fürsten Bismarck – und musste sich durchaus fragen lassen, ob das dann noch Kunst sei.
Auch der Blick auf Details der Natur änderte sich: In einem Raum der Nürnberger Ausstellung hängen Bilder von Franz Krüger mit Reitern auf galoppierenden Pferden, die alle vier Beine in der Luft haben; gegenüber sind fotografische Bewegungsstudien von Eadweard Muybridge, die beweisen, dass auch ein galoppierendes Pferd immer mindestens einen Huf am Boden hat: galoppierende Realitätsannäherung.
Für die Künstler jener Zeit war die Phase des Umbruchs also zugleich eine Phase des Pragmatismus’ im Umgang mit Neuem. Adolph Menzel beispielsweise ließ sich vor seinem Krönungsbild fotografieren, Georg Dassler mit Staffelei und Eduard Charlemont sich selbst zuprostend mit Skelett im Hintergrund: das Memento mori in moderner Bildsprache.
Auch für das Germanische Nationalmuseum stellt die gewählte Zeit der Exponate eine Art Umbruch dar, denn sie füllt die Lücke zwischen den beiden Dauerausstellungen zum 19. Jahrhundert, die um 1880 endet und zum 20. Jahrhundert, die um 1920 beginnt. Deshalb auch können in Licht und Leinwand nun viele Exponate aus dem Hause – neben wenigen Leihgaben – erstmals öffentlich und vielfach restauriert präsentiert werden, die man lange nicht oder noch nie gesehen hat. (Christian Muggenthaler)

Information: Bis 9. September. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. Di. bis So. 10-18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.