Kultur

Die „Schützenliesl“ auf einer Schützenscheibe der Königlich Privilegierte Feuerschützengesellschaft 1425 Landshut e.V. - hier ein Ausschnitt, die komplette Schützenscheibe sehen Sie im Artikel. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte / Philipp Mansmann)

18.03.2016

Karriere eines Biermadls

Wie es Coletta Möritz alias die "Schützenliesl" schaffte, Werbe-Ikone und erfolgreiche Gastronomin zu werden

Bei Geschichten, die den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär beschreiben, denkt man oft zuerst an die USA. Doch auch im Bayern des ausgehenden 19. Jahrhunderts gab es solche Schicksale, die vom Aufstieg aus einfachen Verhält­nissen erzählen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Lebensweg der „Schützenliesl“, die es zu der wohl bekanntesten Symbolfigur bayerischer Wirts­haus- und Festkultur gebracht hat. Coletta Möritz (1860 bis 1953) wurde in der Nähe von Pöttmes im Landkreis Aichach-Friedberg als uneheliches Kind einer Kleinbauerntochter geboren und arbeitete nach dem Umzug ihrer Mutter bereits mit 16 Jahren als Biermadl, also Hilfskellnerin, beim Sternecker-Bräu im Tal in München. Dort verkehrten auch Mitglieder der Künstlergesellschaft „Allotria“, unter ihnen Friedrich August Kaulbach (1850 bis 1920), dem das attraktive Biermädchen auffiel. So bat er im Jahre 1878 Coletta Möritz, ihm für eine Skizze Modell zu stehen. Das Motiv dieser Skizze war es dann, das die junge Coletta zur Werbe-Ikone werden ließ.

Landesweit bekannt

Denn im Juli 1881 fand auf der Münchner Theresienwiese das VII. Deutsche Bun­desschießen statt und Kaulbach wurde neben anderen einheimischen Künstlern mit der Ausgestaltung dieses Großereignisses der Schützenvereine beauftragt. So sollten auf dem Festplatz mehrere Festhallen und Wirtschaften im historischen Stil entstehen, wobei Kaulbach mit der Dekoration des markanten Turms eines Gast­hauses mit dem Namen „Schützenlisl“ betraut war. Er schuf dafür ein fast fünfein­halb Meter hohes Kolossalgemälde auf der Grundlage seiner Skizze der schönen Coletta, die ihrerseits während des Bundesschießens in der von der Münchner-Kindl-Brauerei betriebenen Großgaststätte bediente. Das Zusammenspiel aus frivol-attraktiver Darstellung auf der Fassade und dem lebenden Modell im Gastraum begeisterte das Publikum ungeheuerlich: So sollen allein am letzten Festtag in der „Schützenlisl“ 16.300 Maß Bier getrunken worden sein.

Ikone der frühen Werbung

Darüber hinaus wurde das anziehende Bildmotiv aufgegriffen. Eines der ersten Beispiele dafür ist die Erinnerungsscheibe der Landshuter Feuerschützengesell­schaft, die im Oktober 1881, knapp drei Monate nach dem Fest, beschossen wurde. Wie auf Kaulbachs Fassadengemälde ist Coletta hier auf einem Bierfass balancierend, mit wehenden Zöpfen, einer kleinen Schützenscheibe als Kopfbedeckung, schäumenden Maßkrügen in den Händen, einem Brotzeitradi unter dem Schürzenlatz, offenherzigem Dekolleté und gewinnendem Lächeln verewigt. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte zierte die Schützenliesl unzählige Postkarten, Pfeifenköpfe, Schnupftabakflaschen, Geschirr, Bierkrüge sowie Wer­bemittel aller Art.

Erfolgreiche Geschäftsfrau und zwölffache Mutter

Und auch für Coletta Möritz sollte sich ihre Bekanntheit lohnen. Ein Jahr nach ihrem Durchbruch als Werbe-Ikone heiratete sie den Wirt Franz Xaver Buchner. Sie gebar 12 Kinder und führte zudem als Wirtin selbst ver­schiedene Münchner Großgaststätten. 1897 war sie beim Zentrallandwirtschafts­fest auf der Theresienwiese vertreten. Von 1898 bis 1904 betrieb das Wirtspaar zwei Gasthäuser in Straßburg im Elsaß. 1905 kehrte es nach München zurück, wo Ehemann Franz Xaver im Jahre 1910 starb. Auch ohne ihren Mann führte Coletta zusammen mit ihrer Tochter das Ausflugslokal „Die Rosenau“ in Schwabing sowie den gastronomischen Betrieb der Münchner Hauptschützengesellschaft weiter. Später lebte sie, in zweiter Ehe mit dem Postbeamten Max Joachim verheiratet, im Münchner Stadtteil Mittersendling. Noch zu Lebzeiten der über 90-Jährigen schuf der Komponist Gerhard Winkler auf den Text von Fini Busch und Fred Rauch das bekannte Lied „Schützenliesl“. Dieser Oktoberfesthit von 1953 wird bis heute gern gespielt und liegt in unzähligen Coverversionen vor. So kann man also mit Fug und Recht sagen, dass, wie es im Refrain des Liedes heißt, die Figur der Schützenliesl auch Coletta „das Glück ge­bracht“ hat! (BSZ) Information: Auch der Schützenliesl widmet sich die Bayerische Landesausstellung zum Jubiläum "500 Jahre Reinheitsgebot". Die Austellung ist ab 29. April im Kloster Aldersbach im Passauer Land zu sehen.  www.hdbg.de Abbildungen: Die Fotografie zeigt Coletta als junge Ehefrau (um 1882) mit der für die Münchner Frauentracht typischen Riegelhaube. Die Fotografie hat sich ebenso wie andere Gegenstände aus ihrer Zeit als Wirtin in Familienbesitz bei ihrer Großnichte Ottilie Rigl erhalten.

Die „Schützenliesl“ als fesche Bierkellnerin. Für die damalige Zeit war das Bild eine gewagte Darstellung, es erregte großes Aufsehen. Hier das Bild auf einer Schützenschiebe der Landshuter Feuerschützengesellschaft. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte / Philipp Mansmann)
  

Bayerische Landesausstellung 2016 „Bier in Bayern“
Kloster Aldersbach im Passauer Land
29. April bis 30. Oktober 2016
Täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr
Veranstalter: Haus der Bayerischen Geschichte, Gemeinde Aldersbach und Landkreis Passau in Zusammenarbeit mit der Brauerei Aldersbach
Eintrittspreise: Erwachsene 10 Euro, Ermäßigt (Senioren, Studenten, Gruppen ab 15 Personen) 8 Euro, Familienkarte 20 Euro, Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren 2 Euro.

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