Kultur

Verdi verträgt einen Schuss Wagner – und umgekehrt, lautet Dirigent Asher Fischs überraschende Einstellung. (Foto: Bayerische Staatsoper)

13.12.2013

Klang des Schicksals

Dirigent Asher Fisch verrät, wie er „Forza del destino“ dirigieren wird

Das Verdi- und Wagnerjahr 2013 hat vor allem gezeigt, dass beide Komponisten noch längst nicht umfassend befragt wurden. Wenn es um die klangliche Gestaltung und Interpretation geht, klaffen weiterhin gewaltige Lücken. Dieser Meinung ist auch Asher Fisch – allerdings mit einem anderen Akzent: „Wir müssen Wagner mit Verdi im Hinterkopf dirigieren und umgekehrt.“ Damit meint er gerade auch das Tempo: „Für mich wird Wagner grundsätzlich zu langsam gespielt und Verdi zu schnell.“
Deshalb möchte Asher Fisch vor allem die Frage der „Italianità“ ergründen, wenn er jetzt die Neuproduktion von Giuseppe Verdis Forza del destino an der Bayerischen Staatsoper dirigiert, die am 22. Dezember Premiere hat. „Man denkt, dass Italianità schnell heiße und spritzig, wie ein Champagner. Vielleicht passt das zu Rossini. Aber zu Verdi? Für manche Leute mache ich Verdi etwas zu langsam, aber ich finde, dass die Musik genauso differenziert sein sollte wie bei Wagner.“

Zubin Mehtas Verdi-Diktion

Als Assistent von Daniel Barenboim begann die Karriere des 1958 in Jerusalem Geborenen. Nach Auftritten in den USA leitete Fisch die Wiener Volksoper und die Israeli Opera. Seine prägende Verdi-Erfahrung sammelte er mit dem langjährigen Münchner Generalmusikdirektor Zubin Mehta: „Von ihm habe ich die ungeheure rhythmische Variation gelernt. Sein Rallentando, das so griffig und klar funktioniert wie ein Rad, nutze ich auch jetzt in Forza del destino.“
Diese Oper nennt Fisch ein „Übergangsstück“ in Verdis Schaffen – ein „wirkliches Bruchstück“. „Ich habe zwölf, dreizehn Verdi-Opern dirigiert, aber diese hier ist seine schwierigste von der Form her, gerade auch für die Regisseure. Bis heute verstehe ich nicht, warum sie so viele Chorstellen hat, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben. Viel Atmosphäre, aber wenig Linie, noch ganz anders als in Don Carlos.“ In Don Carlos sei die Balance perfekt.
In Forza del destino dreht sich alles um die Liebe. Im Zentrum steht das „Traumpaar“ Anja Harteros (Leonore) und Jonas Kaufmann (Alvaro) – samt Duellen, Verwirklungen und tragischem Ende. Für die Münchner Neuproduktion wurde manches gestrichen, um zu straffen. „Ich habe die Oper schon vollständig dirigiert. Aber meiner Meinung nach verlieren wir ohne Schnitte nur die Zuschauer.“ Denn: „Verdi hatte damals einfach noch nicht die große Erfahrung mit dem Komischen. Seit Un giorno di regno von 1840 hatte er keine Komödie komponiert – bis zum späten Falstaff, wo er schließlich eine ganz neue Lösung im Buffa-Fach fand. In Forza del destino sind die Chorstellen nicht auf hohem Niveau.“
Trotzdem nimmt sie Regisseur Martin Ku(s)ej durchaus ernst, wie Fisch aus der Zusammenarbeit verrät. „Ich merke, ob ich mit einem Opern- oder mit einem Schauspielregisseur arbeite“, berichtet Fisch. „Es ist ganz unterschiedlich.“ Der Dirigent hat beobachtet, dass sich „Theaterregisseure manchmal sehr schwer mit den Chören tun, weil das viele Personen sind, die aber alle nur singen und nicht schauspielern. Sie sind eher Statisten.“ Kannte aber nicht schon das antike Theater Chöre? „Ja, aber das wird heute nicht mehr gemacht. Ku(s)ej kommt, und das Konzept ist da. Aber er will sehen, was die Leute ihm anbieten.“ In München würden sie viel anbieten, so Fisch – und freut sich nicht zuletzt auf die „fantastische Besetzung“.

Verdis Chor-Schwächen

„Bei den Chorstellen stellt Kusej nicht einfach Tänzer auf die Bühne, womit der Erzählfluss unterbrochen würde. Das geht heute nicht mehr. Er möchte, dass diese Szenen innerhalb der Oper zur Geschichte passen. Das ist schwer.“ Wie er das löst? „Das wird eine sehr harte Geschichte. Kusej geht tatsächlich von der Macht des Schicksals aus und der Peinlichkeit, dass es keine Lösung gibt. Das möchte er erzählen. Es wird sehr gut.“ Auch auf aktuelle Bezüge darf man gespannt sein – politische und gesellschaftliche Krisen gibt es ja genug. (Marco Frei)
Forza del destino, Bayerische Staatsoper, zwischen 22. Dezember und 11. Januar. www.bayerische.staatsoper.de

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